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Mit Musik von Henry Mancini.

Mit Musik von Henry Mancini. 

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Hank, Audrey, Julie und Mr. Moon River

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Zum 100. des großen italo-amerikanischen Filmkomponisten Henry Mancini
Vorspann / Teaser

Vermutlich kennt fast jeder seine berühmten Filmmelodien: „Moon River“, „Days Of Wine And Roses“, „Baby Elephant Walk“, „Charade“ oder das „Pink Panther Theme“. Sein Name wurde zum Synonym für die „leichte“ Filmmusik der Sixties: Henry Mancini. Am 16. April würde Enrico Nicola Mancini seinen 100. Geburtstag feiern. Anlass genug, wieder an dieses italo-amerikanische Genie des „Silver Age of Filmmusic“ zu erinnern, das mit vier Oscars und 20 Grammys ausgezeichnet wurde. 

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Henry Mancinis Eltern waren vor dem Ersten Weltkrieg aus den Abruzzen in die USA eingewandert. In Cleveland, Ohio hatten sie eine neue Heimat gefunden, in der sie den Sound ihrer alten Heimat mitgebracht hatten. „The Sound of Italy“ hieß die Einwandererband, in der der kleine Henry als Piccolo- und Querflötenspieler seine ersten Auftritte hatte. Bald darauf landete er auf der berühmten Juilliard School of Music in New York. Als G.I. war er im Mai 1945 an der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen beteiligt. Danach begann für ihn ein neues Leben. Als Arrangeur des Glenn-Miller-Nachfolgers Tex Beneke machte er sich einen ersten Namen. In dieser Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg lernte er auch seine Frau Ginny O’Connor kennen, die damals Mitglied von Mel Tormes Gesangsgruppe „The Meltones“ war. Seine Frau war es dann auch, die ihm als neues Mitglied der „Mello-Larks“ seinen ersten Auftrag in Hollywood verschaffte, als Arrangeur der Songs der Gruppe. In dieser Zeit wurde er von Joseph Gershenson, der damals der Chef der Musikabteilung der Universal war, für das Kino entdeckt. 

Mit Filmen wie „Abbott and Costello Go To Mars“ begannen seine Lehrjahre bei Universal. Dort arbeitete er zusammen mit Frank Skinner oder Hans Julius Salter an späteren Horrorklassikern des Studios  wie „The Creature From The Black Lagoon“ mit. Mitte der fünfziger Jahre vertraute man ihm die Arrangements für zwei große Biopics an: „The Glenn Miller Story“ und „The Benny Goodman Story“. Für erstere Arbeit erhielt er seine erste Oscar-Nominierung. Sein Durchbruch als Filmkomponist kam schließlich 1958 mit dem späten Film Noir „Touch Of Evil“. „Im Zeichen des Bösen“, wie der Orson-Welles-Film bei uns hieß, war der ganz große Wurf. Geschickt integrierte er seine eigene „Source Music“, die aus den Lautsprechern in der texanisch-mexikanischen Grenzstadt erklingt, in den lateinamerikanisch angehauchten Score. Und so nebenbei „schenkte“ er zum ersten Mal einem Gesicht eine Melodie. Für die enigmatische „Hure“ Marlene Dietrich komponierte er ein melancholisches Pianola-Thema, das von fern an ihren Auftritt im „Blauen Engel“ erinnert. 

Perfect Match

Danach löste Universal die Musikabteilung auf und Henry Mancini war arbeitslos. In dieser Zeit lief ihm auf dem Universal-Gelände ein Mann über den Weg, der seine Karriere entscheidend mitgestalten sollte: Blake Edwards. Der junge Regisseur war gerade auf der Suche nach einem Komponisten für seine TV-Serie über den Privatdetektiv Peter Gunn gewesen – und nun hatte er ihn gefunden. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Mit „Peter Gunn“ (mit dem berühmten Gitarrenlauf) wurde Mancini über Nacht zur Marke im Film- und Popgeschäft. „The Music From Peter Gunn“ erreichte 1959 die Spitze der US-Album-Hitparade und hielt sich über zwei Jahre lang in den „Billboard“-Charts. Neben Elvis Presley entwickelte sich Henry Mancini bis zur Ankunft der Beatles zum erfolgreichsten Albumkünstler von RCA. Weil Blake Edwards für „Peter Gunn“ einen jazzigen Soundtrack haben wollte und die neuen Studiomöglickeiten nutzen wollte, hatte Henry Mancini einen ganz eigenen „leichten“ Big-Band-Sound erfunden: den Mancini-Sound. Dieser Sound sollte den sinfonischen mitteleuropäisch geprägten Klang des „Golden Age of Film Music“ ablösen. Und zur Auflösung der großen Orchester der Filmstudios führen. Erst Mitte der siebziger Jahre sollten zwei Filmnerds diesen klassischen Sound wiederbeleben: Steven Spielberg & George Lucas. Dank dem genialen John Williams klang „Star Wars“ plötzlich wieder wie Korngold. Ein Jahrzehnt später sollte dann Mancini selbst für den Science-Fiction-Film „Lifeforce“ diesen „Williams Sound“ perfekt kopieren, aber das ist eine andere Geschichte, die auch zu tun hat mit seinen einstigen Lehrern Ernst Krenek und Mario Cas­telnuovo-Tedesco.

Im Oktober 1961 kam ein Film in die amerikanischen Kinos, der sich zu einem Klassiker des Hollywood-Kinos entwickeln sollte: „Frühstück bei Tiffany“. Ursprünglich wollte Truman Capote, der Autor der Vorlage, dass sein „Partygirl“ Holly Golightly auf der Leinwand von Marilyn Monroe verkörpert werden sollte, aber Blake Edwards entschied sich für Audrey Hepburn. Ein Glücksfall für den Film: Audrey wurde dadurch zur Kinoikone. Berühmt wurde das kleine Schwarze von Givenchy. Aber es war die geniale Kostümbildnerin Edith Head, die für den gesamten modischen Look des Films verantwortlich war. Und die kapriziö­se Audrey in Jeans steckte und ihr ein Kopftuch aufsetzte für ihren kleinen  Gesangsauftritt als Mädchen von nebenan. Am Fenster eines geziegelten Hauses in East Side Manhattan stimmt sie dort – bewaffnet mit einer Gitarre – ein Liedchen an, das sich zu einem ikonischen Song des 20. Jahrhunderts entwickeln sollte: „Moon River“. Henry Mancini hatte ihr eine Melodie auf den Leib geschneidert, die perfekt zur stimmlichen Unsicherheit der Hepburn passte. Und der kongeniale Hollywood-Texter Johnny Mercer hatte diese Melodie mit unsterblichen Songzeilen versehen: „Two drifters off to see the world.“ Als Audrey Hepburn später im Filmkosmos von Stanley Donen landete, hat ihr Henry Mancini für „Two For The Road“ eine weitere melancholische Melodie geschenkt, die aber im Schatten von „Moon River“ blieb. 

Bittersüße Melodien

Edwards & Mancini waren die „siamesischen Zwillinge“ des Hollywood-Kinos der sechziger und siebziger Jahre: Blake Edwards war der Meister der Melo-Comedy und Henry Mancini lieferte ihm dazu die bittersüßen Melodien. Als letzten gemeinsamen Höhepunkt ihrer Teamworks kann man „Viktor/Viktoria“ sehen. Einen alten Ufa-Stoff von Reinhold Schünzel hatten Edwards, Mancini und der Texter Leslie Bricusse in ein Filmmusical verwandelt. Ein Travestie-Spiel um das „dritte Geschlecht“, das Edwards seiner Frau Julie Andrews geschenkt hatte. Am 14. Juni 1994 verstarb Henry Mancini in Beverly Hills. Und aus allen Lautsprechern der Welt erklang „Moon River“. 

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