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Walküre in Magdeburg. Lucia Lucas, Ensemble. Foto: © Andreas Lander
Walküre in Magdeburg. Lucia Lucas, Ensemble. Foto: © Andreas Lander
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Oper Magdeburg eröffnet Spielzeit mit Wagners „Walküre“

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Nur einen Teil aus Richard Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ auf den Spielplan zu setzten, hat etwas von „ein bisschen schwanger“. Aber wenn man es dann schon mal macht, so wie jetzt die Oper in Magdeburg zum Spielzeitauftakt, dann bietet sich dafür die „Walküre“ noch am ehesten an. Das „Was-bisher-geschah“ (und zwar im „Rheingold“ und in der Zeit zwischen Einzug der Götter und „Walküre“) wird hier nämlich ohnehin ausführlich erzählt.

Bei dem, was folgt, also wie es mit und im „Siegfried“ weiter geht, da haben die Neugierigen halt Pech. Oder sie müssen einen Ausflug nach Chemnitz einplanen, wo man gerade an einem „Ring“ mit vier Regisseurinnen bastelt und noch in diesem Monat „Siegfried“ auf dem Plan steht. (Oder nach Leipzig.)

Die „Walküre“ freilich hat ihr eigenes Verführungspotenzial. Die Winterstürme, die dem Wonnemond wichen – das ist so einschmeichelnd wie selten bei Wagner, gehört zum Populärsten aus dem ganzen Ring. So wie der Walkürenritt; das ist die Wagnerische Überwältigungs-Attacke schlechthin, bei der man noch jedes Mal innerlich in Deckung geht. Um dann Wagners Scharfblick für die Lust an der Zerstörung zu bestaunen. Die Angriffsformation der Kampf-Hubschrauber in Francis Ford Coppolas „Apokalypse now“ (1979) ist das Bild zu der Musik, mit der sich seitdem auch jede Bühnenversion insgeheim misst. 

Regisseur Jakob Peters-Messer hat auf die Trockenbauwände von Guido Petzolds Bühne (Situation: Innenausbau – eine Tapeziertafel steht noch rum) exemplarische bürgerkriegsähnliche Randaleszenen projiziert. Aus dem Hamburger Schanzenviertel beim G20 Gipfel. Im dritten Aufzug dann ist aus den Bruchstücken der Wände eine Skulptur geworden, die als stilisierter Walkürenfelsen ohne Weiteres durchgeht. 

Siegmund ist in diesem Rahmen den randalierenden Autonomen zuzuordnen. Sieglinde, bei der er auf der Flucht, direkt von der Demo, vor seinen Verfolgern Schutz sucht, die Ehefrau eines ziemlich martialisch ausgerüsteten Ordnungshüters. Randalierer gegen die Mächte der Ordnung und Wotan mittendrin. Er ist eigentlich der Chef und Repräsentant der Ordnung, dabei aber selbst ein verkappter Revoluzzer. Dass man für diesen Widerspruch doch den ganzen Ring bräuchte – das ist ein Fazit dieser Produktion. Es beschreibt zugleich ihr Defizit. Überhaupt ist Wotan besonders im letzten Akt mehr ein überfordertes Opfer seiner allzu dominanten Ehefrau im grauen Hosenanzug und weniger ein Gott mit weitreichenden Umsturzplänen in Sachen Welt. Es passt zu diesem trotzig wirkenden Alt-Jugendlichen, wenn die zu Boden gegangenen Scheinwerfer mit ihrem etwas mickrig wirkenden Rotlicht den Feuerzauber schon imaginieren, noch bevor Wotan mit dem Aufstampfen seines Speeres das Kommando dazu gibt. Auch, dass sich die Walküren in den weißen Monturen der Spurensicherung um die gesammelte Beute an Toten kümmern, und unter diesen Schutzanzügen dann das gängige Protestler-Outfit von Jugendlichen zum Vorschein kommt, lässt Fragen offen.

Unterm Strich ein Gewinn

Man hat Jakob Peters-Messer schon einfallsreicher und auch in der Personenzeichnung packender erlebt. Und doch ist der Abend unterm Strich ein Gewinn – für jeden Opernfreund, aber auch für die besondere Spezies der Wagnerianer. 

Sein großer Vorzug: er erzählt die tabubrechende Liebesgeschichte der Zwillinge Siegmund und Sieglinde geradeaus, mitreißend körperlich und hinreißend gesungen. Der durchweg imponierend strahlende und darstellerisch glaubwürdige Siegmund von Richard Furman ist eine Entdeckung, die auch jeder größeren Bühne zur Ehre gereichen würde. (Den sollte man in Bayreuth auf die Reserveliste setzten.) An seiner Seite ist Ensemble-Mitglied Noa Danon eine leidenschaftliche, dunkel eingefärbte Sieglinde. 

Johannes Stermann ist ein eher optisch, als stimmlich furchterregender Hunding-Hühne in der Kampfmontur der Polizei von heute. Neben ihm verkörpert vor allem die in Magdeburg bewährte Undine Dreißig als Fricka mit jedem Ton und jedem Blick die bestehende Ordnung. Die Kostüme von Sven Bindseil lassen daran keinen Zweifel. Julia Borchert gelingt es als Brünnhilde, sehr schlanke Anläufe glaubhaft in ihre Hojotoho-Ausbrüche zu integrieren. Berührend die Todesverkündigung, wenn sie Siegmund wie eine antike Priesterin im weißen Gewand vor der Projektion eines betörend grünenden Waldes erscheint. Bariton-Sängerin (ist sie tatsächlich) Lucia Lucas ist ein zwar etwas zu jugendlicher und auch weichgezeichneter vokal sattelfester, aber Wotan! Dazu findet der scheidende Magdeburger GMD Kimbo Ishii mit seiner Philharmonie schnell in einen durchweg mitreißend packenden Walkürensound. Er gibt dem ersten Akt, die innere Spannung und das Tempo, die mitreißen. Dass bei ihm selbst der Walkürenritt zu einem musikalischen Schmuckstück wird, liegt auch an den handverlesenen, durchweg als Einzelleistung wahrnehmbaren Walküren Raffaela Lintl, Uta Zierenberg, Monica Mascus,  Isabel Stüber Malagamba, Emilie Renard, Lucia Cervoni und Henriette Gödde. Er lässt den Sängern durchweg den Raum, sich zu entfalten. Er verbreitet aus dem Graben Glanz und Leidenschaft. Und die Ahnung der drohenden Katastrophe. 

  • Sonntag 16., 30. 9., 14.10., 3., 23. 11. 2028  jeweils 16.00 Uhr

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