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Text von Heinz Rudolf Kunze aus politik und kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrats, 01/2007:
Die Enquete-Kommission .Kultur in Deutschland. des Deutschen Bundestages befasst sich u.a. auch mit der Rolle der Kultur in den Medien und zwar sowohl den Print- als auch den audiovisuellen Medien. Heinz Rudolf Kunze hat diese Thesen in die Debatte in der Enquete-Kommission eingebracht, um eine kontroverse Diskussion anzuregen.
1. Das Niveau der journalistischen Ausbildung ist katastrophal, das Niveau der Rezipienten zunehmend hoffnungslos. Legastheniker schreiben für Analphabeten, Schwerhörige machen Radio für Taube, Kurzsichtige Fernsehen für Blinde.
2. Verdienstvolle Kulturschaffende in den Medien (die es durchaus immer noch gibt) befinden sich in einem permanenten Abwehrkampf. Don Quichotte wirkt dagegen wie ein strahlender Siegertyp.
3. Es gibt einen Flüsterkonsens der Medienarbeiter in den Kantinen, der an das verdruckste Einverständnis von Mitläufern in Diktaturen erinnert.
4. Fernsehen ist die brutalstmögliche Verhinderung des Unbequemen: ein totalitäres Kartell abwiegelnden Grinsens.
5. Radio ist die systematische Verkürzung und Verstümmelung der Wahrheit: nicht nur der ästhetischen. Primitive umgangssprachliche Metastasen durchwuchern die Sprechhaltung am Mikrophon.
6. Printmedien (die immer unwichtiger werden, da kaum noch jemand liest) sind gelegentlich letzte Reservate von Geduld und Gewissenhaftigkeit.
7. Die Strategie der Verlogenheit seitens der Verantwortlichen ist nahezu perfekt. Sie glauben ihre eigenen Strohhalm-Argumente. Kultur findet statt – nach Mitternacht, auf der fünften Welle etc. etc.
8. Die Installation privater Medien war die Öffnung eines Höllentors. „Unterschichtenfernsehen" (Harald Schmidt) ist noch ein Euphemismus. Fassungslose und wehrlose Zeitgenossen müssen mit ansehen, wie von Jahr zu Jahr neue Tiefstände des Vulgären, Proletigen, Widerwärtigen erreicht werden. Radio ist Lärmterror für Schwundhirne – Abrichtung zum Weghören. Ich kenne keinen einzigen Menschen mehr, der noch Radio hört außer vielleicht die Kulturwellen. Vielleicht kenne ich die falschen Menschen. Oder die richtigen.
9. Es gibt nur eine Hoffnung auf Besserung: Immer mehr Betroffene, von den Medien Erniedrigte und Beleidigte sind von dem unterirdisch schlechten Angebot dermaßen angeekelt, dass sie sich massenhaft abwenden und somit den verkommenen Kulturbetrieb zum Umdenken zwingen. Allerdings lügen sich die Medien sogar dann noch ihre bestellten Umfragen schön, wenn sie längst keiner mehr konsumiert.
10. Es gibt keine Hoffnung auf Besserung.
Elfte, völlig unsachliche Behauptung: Die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland" des Deutschen Bundestags tut sich beklemmend schwer, Medusa ins Gesicht zu schauen. Oder sie auch nur anzublinzeln.
Heinz Rudolf Kunze ist Musiker und gehört als Sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland" des Deutschen Bundestages an
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Die aktuelle Ausgabe von politik und kultur mit den Thesen von Heinz Rudolf Kunze finden Sie unter http://www.kulturrat.de/puk_liste.php?detail=53&rubrik=puk
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Im Rahmen der Radiosendung "taktlos " gab Heinz Rudolf Kunze ein Interview, in dem er über Neuveröffentlichungen, Kulturpolitik, Urheberrechte, seine Teilnahme am Grand Prix 2007 und über seine Thesen in politik und kultur redet. Das Interview führte Andreas Kolb. Das Interview finden Sie unter http://www.nmzmedia.de/
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