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30.9.: theater und literatur aktuell +++ theater und literatur

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Fortsetzung von "Tod eines Kritikers" +++ Hemingways Kuba-Nachlass vor Auswertung +++ Neue Grass-Biografie zum 75. Geburtstag +++ Marlene Streeruwitz erhält Aachener Hasenclever-Literaturpreis

Fortsetzung von "Tod eines Kritikers"
Der Schriftsteller Martin Walser hat eine Art Fortsetzung zu seinem Roman "Der Tod eines Kritikers" verfasst. Es handelt sich um 60 Seiten, in denen Walser sich mit den Reaktionen auf seinen jüngsten Roman auseinandersetzt.
Ob der zweite Teil veröffentlicht wird, ist noch unklar. "Zunächst wird er nicht publiziert, vielleicht etwas später", sagte Walser dem Magazin "Focus". Der Suhrkamp-Verlag sprach sich gegen eine Fortsetzung aus. "Wir hatten genug Ärger, wir brauchen keine Nachdebatte", sagte Verlagsleiter Berg. Walsers Hausverlag hatte für die Veröffentlichung des Romans "Der Tod eines Kritikers" herbe Kritik einstecken müssen.
In dem umstrittenen Buch geht es um die vermeintliche Ermordung eines Literaturkritikers, der große Ähnlichkeit mit "Literaturpapst" Marcel Reich-Ranicki besitzt. Walser war Geschmacklosigkeit wegen einiger Passagen sowie Antisemitismus vorgeworfen worden.

Hemingways Kuba-Nachlass vor Auswertung
orf - In der schmucken Villa auf einem Hügel mit Meeresblick hängen Jagdtrophäen, in allen Zimmern stehen Bücher, der Esstisch ist gedeckt, und die halb vollen Flaschen in der Hausbar erwecken den Eindruck, der Hausherr könnte jeden Augenblick wieder kommen. Das Haus des amerikanischen Schriftstellers Ernest Hemingway am Stadtrand von Havanna zieht jedes Jahr Tausende Kuba-Touristen an. Betreten darf man das in ein Museum verwandelte frühere Wohnhaus nicht, doch durch die offenen Fenster und Türen hat man einen guten Einblick.
Den Blicken der Besucher gänzlich verborgen lagern im Keller des Anwesens, in dem Hemingway mit Unterbrechungen 20 Jahre lang gelebt hat, auch noch Tausende von Briefen, Dokumenten, Fotos und Büchern mit persönlichen Randnotizen. Einem Bericht der "New York Times" zufolge sind Hemingway-Forscher aus den USA jetzt mit der kubanischen Regierung überein gekommen, diesen biografischen Schatz zu heben. Die Dokumente sollen restauriert, auf Mikrofilm gebannt und die auf diese Weise gefertigten Faksimiles der John Fitzgerald Kennedy Bibliothek in Boston übergeben werden. Das Abkommen soll laut "New York Times" im November bekannt gegeben werden, eine offizielle Bestätigung von kubanischer Seite gibt es noch nicht.
Hemingway-Forscher, die einen kurzen Einblick in die im Keller gebunkerten Bestände hatten, sind hellauf begeistert. "Diese Art von Alltagsdingen von einer bedeutenden Persönlichkeit ist das, wovon Biografen träumen. Es ist wie eine Tomographie von Hemingways Hirn", sagte der Biograf A. Scott Berg der Zeitung. Die Hemingway-Forscher hoffen jetzt auf viele neue Details aus dem Privatleben des Nobelpreisträgers. Denn über dessen Zeit in Kuba, darin sind sich alle einig, sei noch viel zu wenig bekannt.
Dabei hat Hemingway, der 1899 im US-Staat Illinois geboren wurde und 1961 Selbstmord beging, fast ein Drittel seines Lebens in Kuba verbracht. Zunächst lebte er in dem heute wieder schön hergerichteten Hotel "Ambos Mundos" in der Altstadt Havannas. 1939 mietete und 1940 kaufte er die "Finca Vigía", wie das Anwesen heißt. Hier schrieb er einige seiner berühmtesten Werke wie "Der alte Mann und das Meer" oder "Inseln im Strom". Die kubanische Revolution und die Machtübernahme Fidel Castro begleitete Hemingway mit Sympathie, und die Kubaner sind stolz auf sein Erbe.
Im Hemingway-Museum will niemand den Bericht der "New York Times" bestätigen. "Davon wissen wir nichts", sagt der Forscher Evelio Gonzalo am Telefon. Er verweist auf die Hemingway-Symposien, die alle zwei Jahre in Havanna stattfinden und an denen alle ausländischen Forscher teilnehmen könnten. Dass ein derartiges Abkommen nicht vorzeitig bekannt gegeben wird, ist für kubanische Verhältnisse allerdings keine Überraschung.
Ohnehin sind nicht alle persönlichen Details, die die amerikanischen Forscher aus dem Nachlass im Finca-Keller erfuhren, wirkliche Neuigkeiten: Dass Hemingway sich beispielsweise fast täglich auf die Waage stellte und sein Körpergewicht aufschrieb, erfährt jeder Finca-Besucher vom Museumsführer.

Neue Grass-Biografie zum 75. Geburtstag
orf - Pünktlich zum 75. Geburtstag von Günter Grass hat der frühere "Stern"- und "Tempo"-Chefredakteur Michael Jürgs eine Biografie über den sprachmächtigen Dichter verfasst. Doch bietet das dicke Buch, um es vorwegzunehmen, dem Leser nur selten Sternstunden. Ermüdend wirkt die unverhohlene Bewunderung für den Literaturnobelpreisträger, dessen Leben weitgehend distanzlos und detailversessen nachgezeichnet wird.
So erfährt man, dass Grass in seiner Pariser Zeit (1956-1959) nicht immer zum Vergnügen seiner Gäste Kutteln kochte: "Die werden à la manière de Grass vier Stunden auf kleiner Flamme mit Kümmel und Tomaten weich gesotten, mit Knoblauch gewürzt, in fingerlange dünne Streifen geschnitten, in die Brühe geworfen - und fertig ist die kräftige Suppe." Unverhohlene Bewunderung macht folgende Passage deutlich:
"Das reine Handwerk des Schreibens hat sich der stets wachsame Autodidakt selbst beigebracht. Weil Grass sein Leben lang nie zu staunen vergaß, weil er selbst sein bester Schüler blieb, der sich immer neue Fragen stellte, weil er sich die Naivität eines Kindes bewahrte, wurde er zum Gesamtkunstwerk. Es wuchs in nationaler Landschaft zum Monolithen und blieb zwischen internationalen Gipfeln unübersehbar. Das war für viele unerträglich und deshalb wurde er zum Anpissen freigegeben."
Neben solch sprachlich fragwürdigen Einschätzungen kann auch der Grundansatz der Biografie nicht überzeugen. Jürgs versucht, den Menschen Grass anhand seiner literarischen Figuren herauszuarbeiten. Dass Werk und Autor oft in einem wechselseitigen Verhältnis stehen, ist aber in der Literaturwissenschaft keineswegs eine neue Erkenntnis. Und auch die unauflösbare Einheit von literarischem Werk und politischem Engagement (für die SPD) in der Person Grass ist schon vielfach ausgeführt worden.
Was bleibt? Immer wenn Grass, der nach eigenen Worten Jürgs vier Mal zum Gespräch empfangen hat, selbst zu Wort kommt, wird das Buch packend, weil authentisch: Wie er nur knapp dem Tod entronnen ist als junger Soldat. Oder wenn er über das besondere Verhältnis zu seiner Mutter spricht. Seine politische Heimat, die Sozialdemokratie, wird plausibel als Abwendung von jeder Ideologie. Oder die Schilderung des sensationellen Durchbruchs zum Schriftsteller mit dem Welterfolg "Die Blechtrommel", die Grass in den 50er Jahren in Paris in einer feuchten Wohnung schrieb.
Für Grass-Fans kann das Buch also auch eine Fundgrube sein. Von der Kindheit in Danzig bis zur Erfolgsnovelle "Im Krebsgang" werden alle Lebensstationen und Partnerschaftskrisen mit teilweise boulevardhafter journalistischer Feder festgehalten, was mal unterhaltsam sein kann, gelegentlich aber auch übertrieben wirkt, etwa wenn es um Gelage, Amouren und Streit bei der legendären Gruppe 47 geht.
Besondere Aussagekraft haben die sehr privaten Fotos, etwa vom kleinen Grass auf dem Wickeltisch, seinen Frauen oder von der Beerdigung Heinrich Bölls, bei der Grass zu den Sargträgern gehörte. Diese Fotos, die Jürgs nicht von Grass selbst bekam, lohnen ein längeres Betrachten, sie sagen oft mehr aus als viele Worte. So etwa auch das Foto des Grass-Clans von der Nobelpreisverleihung 1999 in Stockholm, mit dem Patriarchen vorne sitzend, daneben seine strahlende Frau Ute. Und in der dritten Reihe links entdeckt man Kurt Thater, Grass\' Weinhändler aus Lübeck. Welcher Laureat vor ihm dürfte seinen Mann fürs Dionysische schon zur Nobelpreisfeier mitgenommen haben?
Ein Literatur- und ein Werkverzeichnis sowie ein Personenregister schließen den Band ab.

Marlene Streeruwitz erhält Aachener Hasenclever-Literaturpreis
Aachen (ddp). Die Schriftstellerin Marlene Streeruwitz ist mit dem Aachener Walter-Hasenclever-Literaturpreis ausgezeichnet worden. Den mit 10 000 Euro dotierten Preis erhält die österreichische Künstlerin für ihr bisheriges literarisches Schaffen. Ihre Arbeit sei der Auseinandersetzung mit elementaren Fragen des menschlichen Seins gewidmet, hieß es in der vorab veröffentlichen Begründung der Jury. Diese Intention verbinde sie mit dem Namensstifter der Auszeichnung.
Der 52-jährigen Streeruwitz gelang 1992 mit dem Stück «Waikiki Beach» der Durchbruch als Bühnenautorin. Bis 1995 folgten sieben weitere Schauspiele. 1999 erschien ihr Roman «Nachwelt».
Die feierliche Preisverleihung sollte am Sonntagabend (19.30 Uhr) im Theater Aachen stattfinden. Die Laudatio hält der Siegener Literaturprofessor Karl Riha.
Der Walter-Hasenclever-Literaturpreis der Stadt Aachen wird seit 1996 alle zwei Jahre an Autoren vergeben, die sich in der künstlerischen Grundhaltung, durch die Themenwahl oder die gewählte literarische Form ausgezeichnet haben. Bisherige Preisträger waren Peter Rühmkorf, George Tabori und Oskar Pastior. Der Preis wird getragen von der Walter-Hasenclever-Gesellschaft, dem Aachener Einhard-Gymnasium als ehemalige Schule Hasenclevers sowie des Aachener Buchhandels und der Stadt Aachen. Über die Vergabe des Preises befindet ein neunköpfiges Kuratorium.