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Das Ensemble Zeitsprung interpretiert Bernhard Weidners „Nördlich der Waldeinsamkeit“ im Rittersaal des Schlosses. Foto: Verena Hägler
Das Ensemble Zeitsprung interpretiert Bernhard Weidners „Nördlich der Waldeinsamkeit“ im Rittersaal des Schlosses. Foto: Verena Hägler
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Auf und ums Schloss Kempfenhausen erkundet das neue Festival ECHOLOT die Tiefen und Untiefen der Neuen Musik
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Neue Musik hat es nicht leicht, kann sich aber in Musikzentren mit Musikhochschule und Tradition behaupten. Zum Teil mit großen Festivals überaus erfolgreich. Aber es gibt auch die gewagten Unternehmungen in der Provinz, die man vorab als zum Scheitern verurteilt deklariert. Sommerliche Musiktage in Hitzacker (etwa 5.000 Einwohner) liefern den Beweis, dass ein solches Wagnis trotzdem Erfolg haben kann.

Und die Internationalen Fredener Musiktage zeigen, dass man selbst in einem winzigen Ort – etwa 3.200 Einwohner – gute Arbeit zu leisten vermag. Kempfenhausen, ein Teil der Gemeinde Berg am Starnberger See, ist aber noch kleiner. Das schreckte die Macher dennoch nicht davon ab, dort Anfang Juli das erste ECHOLOT-Festival für Neue Musik über die Bühne – auch über Wiese und Park – gehen zu lassen. Tatort ist das der Stadt München gehörende Schloss Kempfenhausen samt Umgebung, dem Sitz des veranstaltenden Unternehmens KunstRäume am See von Elisabeth Carr und der anstoßgebenden sowie fördernden Christoph und Stephan Kaske Stiftung, vertreten durch den Stiftungsratsvorsitzenden Joachim Kaske.

Mit dem Bratscher der Münchner Philharmoniker und ideenreichen Experimentierer Gunter Pretzel als Künstlerischem Leiter und den Komponisten Helga Pogatschar sowie Johannes X. Schachtner als mitgestaltenden Beratern ging es hier nicht etwa um eine Anreihung von Konzerten. Vielmehr um ein emotionales und sinnenfreudiges Gesamterlebnis der Neuen Musik. Weg vom verkopft-intellektuellen Konzept und hin zum vitalen Abenteuer Musik. Dabei klar mit dem Ziel, auch das allgemeine Konzertpublikum auf Augenhöhe für die Tiefen und Untiefen der gegenwärtigen Musikproduktion in der E-Sparte in ihrer Vielfalt und ihren interdisziplinären Kontexten zu gewinnen. Überall gab es hier etwas zum Lauschen, im Park wie im Treppenhaus. Musikalische Installationen, meist Collagen aus Werken der gespiel-ten Konzertliteratur, ob nur im klein abgesteckten Rahmen einer Baumrotunde (Lauschgarten) oder groß in Mehrkanalsound auf der Wiese (KlangGarten) mit imposanten Projektionen auf der Schlossfassade von Manuela Hartel, auch mit einer Ad-hoc-Impro von Gunnar Geisse oder in einer magischen nächtlichen Performance unter Sternenhimmel in einer Baumgruppe. Immer wieder auch live und mit performativen Elementen verbunden, wie etwa in den Wagner-Wandelungen von Schachtner, gespielt von umherwandelnden Musikern, die aus Wagners Motiv einen farblich schillernd changierenden Klangteppich webten.

Im Mittelpunkt stand die konzertante Musik, etwa mit dem Pelaar-Quartett. Unter dem Motto patterns/x-size ging es dabei mit Werken von Graham Waterhouse (Cellist des Quartetts, dem ebenso Pretzel angehört), Alexander Mosolov, Georg Haider und Bach auch darum, den Zuhörern die Chance zu geben, sich in bestimmte kompositorische Mittel und Techniken zu vertiefen. Schachtner am Pult des Ensembles Zeitsprung griff anderntags auch den örtlichen Kontext auf, dass einst Wagner auf Besuch beim Märchenkönig Ludwig immer wieder in Kempfenhausen weilte. Dem Siegfried-Idyll, stimmungsvoll im Park vorgetragen, stand Bernhard Weidners „Nördlich der Waldeinsamkeit“ mit einem Schubertzitat im sogenannten Rittersaal des Schlosses gegenüber. Dallapiccolas „Piccola musica notturna“ vor der pittoresken Schlosskapelle entzog sich dem Allzu-Atmosphärischen mit prägnanten Akzenten und satten Tutti.

Mit dem renommierten Münchner Trio 48Nord fehlte hier auch die elektronische Variante nicht. Atmosphärische Klangflächen und von Minimalismus geprägte Verläufe halfen den Zuhörern, durch inhaltliche Reduktion einen leichteren Zugang zur Materie zu finden. In „Über-Blick“ mit orientalischen Märchen von Elsa Sophia von Kamphoevener mit Videoprojektionen und improvisierter Musik entführten Pretzel, Geisse und Hartel indes in phantastische Welten. Für Kinder gab es die „Bremer Stadtmusikanten“ mit Musiken von Dorothee Eberhardt in leitthematischer Klarheit, von der Schauspielerin Belle Schupp sowie vom Pianisten (und Komponisten) Peter Francesco Marino mit packendem Witz vorgetragen.

„ECHOLOT – eine neue Musik im KunstRaum Schloss Kempfenhausen“ ist erfrischend anders und ein gelungener Versuch, Neue Musik begreifbar zu machen.

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