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Theater in Not - Rau fordert mehr Engagement für Kultur - Kongress zum «Bündnis für Theater» in Berlin
Berlin (ddp). Angesichts der alarmierenden Finanzsituation an den Theater- und Opernbühnen werden umfassende Reformen in der Kulturlandschaft gefordert. Bundespräsident Johannes Rau sagte am Freitag in Berlin beim Kongress «Bündnis für Theater - Wir brauchen einen neuen Konsens», er sei zuversichtlich, dass Oper und Theater die Kraft hätten, «sich zu wandeln, sich zu erneuern und sich ihrer selbst zu vergewissern».Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) mahnte, es «wäre fatal zu glauben, die Kultur und insbesondere die Kunst seien etwas Zweitrangiges, etwas, dem man sich später widmen könnte, nachdem man die ökonomischen Probleme einer Nation in den Griff bekommen hat». An dem von Rau initiierten Kongress nahmen Vertreter von Theatern, Kommunen, Ländern und des Bundes teil.
Rau plädierte zugleich für ein stärkeres Kultur-Engagement in Deutschland. Wenn er sich «etwas wünschen könnte, dann wäre es die Verankerung von Kultur als Pflichtaufgabe auf allen staatlichen Ebenen», sagte er. Nur wenn die Kultur und die für sie Verantwortlichen auf einer Stufe mit anderen wichtigen Aufgaben stünden, rückten sie in die erste Reihe, wo sie hingehörten, betonte er.
Der Bundespräsident hatte im Sommer 2001 Intendanten und Regisseure, Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden eingeladen, um mit ihnen über die Situation von Theater und Oper zu sprechen. Daraus entstand eine Arbeitsgruppe, die Rau im Dezember einen Zwischenbericht vorgelegt hatte. Ziel der Modernisierung der Theaterstrukturen sei «mehr Autonomie, weniger Bürokratie, mehr Planungssicherheit mit ausreichender Finanzierung», heißt es in dem Bericht, der eine breite Diskussion anstoßen sollte.
Rau betonte, das von ihm angeregte «Bündnis für Theater» halte er «für nötiger denn je». Er wolle nicht, dass jetzt auch im Theater fast nur noch über Wirtschaftspläne statt über Spielpläne diskutiert werde. Der Abbau von Arbeitsplätzen allein sei noch keine Reform, wenn die Strukturen nicht verbessert oder neue Formen der Zusammenarbeit gefunden würden. «Eine Strukturreform, die sich gewollt oder ungewollt gegen den Inhalt, also gegen die Kunst selber richtet, ist der sichere Weg auf das Sterbebett - ohne Umweg über die Intensivstation», sagte Rau.
Gesprochen werden muss nach Ansicht des Bundespräsidenten jedoch über die Höhe der Gagen und Intendanteneinkommen, «bevor anderen, die mit viel weniger auskommen müssen, Gehaltsverzicht verordnet wird». Zugleich forderte er die Bühnen auf, das Potential aller Zuschauergruppen auszuschöpfen. So müssten sie angesichts des demographischen Wandels mit ihrem Angebot mehr auf Einwanderer und junge Menschen eingehen.
Auch Weiss mahnte die Bühnen, auf die Zuschauer noch mehr einzugehen. Theater und Opernhäuser hätten ein Publikum, das normalerweise bereit sei, sich auf vieles einzulassen. «Die Mär vom bornierten, eingerosteten Abonnenten lässt sich heute, wo keine bildungsbürgerliche Pflicht mehr ins Theater treibt, so wohl kaum noch aufrechterhalten. Und trotzdem scheinen die Zuschauer oft unter dem Gefühl zu leiden, für dumm verkauft zu werden», betonte sie. Die Zukunft des Theaters werde auf der Bühne entschieden.
Nathalie Waehlisch