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Dem Genius auf der Spur

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GMTH und DGM tagen in Würzburg erstmals gemeinsam
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Ist der kreative Schaffensprozess eines Komponisten erforschbar? Hans Pfitzners Antwort war eindeutig: Nein! Der Musikpsychologe Julius Bahle hingegen wollte mit einer Studie hinter die Geheimnisse des Komponierens kommen. Im Jahr 1936 veröffentlichte er das von ihm in Erfahrung gebrachte. Beim Kongress „Kreativität – Struktur und Emotion“ erinnerte der Hallenser Musikwissenschaftler Professor Wolfgang Auhagen an Bahles bis heute bemerkenswerte Untersuchungen.

Vom 7. bis 10. Oktober traf sich die Gesellschaft für Musiktheorie (GMTH) zu ihrem 10. Jahreskongress in Würzburg. Erstmals tagte sie gemeinsam mit ihrer Schwesterorganisation, der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie (DGM). Unter der Überschrift „Kreativität“ wurden Ideen für künftige gemeinsame Forschungsprojekte diskutiert.

Die Erforschung jener Prozesse, die beim kreativen Schaffen eine Rolle spielen, gehören für Wolfgang Auhagen zu den spannendsten Projekten, die in Zukunft gemeinsam angegangen werden könnten. Als Inspirationsquelle wäre Julius Bahle dienlich. Der Musikpsychologe schrieb in den 1930er-Jahren zeitgenössische Komponisten an und bat sie, das seinem Schreiben beigefügte Gedicht zu vertonen und den Prozess der Komposition tagebuchartig zu dokumentieren.

Sicherlich genügt die Auswertung der Tagebuchaufzeichnungen in Bahles 1936 erschienenen Werk „Der Musikalische Schaffensprozess“ nicht mehr heutigen Analyseansprüchen. Dennoch konnte Bahle mehrere bemerkenswerte musikpsychologische Rückschlüsse aus den Protokollen der Komponisten ziehen. Zum Beispiel, welche Aspekte des mitgeschickten Gedichts jeweils besonders anregend für sie waren.

Künftige Forschungsprojekte, die mit dem Methodenspektrum von Musiktheorie und Musikpsychologe angepackt werden könnten, sieht Auhagen auch im Fokus moderner Klangerzeuger. Inwieweit beeinflussen neue Technologien zur Erzeugung von Klängen die subjektiven Ideen für Abläufe in der Musik? Spannend zu untersuchen wäre schließlich der Einfluss moderner Speichermethoden auf die musikalische Ausprägung.

Auf das aktuell zu beobachtende Phänomen, dass sich Kunst und Wirtschaft immer enger miteinander verbünden, verwies Dr. Tobias Janz, Juniorprofessor für Historische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg. Manager bringen ihre Beschäftigten dieser Tage mit Kreativen in Kontakt, um in ihnen schöpferische Prozesse zu aktivieren. Einen ihrer Höhepunkte zeitigte die „Kolonisierung“ der Kunst durch die Wirtschaft, als der Film „Rhythm is it!“ über ein Kunstprojekt der Berliner Philharmoniker mit jugendlichen Hauptschülern bei der Jahresversammlung der Deutschen Bank gezeigt wurde.

Dass sich Ökonomie und Kunst durchdringen, ist Janz zufolge kein neues Phänomen. Wirtschaft, analysierte schon Josef Schumpeter, müsse – ebenso wie Kunst – kreativ sein; sprich: durch die Neukombination bekannter Elemente zu Innovationen kommen und diese am Markt durchzusetzen versuchen. Neu ist die Qualität des Miteinanders von Ökonomie und Kunst in Zeiten, in denen Kreativität nicht mehr nur dem (genialen) Künstler, sondern prinzipiell jedermann attestiert wird. In jedem schlummere schöpferisches Potenzial, lautet das moderne Credo. Es müsse nur – zum Beispiel mittels Kunst – geweckt werden.

Einen weiteren Akzent gewinnt der Diskurs um das Wesen der Kreativität durch Multimedia. So kann an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater seit 2004 „Multimediale Komposition“ auf Master studiert werden. Die Frage, ob Komponieren mittels Neuer Medien überhaupt unterrichtet werden kann, ist für den Komponisten Professor Georg Hajdu eindeutig zu beantworten: Ja. In Hamburg geschieht dies, mit den unterschiedlichsten Softwaretools, im Geiste György Ligetis.

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