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An die Entscheider in Bayerns Kulturpolitik

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Offener Brief der Mitarbeiter der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg, Abteilung Augsburg
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Mit diesem offenen Brief wenden wir uns im Namen einer Mehrheit der Professoren, der gesamten Dozenten der Hochschule, des Personalrates und der Studentenschaft an Sie als Entscheidungsträger in der augenblicklichen Strukturdiskussion über die Zukunft der Musikhochschulstandorte in Bayern.

Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst plant im Zuge der Verstaatlichung der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg und der Strukturreform der bayerischen Musikhochschulen, die Abteilung Augsburg nicht als Musikhochschule weiterzuführen, sondern eine internationale Kammermusikakademie zu gründen und andere Teile der Hochschule in die musikpädagogische Abteilung der Universität Augsburg einzugliedern. Eine Expertenkommission hatte Augsburg Defizite vor allem hinsichtlich Größe und Ausstattung vorgeworfen. Das halten wir für reichlich pauschal, qualitativ unbegründet und ungerecht:

Ausstattung

Die Abteilung Augsburg der Hochschule für Musik Nürnberg-Augsburg hat seit der Gründung vor sechs Jahren nicht wirklich die Chance erhalten, sich so wie geplant zu entwickeln.

  • Die Studentenzahl wurde bei der Gründung der Doppelhochschule im Vergleich zum bis dahin existierenden Konservatorium um ein Drittel (!) reduziert. Diese „Deckelung“ wurde für den Zeitraum der Aufbauphase festgeschrieben. Aus diesem Grunde musste Jahr für Jahr eine große Anzahl von hoch qualifizierten Studienbewerbern abgewiesen werden.
  • Die Ausstattung mit Professuren war in der Aufbauphase nicht auf volle Abdeckung aller Bereiche an beiden Abteilungen (Nürnberg und Augsburg) ausgelegt; das Konzept der Doppelhochschule sah aus Synergie-Gründen „reisende Professoren“ vor. Dieses Konzept konnte nicht umgesetzt werden.
  • Die unbefriedigende räumliche Ausstattung der Abteilung Augsburg wurde nicht nur von der Expertenkommission erkannt. Die Stadt Augsburg plant, der Musikhochschule bis zum Jahr 2010 ein viel größeres, noch auf Musikhochschulstandard zu bringendes Gebäude zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Thema gibt es einen einstimmigen Stadtratsbeschluss.
  • Die mangelnde Ausstattung der Hochschulbibliothek wurde zu Recht von der Expertenkommission gerügt. Allerdings hängt das hauptsächlich an den ausgesprochen spärlichen Finanzmitteln, die vom Hochschulträger zur Erweiterung einer als ungenügend anzusehenden Konservatoriumsbibliothek in den vergangenen fünf Jahren (pro Jahr etwa 8.000,- €) zur Verfügung gestellt wurden. Damit war nur der aktuelle Bedarf zu decken, nicht aber ein strategischer Ausbau der Bestände.

Dass noch nicht alle Bereiche an der HfM Nürnberg-Augsburg in der Lehre und der Ausstattung gleichmäßig gut abgedeckt sind, kann man weder der Abteilung Nürnberg noch der Abteilung Augsburg zum Vorwurf machen.

Qualität

Der Vorwurf mangelnder Qualität an der Abteilung Augsburg trifft nicht zu: Trotz aller Widrigkeiten hat sich die Abteilung Augsburg im Rahmen der Möglichkeiten hervorragend entwickelt. Es gibt hier nicht nur den deutschlandweit einmaligen Studiengang Blasorchesterleitung, auch der einzige akkredidierte Masterstudiengang Musiktherapie im süddeutschen Raum ist hier angesiedelt. Trotz der geringen Zahl von Studenten wurden alle musikhochschulrelevanten Fächer (mit Ausnahme von Dirigieren und Komposition) im Haus angeboten. Die mangelnde Größe der Abteilung haben die Lehrenden wettzumachen versucht durch ein System des „Learning by Doing“, das alle Studenten in einem Ausmaß in alle Aktivitäten der Hochschule einbindet, das seinesgleichen an anderen Hochschulen sucht. Die Studienordnungen sind (gemeinsam mit Nürnberg) im Gegensatz zu denen vieler altehrwürdiger Hochschulen an der heutigen Praxis ausgerichtet (zum Beispiel Mehrfachqualifikationen, Vereinbarkeit von künstlerischer und pädagogischer Ausrichtung et cetera), die Quote der Abgänger, die eine feste Stelle finden, ist im Vergleich mit anderen Hochschulen enorm hoch (in den Fächern Kirchenmusik und Blasorchesterleitung zum Beispiel 100 Prozent!). Der Anteil nationaler und internationaler Erfolge unserer Studenten (zum Beispiel bei Wettbewerben wie dem ARD-Wettbewerb, bei Dirigierwettbewerben im Bereich Blasorchesterleitung, Hochschulwettbewerben et cetera oder des Engagements von noch Studierenden an Opernhäusern, Orchestern, bei Festivals bis hin zu den Salzburger Festspielen) ist, verglichen mit der geringen absoluten Studentenzahl, sogar exorbitant hoch.

Weitere Chance

Deshalb muss auch die Abteilung Augsburg (und nicht nur Nürnberg) eine weitere Chance erhalten. Da das Modell der Doppelhochschule politisch offenbar nicht mehr gewünscht ist, bieten sich für die Erhaltung der Abteilung Augsburg zwei Möglichkeiten an:

  • die Selbständigkeit (mit einer moderaten Erhöhung der Studienplätze aus dem Angebot etwa des Richard-Strauss-Konservatoriums München)
  • die Angliederung der Musikhochschule in ihrer Gesamtheit an die Universität Augsburg. Ein solches Modell ist in Nordrhein-Westfalen mit dem Standort Münster (ehemals Außenstelle der Musikhochschule Detmold) erprobt und läuft dort zur vollsten Zufriedenheit aller Beteiligten.

(Eine Delegation der Abteilung Augsburg war in Münster, um das Modell zu begutachten; ein Bericht liegt vor.) Dabei ist durch ein entsprechendes Gesetz geregelt, dass am Fachbereich „Musikhochschule der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster“ das Kunsthochschulgesetz gilt.

Dadurch ist allen Besonderheiten eines Musikhochschulbetriebs Rechnung getragen und die autonome Entwicklung der Musikhochschule auch unter dem Dach einer Universität sichergestellt.

Musikhochschule und Region

Musikalische Berufsausbildung hat in Augsburg eine über 100-jährige Tradition. Es ist leicht, diese Tradition mit einem Federstrich auszulöschen. Ein Ausgleich für diesen Kahlschlag im Raum Augsburg wird aber nicht leicht möglich sein. Die ganze Region würde enorm verlieren (kulturell besonders, aber auch wirtschaftlich!), wenn die grundständige Musikhochschule in Augsburg wegfiele. Die angedachte Meisterkursakademie kann diesen Ausgleich nicht herstellen. Während Meisterkurse am besten in Kulturmetropolen oder auch in touristisch ansprechenden Regionen angesiedelt sind, braucht ein mittleres regionales Zentrum wie Augsburg neben der Eliteausbildung auch musikalische Basisausbildung auf Hochschulniveau.

Dass bei einer Schließung der Abteilung Augsburg die Verlagerung der Festangestellten an andere bayerische Musikhochschulen geplant ist, zeigt, dass das Personal hier durchaus als „hochschulwürdig“ betrachtet wird. Die Mehrheit dieses Personals würde aber lieber die in Augsburg begonnene Aufbauarbeit gemeinsam weiterführen, zum Wohl der Region.
Nach der ersten Meldung über die geplante Schließung des Musikhochschulstandorts Augsburg hat die Studentenvertretung der Abteilung Augsburg innerhalb einer (!) Woche 23.000 Unterschriften für den Erhalt der Hochschule in Augsburg gesammelt (mit knapp 10 Prozent der Augsburger Bevölkerung ein eindrucksvolles Ergebnis). Diese Unterschriften wurden Herrn Minister Dr. Goppel am 23. März 2006 überreicht. Die Sammlung ging weiter; mittlerweile sind insgesamt fast 30.000 Unterschriften eingegangen. Dies zeigt, dass das Vorhandensein einer normalen Musikhochschule in Augsburg von weiten Teilen der davon profitierenden Bevölkerung für sehr wichtig erachtet wird.

Wir bitten Sie, den berechtigten Wunsch eines großen Teils der Bevölkerung des Freistaats Bayern, über eine funktionierende Musikhochschule in seinem Einzugsgebiet zu verfügen, zum Anlass dafür zu nehmen, den Weiterbetrieb einer „normalen“ Musikhochschule in Augsburg zu ermöglichen. Dadurch würde keineswegs der frühere Beschluss des Landtags betreffend die Musikhochschulen in Bayern konterkariert, sondern vielmehr erst richtig umgesetzt (was nicht der Fall wäre, wenn der Plan des Ministeriums in die Tat umgesetzt würde). Denn der damalige Beschluss, der die Einrichtung der dritten bayerischen Musikhochschule als kommunale Hochschule ermöglicht hat, wurde ja im vollen Bewusstsein der Tatsache gefasst, dass diese dritte Hochschule an zwei Standorten geplant war!

Somit ist der vierte Standort de facto implizit mit beschlossen worden! Die Schließung der Augsburger Musikhochschule würde dem Geist des Landtagsbeschlusses also zuwiderlaufen, ihre Erhaltung den bisher implizit beschlossenen vierten Standort erst definitiv festschreiben.

Wir bitten Sie herzlich, die Schließung der Abteilung Augsburg zu verhindern!

Hochachtungsvoll
Alfons Brandl, Vertreter der künstlerischen Mitarbeiter der Abteilung Augsburg im Senat der Hochschule Nürnberg-Augsburg, Mitglied im Präsidium des Bayerischen Musikrates
Franz Mayr-Musiol, Vorsitzender des Personalrats am Standort Augsburg
Richard Resch, Studentenvertreter des Standorts Augsburg

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