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Bachelor-Studiengang für Popmusik-Designer

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Neuartiges Ausbildungskonzept: Die Popakademie in Mannheim nimmt ihren Betrieb auf
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Wir leben im Zeitalter eines permanenten Paradigmenwandels. Wer heute eine Ausbildung macht, muss damit rechnen, dass es das angestrebte Berufsbild nach seinem Abschluss unter Umständen gar nicht mehr gibt. Auch die Abgänger der Musikhochschulen werden sich damit anfreunden müssen, nach dem Konzertdiplom nicht automatisch den Platz im Kulturorchester zu finden und nicht die Dozentur annehmen zu können, sondern andere Wege gehen zu müssen. Popmusiker waren diesen beruflichen Risiken seit jeher stärker ausgesetzt. Mit ihrem Ausbildungskonzept hat die Popakademie Mannheim nicht nur für die Pop-Ausbildung, sondern auch für andere künstlerische Studiengänge Modellcharakter. nmz-Redaktionsleiter Andreas Kolb stellte dem künstlerischen Leiter der Popakademie Mannheim, Udo Dahmen, einige Interviewfragen zur neugegründeten Akademie.

: Die Popakademie Baden-Württemberg steht für ein neues Konzept von Ausbildung. Für welche Berufsrealität bildet sie ihre Absolventen aus?

: Change Management ist das Schlagwort. Ich gehe immer von Patchwork-Lebensläufen aus: Jemand der als Instrumentalist oder als Sänger oder im Team arbeitet, wird vielleicht in einigen Jahren als Producer, als Komponist oder als Texter arbeiten. Ein bisschen später mögli- cherweise als Verleger oder als Label Eigner – oder Lehrer. Dieses Phänomen wirkt sich im Übrigen auch auf den Lehrkörper der Popakademie aus. Natürlich werden einige Dozenten länger als zwei Jahre bleiben, aber oft wird man sehr schnell wieder neue Leute mit neuen Ideen hinzuziehen.

: Welche Faktoren mussten zusammenspielen, um die Popakademie zu „erfinden“?

: Hier in Baden-Württem-berg war es das historische Ereignis, dass Staatsminister Christoph Palmer die Musikbranche und verschiedene Künstler zu einem Abendessen eingeladen hat. Man kam überein, dass man für die Popförderung in Baden-Württemberg etwas tun sollte. Das liegt ungefähr drei Jahre zurück. Vor zehn Jahren schon hatte Christoph Palmer die Filmakademie in Ludwigsburg mit aus der Taufe gehoben, die zumindest institutionell als Vorbild für die Popakademie gelten kann. Darüber hinaus hatte die Rockstiftung Baden-Württemberg als Vorläufer der Popakademie mit ihrem Geschäftsführer Dirk Metzger in den letzten fünf Jahren mit Seminaren und Bandcoachingprogrammen vorbildliche Arbeit geleistet, auf die wir aufbauen können.

: Vor wenigen Jahren noch eine Zukunftsvision, jetzt wird die Popakademie Realität. Wie funktioniert die Ausbildung?

: Wir bieten zwei Studiengänge an: Popmusik-Design als ein Studium für Musiker, Instrumentalisten, Sänger/-innen, Producer, Songwriter, Texter und so weiter. Parallel dazu wird ein Musikbusiness-Studiengang angeboten, in dem Verwerter ausgebildet werden. Leute, die eigene Labels machen, Booking-Agenturen, A & R Manager et cetera.

: Wie viele Bewerber gab es für das erste Semester?

: Von insgesamt 700 Bewerbern und Bewerberinnen wählten wir 25 für den Popmusikbereich und 30 für den Musikbusiness aus.

: Gibt es da objektive Kriterien der Auswahl?

: Es hat sich herausgestellt, dass es eine Balance zwischen der Originalität des Künstlers und den instrumentaltechnischen Umsetzungsfähigkeiten geben muss. Die Performance darf dabei natürlich auch nicht zu kurz kommen, da Popmusik zu großen Teilen von der Performance lebt. Insgesamt operieren wir aber von der Bewerberlage her auf einem handwerklich sehr hohen Niveau.

: Und die Musikbusiness-Leute?

: Wir machen zur Vorraussetzung, dass die Bewerber zwei Jahre im Musikbusiness gearbeitet oder Volontariate und Praktika absolviert haben.

: Man studiert projektbezogen?

: Das Studium wird, vor allem im Hauptstudium, ein sehr stark projektbezogenes Studium sein. Die Studenten können ihre CDs aufnehmen, sie können Vermarktungsprojekte an den Start bringen oder auch Veranstaltungsreihen. Das Interessante dabei ist, dass wir die Musiker und die Business-Leute im Grundstudium ganz stark miteinander verschränken. Beide Bereiche absolvieren 50 Prozent ihres Studiums in den ersten Semestern gemeinsam. Die Studenten bilden in dieser Zeit bereits Projektteams, die wahrscheinlich über die Studienzeit hinaus halten werden. Gleichzeitig haben wir Public Private Partnerships: Universal wird die gesamte innerbetriebliche Ausbildung an die Popakademie verlagern.

: Gibt es da keine schrägen Blicke von konkurrierenden Plattenfirmen?

: Wir haben das im Vorfeld allen angeboten. Universal hat sich als die Firma herausgestellt, die sehr visionär war und sowohl im künstlerischen als auch im Business-Bereich die Möglichkeiten gesehen hat, für sich entsprechende Arbeitskräfte zu akquirieren. Wir sind weiterhin neuen potenziellen Partnern gegenüber offen. Als Projektpartner haben wir zum Beispiel die deutsche Phono-Akademie und MTV gewinnen können, und wir hoffen, dass wir weitere Partner finden.

: Public Private Partnership ist eine der Stützen der Popakademie. Unter anderem gibt es auch eine Zusammenarbeit mit der Jazz-/Rockschule Freiburg – warum?

: Hier sehen wir den Bedarf im Weiterbildungsbereich Pädagogik – das betrifft die Musik- und Schulmusiklehrer. Zwei Projekte sind bereits aufgegleist. Ab Herbst wird es einen berufsbegleitenden Lehrgang geben, der „Popmusik an der Musikschule“ heißen wird (gemeinsam mit der Bundesakademie Trossingen, dem VdM der Jazz- und Rockschule Freiburg) Der wendet sich an Musikschullehrer, die im klassischen Bereich ausgebildet sind oder die eine Unterfütterung brauchen im methodisch-didaktisch-en Bereich. Die andere Seite diese Be- reiches ist ein Pilotprojekt, das wir mit der Jazz- und Rockschule Freiburg gemeinsam betreiben, das sich ab Herbst an Schulmusiker wendet.

: Mannheim hat Popmusik als einen Kulturstandort- und als ökonomischen Faktor erkannt. Aber werden die Akademieabsolventen wirklich Arbeitsplätze vorfinden?

: Ich bin der Meinung, dass die Chancen nicht schlecht stehen dafür, denn Musik ist neben ihrer kulturellen Bedeutung auch ein Konsumgut. Wir sind an einem anderen Punkt als vor 30, 40 Jahren, ich behaupte einfach, dass die Popmusik genauso zum kulturellen Gut gehört, wie andere Richtungen, von denen man das ganz selbstverständlich annimmt.
nmz: Neben der Popakademie, die am Ufer des Rhein-Neckar-Verbindungskanals entstehen wird, wird es ein Pop-Musik-Gründerzentrum geben. Was verbirgt sich hinter diesem Namen?
Dahmen: ...Studios, Probenräume, Büros für Labels und Verlage, ein Club und ein Restaurant. Hier wird unter anderem auch das neue Label von Xavier Naidoo mit Michael Herberger und Hubert Wandjo seinen Sitz finden.

: Im Gegensatz zur Musikhochschule verlangt die Popakademie Studiengebühren. Warum?

: Wir sind eine gemeinnützige Einrichtung. Das Entscheidende da-bei ist – und deswegen auch die Studiengebühren –, dass wir davon ausgehen, dass die Studenten auch einen Beitrag dazu leisten sollen. Dazu muss man sagen, dass die Studiengebühren bei weitem nicht die Kosten decken und nur einen ganz kleinen Anteil an der Gesamtsumme haben. Diejenigen, die BaföG-berechtigt sind, müssen keine Studiengebühren zahlen, denn wir wollen nicht auf der einen Seite durch Staatsmittel den Studenten Geld in die Tasche stecken, das wir ihnen dann auf der anderen Seite wieder aus der Tasche ziehen. Abgesehen davon war dies bei den zahlreichen Bewerbungen nie ein Thema – niemand hat sich über die Studiengebühren beschwert.

: Stichwort Foundraising: Die Söhne Mannheims haben ein Festival in der Akademie installiert.

: Das wird ganz wichtig. Xavier Naidoo und Michael Herberger haben zugestimmt und gesagt, wir möchten gerne teilhaben an der Akademie und wir sind bereit, dafür auch finanzielle Mittel aufzubringen, und zwar in der Form, dass ihr mit uns ein Festival etablieren könnt und der Reinerlös aus diesem Festival geht in die Popakademie. Das ist eine sehr noble Geste. In Mannheim sind unglaublich viele Künstler vor Ort, neben Xavier Naidoo zum Beispiel Laith Al Deen, Rolf Stahlhofen, Pe Werner, die Musiker der Söhne Mannheims und der Grönemeyer-Band. Viele dieser Musiker haben zugesagt, als Gastdozenten zur Verfügung stehen zu wollen. Es war mir sehr wichtig, die Popakademie in der Region zu verankern: Regional handeln, global denken.

: Kann man sagen, dass die Hochschulen einen ernsthaften Konkurrenten bekommen, wenn sich das Mannheimer-Modell etabliert hat?

: Wir sind sehr gut kooperierende Partner. Ein herzlicher Dank geht an die Musikhochschule hier in Mannheim: Zum Beispiel in unserem ersten Jahr bis zu unserem Neubau werden wir unseren musikalischen Bereich weitgehend in der Musikhochschule in Mannheim durchführen können. Die Jazzabteilung und andere Abteilungen des Hauses haben uns Räume zur Verfügung gestellt, und wir werden auch in Zukunft in Bereichen kooperieren, wo wir uns sehr gut ergänzen (Popmusikdesign, Musikbusiness, Schulmusik). Ich werde im Herbst selbst einen Workshop für Schulmusiker in der Hochschule für Musik geben. Wir kooperieren darüber hinaus bereits mit der Filmakademie in Ludwigsburg im „Videoclipworkshop“

: Sind Rockbüro Süd, B.A. Rock und andere bestehende Modelle der Rockförderung jetzt von gestern?

: Das kann man nicht miteinander vergleichen. Sowohl im Beratungsbereich als auch im Bandcoaching-Bereich haben die alle ihre Berechtigung. Für die Zukunft wünsche ich mir im Deutschen Musikrat in einem Präsidialausschuss eine Vernetzung dieser Einrichtungen, damit man sich in den Programmen auch stärker abstimmen kann. Wobei wir natürlich mit dem, was wir hier im Südwesten tun, die Leadership-Funktion übernommen haben.

: Deutscher Musikrat und Popakademie – was bedeutet die Tatsache, dass Sie Vizepräsident in ersterem und künstlerischer Leiter und Geschäftsführer in zweiter sind?

: Ich sehe da ganz viele Perspektiven für die Zukunft. Zum einen werden wir sicher in der Querverbindung Deutscher Musikrat/Popakademie verschiedene Projekte aufgleisen können. Ein Projekt, an dem wir uns als DMR beteiligen, ist School Jam, ein Wettbewerb, der sich ausschliesslich an Schüler wendet und damit anderen Wettbewerben keine Konkurrenz macht. Wir haben außerdem eine Bandcamp-Idee angedacht, die schon etwas länger in der Schublade liegt, die man hervorragend mit der Popakademie umsetzen könnte. Solche Dinge wird es für die Zukunft sicher geben, da sollte man auch die Synergien mit allen anderen Akteuren im Aus- und Weiterbildungsbereich Popmusik pflegen und nutzen. Wir sind mit den wichtigen Personen und Institutionen sehr gut vernetzt, was wir mit unserem Popforum Branchenmeeting und dem Kongress „Zukunft Pop“ am 10. Mai wieder gezeigt haben.


Pop-Akademie Mannheim
Struktur und Dozenten

Träger der Akademie sind das Land Baden-Württemberg, die Stadt Mannheim, der Südwestrundfunk, Universal Music, die Mannheimer Unternehmensgruppe (bestehend aus den Unternehmen Radio Regenbogen, bigFM, Mannheimer Morgen, Roche Diagnostics , Fuchs Petrolub und Richard Engelhorn) sowie die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.

Hinzu kommen unter anderem folgende Projektpartner, die sich über Projektzuschüsse an der Akademie beteiligen: Xavier Naidoo/Michael Herberger sowie die Söhne Mannheims, der Musiksender MTV, IHK Rhein Neckar und die Deutsche Phonoakademie e.V.

Kooperationspartner sind unter anderem die Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg, die Jazz- & Rockschule Freiburg, die Musikhochschule Mannheim sowie die Musikpark Mannheim GmbH.

Außerdem soll ein Förder- und Freundeskreis die Popakademie unterstützen.

Das Führungsteam der Popakademie Baden-Württemberg:

Hubert Wandjo, Geschäftsführer, derzeit auch Geschäftsführer des Musiklabels ma’Music in Mannheim (Label mit Xavier Naidoo und Michael Herberger).
Prof. Udo Dahmen, künstl. Leiter und Geschäftsführer, bisher Hochschule für Musik und Theater Hamburg, Vizepräsident des Deutschen Musikrates, Präsident Percussion Creativ (Deutscher Schlagzeugerverband), Musiker, Autor und Produzent.
Dirk Metzger, Geschäftsführer, kaufm Leiter, ist seit Gründung der Rockstiftung im Jahre 1997 deren Geschäftsführer.

Dozenten Popmusikdesign:


Prof. Udo Dahmen, Peter Wölpl (E-Gitarre, Producing), Florian Sitzmann (Keyboards, Producing, Theorie), Annette Marquard (Vocals), Frank Itt (Bass), Marcus Thiel (Producing, Studio), Arno Müller (Producing, Studio), Alex Päffgen (Theorie, Keyboards)

Gastdozenten (Auswahl):
Xavier Naidoo (Vocals), Dieter Falk (Keyboards), Ralf Gustke (Drums), Lui Ludwig (Drums), Michael Koschorek, (Gitarre), Edo Zanki (Vocals), Jane Comerford (Vocals), Peter Weihe (Gitarre), José Cortijo (Percussion), Michael Küttner (Drums), Jörg Reiter (Piano), Markus Sprengler (Vocals, Band), T.M. Stevens (Bass), Jojo Mayer (Drums), Wayne Krantz (Gitarre), Volker Griepenstroh (Keyboards, Theorie), Michael Koschorek (Gitarre)

Dozenten Musikbusiness:


Dirk Metzger (Studiengangsleiter – Unternehmensführung), Prof. Udo Dahmen (Artistdevelopment), Helge Haas (Medien), Martin Kaiser (Existenzgründung, Rechnungswesen, Controlling), Hubert Wandjo (Musikwirtschaft )

Gastdozenten (Auswahl):
Anne Berning (Mute Tonträger GmbH), Gerold Hug (SWR3), Xavier Naidoo, Tim Renner (Universal Music), Michael Smilges (Hidden Force Entertainment), Birgit Wiekhof (Roadrunner Records)

Informationen:
Popakademie Baden-Württemberg, E2, 1–3, 68159 Mannheim, E-Mail: info [at] pop-akademie.de (info[at]pop-akademie[dot]de)
Internet: www.popforum.de oder www.pop-akademie.de

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