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Haindling-Auftritt Sommer 2025 vor der imposanten Kulisse von Schloss Oberschleißheim. Foto: Bernd Schweinar

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Wichtige Zahlen, aber ziehen Kulturverwaltungen Lehren?

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Bundesweite Festivalstudie vorgelegt – weitere Auswertungen angekündigt
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Mit der Festivalstudie ging die Popkulturszene schon seit Jahren schwanger. Herausgekommen ist eine kompromisslastige Extended-Version die Fragen aufwirft – trotz durchaus interessanter Zahlen. Die Bedeutung der Festivals für die Kultur in Deutschland herauszuarbeiten, ist aber auf jeden Fall gelungen. Ob für die Zukunft hilfreich? Und ob die Kulturverwaltungen daraus lernen? Es wird sich zeigen (müssen)!

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Birnen mit Äpfeln zu vergleichen, war schon immer problematisch. Dass sich etliche der großen kommerziellen Rockfestivals an der Umfrage beteiligt haben, schönt die Umsatzzahlen enorm und hilft dennoch, die kulturpolitische Bedeutung zu unterstreichen. Förderung ist für die Großen sekundär, viele sind froh, dass sie sich nicht mit Verwaltungsbürokratie aufhalten lassen müssen. Auch der Vergleich zwischen Pop- und Klassik- beziehungsweise Jazzfestivals hinkt, wenn man nur eins und eins als „gefördert“ addiert, aber die realen Fördersummenzahlen nicht transparent analysiert.

Dass sich von 1.764 „aktenkundigen“ Festivals 638 an der umfangreichen Fragebogenaktion beteiligt haben, ist beachtlich. „Hochgerechnet auf die gesamte deutsche Festivallandschaft“ stellt die Studie einen Umsatz von über einer halben Milliarde Euro in den Raum. Allerdings, so die Auswertung, erwirtschafteten nur 15 Prozent einen Gewinn. Satte 30 Prozent schlossen mit Verlusten ab – auf diese elementare Botschaft geht die Studie in der Vorausschau zu wenig ein. Und das, obwohl von der Popkultur nur ein Drittel mehr oder weniger optimistisch in die Zukunft blickt.

Die Studie ergeht sich vielmehr in weiteren Ausgabeposten wie Nachhaltigkeit und diversitätsorientiertem Booking, die auch Teil von Förderprogrammen sind. Markant ein hervorgehobenes Zitat: „Ich finde es persönlich schade, wenn die Headliner siebenstellige Gagen bekommen und andere da umsonst stehen. Ich finde das nicht so richtig fair.“ Larmoyanz generiert aber keinen Income! Gerade nicht in der Marktwirtschaft! Wer populär ist und zahlende Fans zieht, hat auch ein größeres Stück am Kuchen verdient. Förderung von Supportslots zu weniger attraktiven Festivalzeiten haben sich allerdings inzwischen als förderrelevant etabliert. Künstler können hier die Chance nutzen, vor größerem Publikum auf der Bühne zu stehen. Ein Honorar, gemessen an ihrer Publikumszugkraft, kann nur der Markt regeln, ist höchs­tenfalls auf Förderebene ein Faktor.

Wenngleich Künstlergagen nach Corona besonders in der Spitze aus dem Ruder gelaufen seien, so Axel Ballreich vom Concertbüro Franken. „Bands, die wir früher für 70.000 Euro bekommen haben, verlangen inzwischen über 200.000.“ Eine Kostenexplosion, die in den nächsten paar Jahren allerdings auch zu einer Marktbereinigung beitragen wird, so andere Insider, die weiter prognostizieren, dass die Großen halt die Kleinen fressen. Die Marktkonzentration nimmt zu. Für die Großen gibt es hinter vorgehaltener Hand eh zu viele kleine Festivals. Eine kurzsichtige Einstellung, weil die kleineren Festivals oft erst das Publikum aufbauen. Und die Kleinen kämpfen damit, dass die Großen ihnen inzwischen auch interessante Künstler der 2. Liga wegkaufen und das Publikum nach dem kostenintensiven Besuch einer Großveranstaltung das Geld bei kleineren Festivals und Konzerten spart. Diesen Verdrängungsmarkt hätte die Studie als Realität durchaus mehr herausarbeiten können.

Politisch interessant ist die hohe Zahl an Ehrenamtlichen, ohne deren Mitwirken es viele kleinere Festivals gar nicht geben könnte. „Wir wissen nun, dass wir 77 Prozent Non-Profit-Festivals haben“, so Karsten Schölermann von der Bundesstiftung Livemusik. Ob das insbesondere den Popfestivals födertechnisch in der Zukunft helfen wird? Und gerade den 60 Prozent im ländlichen Raum, für die Landesförderung relevant wäre? Immerhin 77 Prozent der Klassikfestivals bekommen Landesfördermittel. Aber nur 30 Prozent bei der Popularmusik – und da ist der Jazz noch mitgerechnet, der aus Popmusiksicht in der Förderung eher schon Hochkulturstatus hat. Die „Stückzahlen geförderter Festivals“ verzerren zudem. Die tatsächliche Förderhöhe relativiert vieles. (siehe hierzu den eigenen Artikel zur Festivalförderung der Länder in der Ausgabe 12)

Dank der Bundesstudie sollten nun auch die Fördergeber wissen, dass 77 Prozent der Festivals keine Gewinnerzielungsmaßnahmen verfolgen. Auch die von Behörden oft gestellte Frage nach der überregionalen Bedeutung als Fördervoraussetzung sollte sich nach dieser Studie eigentlich erübrigt haben. Festivals haben in der Regel immer einen weiten Einzugsbereich. Als das sogenannte „Eichenauer Urteil“ zur Förderung durch Landkreise noch aktuell war, haben Festivalveranstalter auf Parkplätzen die Autokennzeichen zur Dokumentation des Einzugsgebietes oder Besucherumfragen ausgewertet. Über diese Zeiten sollten Verwaltungen heute bei der Festivalförderung eigentlich hinaus sein.

Es sollte den Verwaltungen zu denken geben, dass laut Studie jeder Fünfte überhaupt keine Förderanträge stellt: davon 52 Prozent beim Bund und 46 Prozent bei den Ländern. Auch auffällig. 77 Prozent der Klassikfestivals haben Landesmittel beantragt, nur 3 Prozent wurden abgelehnt. Wohingegen nur 30 Prozent der Anträge von Rock/Pop und Jazz von den Ländern bewilligt wurden. Diesen Aspekt der Länderförderung hat die nmz zum Anlass für eine eigene Recherche der Ist-Zahlen in den Ländern genommen.

Mehr in der Ausgabe nmz 12-25/1-26

Wie fair oder angemessen kann Fes­tivalförderung sein? Muss sie das überhaupt? Wie werden Festivals für Klassik, Jazz oder Rock/Pop in den Bundesländern gefördert? Die NMZ hat die Festivalförderung der Länder deshalb mit konkreten Summen verifiziert. Auch haben wir die Förderrichtlinien näher betrachtet und eine beträchtliche Unwucht bei der Praxistauglichkeit festgestellt – aber auch Modellhaftes gefunden, das Vorbild für alle Länder sein könnte. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.

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