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Kommission zur Rückgabe von Kulturgütern konstituiert sich

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Eine Kommission widmet sich künftig der Rückgabe von Kulturgütern, die während der NS-Zeit enteignet wurden. Das Gremium kommt heute zu seiner konstituierenden Sitzung in Berlin zusammen.

orf - Der erste Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) hatte es sich als eines seiner ersten Anliegen auf die Fahnen geschrieben, NS-Raubkunst aufzuspüren, die auch 50 Jahre nach Kriegsende in Deutschland auf die Rückgabe an ihre rechtmäßigen Besitzer wartet. Doch das war leichter gesagt als getan: Jahrelang verhandelte der Bund mit Kommunen und Ländern, in deren Museen noch Raubkunst hängt. Jetzt will Naumanns Nach-Nachfolgerin Christina Weiss (parteilos) dessen Absicht in die Tat umsetzen: Morgen, Montag, tritt in Berlin eine Kommission zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen, die künftig das Aufspüren und die Rückgabe von NS- Raubkunst erleichtern soll.

Das von der Bundesregierung beschlossene Gremium trägt den umständlichen Namen "Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz". Sie ist bei der Koordinierungsstelle für Kulturverluste in Magdeburg angesiedelt. Ihr gehören unter anderem Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth an.

"In diesem Punkt ist mehr möglich als bisher von deutscher Seite geschehen", meinte Naumann damals und appellierte an die großen Museen in Deutschland, ihre Bestände noch einmal genauestens zu überprüfen und dem Beispiel der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu folgen. Die Stiftung gab 1999 von den Nazis zwangsversteigerte Kunstwerke an ihre jüdischen Besitzer oder deren Erben zurück, darunter eine Van-Gogh-Zeichnung.

Auch die Bayerische Gemäldesammlung sowie Museen und Kunsthallen in Leipzig, Emden und Bremen gaben Kunstwerke zurück. Als es in den vergangenen Jahren aber zunehmend Probleme und Streitigkeiten über die Rechtsansprüche an den Kunstwerken gab, machte sich Naumanns Nachfolger Julian Nida-Rümelin (SPD) für eine Schiedskommission stark, wie sie auch auf einer internationalen Konferenz zum Thema Nazi-Raubkunst in deutschen Museen in Hamburg gefordert worden war.

Doch Kommunen und Länder, in deren Museen die strittigen Kunstwerke hängen oder vermutet werden, taten sich lange schwer damit. Erst Christina Weiss einigte sich mit der Kultusministerkonferenz der Länder und den kommunalen Spitzenverbänden, so dass die Raubkunst-Kommission nun ihre Arbeit aufnehmen kann. Die seit einigen Jahren bestehende Internet-Datenbank www.lostart.de soll als Anlaufstelle für beide Seiten dienen.

Sie verzeichnet über 40.000 Kunstgegenstände, die als vermisst gelten oder in bekannten Sammlungen mit "unklarer Herkunft" hängen, für die sich bis heute kein rechtmäßiger Eigentümer finden ließ. Dabei spielt auch die berüchtigte "Linzer Liste" mit 13.000 Gemälden, Plastiken, Gobelins, Möbel, Bücher und Manuskripten eine Rolle, die die von den Nazis für Hitlers geplantes "Weltmuseum" im österreichischen Linz geraubten oder zwangsverkauften Kunstwerke auflistet.

Viele der von den Amerikanern nach dem Krieg in ihren "Collecting Points" zusammengeführten Kunstwerke fanden zwar ihren Weg in deutsche Museen zurück, doch blieb bei manchen Bildern bis heute die Eigentumsfrage ungeklärt, weil angeblich oder tatsächlich kein rechtmäßiger Eigentümer aufzutreiben war, so dass sie den Museen treuhänderisch überlassen blieben.

Zunehmend hat es in der Vergangenheit dann aber mit mehr oder weniger sanftem öffentlichen oder politischen Druck Rückgaben von Kunstwerken gegeben. So wurden im September 2000 von Deutschland in einem bis dahin noch nicht da gewesenen Umfang über 80 von den Nazis beschlagnahmte Kunstwerke an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben.