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Die geheimen Agenten des Musiklebens

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Das Geschäft der Mittler zwischen Künstler und Veranstalter blüht im Verborgenen
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Die Berufsbezeichnung Agent klingt geheimnisvoll und das nicht nur wegen der Assoziationen, die dieses Wort auslösen mag. Das Geschäft der Vermittlung spielt sich im Hintergrund ab, während im Rampenlicht der Öffentlichkeit nur der Künstler und die gelungene Veranstaltung stehen: Über das stille Geschäft dazwischen dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit, denn dieses Geschäft lebt von der Diskretion.

Steht ein Agent dann doch einmal im Rampenlicht wie vor einigen Jahren bei Vertragsabschluss von James Levine in München, dann denkt man an Begriffe wie Macht und Einfluss, an Honorare und Provisionen, vielleicht an die großen marktbeherrschenden amerikanischen Agenturen wie Columbia Artists Management, die Herbert von Karajan ebenso auf ihrer Liste hatten wie heute James Levine und viele andere große Dirigenten und Solisten. Das alles spielt sicher eine Rolle. Was aber noch? Einige Agenturen, ganz unterschiedlicher Größe und Profils, kommen zu Wort.

Allein in Deutschland versammelt der Verband der Deutschen Konzertdirektionen rund 250 Agenturen und Veranstalter unter seinem Dach. Die Publikation „Wer ist Wo“ des Verbands der Deutschen Konzertdirektionen listet auf, welcher Künstler durch welche Agentur vertreten wird, und es verzeichnet die Adressen aller Mitglieds-Agenturen. Die meisten der aufgeführten Agenturen sind sowohl in der Künstlervermittlung als auch in der Veranstalterbranche tätig. Den Jahresumsatz der Mitglieder aus Agentur- und Veranstaltungsgeschäft beziffert der Verband der Deutschen Konzertdirektionen auf rund 1,1 Milliarden Euro und sieht darin eine Bestätigung, dass im Veranstaltungsgeschäft „trotz hoch subventionierter Konkurrenz der öffentlichen Hand Bedürfnis und Raum für privatwirtschaftlich organisierte Kultur in unserem Land besteht“. Internationale Netzwerke für Agenten und Veranstalter bieten die International Artists Managers’ Association (IAMA), die Association Européene des Agents Artistique (AEAA) oder die International Society for the Performing Arts (ISPA).

Der Künstler oder das Ensemble arbeiten zusammen mit einem Agenten. Man einigt sich auf ein Generalmanagement oder beschränkt die Vertretung auf bestimmte Länder. Dementsprechend arbeiten in vielen Ländern oft auch verschiedene Agenten für einen Künstler oder ein Ensemble. Eine Ausbildung für den Beruf des Künstleragenten gibt es nicht. Die einen haben Musik studiert, die anderen Kulturmanagement oder Sprachen, die nächsten haben eine kaufmännische Ausbildung und eine Leidenschaft für Musik und andere haben Jura studiert und den Familienbetrieb übernommen. Von allem braucht der Künstleragent ein bisschen, mehr aber noch braucht er Geschick im Umgang mit unterschiedlichsten Menschen, ein Gespür für die Musik, für Bühnenpräsenz und Entwicklungsfähigkeit eines Künstlers, Ausdauer, Begeisterungsfähigkeit und Überzeugungskraft.

„Im Idealfall ist der Agent der Repräsentant des Künstlers. Er ist der Weg zwischen dem Künstler und der Bühne. Es braucht eine große Mischung aus Bescheidenheit – man ist ja nicht der Künstler – und Selbstbewusstsein. Mir geht es darum, dass Künstler die Möglichkeit bekommen, das zu machen, was sie wollen. Dadurch wächst in ihnen etwas.“
Sonia Simmenauer, Sonia Simmenauer Impresariat

„Es geht bei der Agententätigkeit nicht darum, im Rampenlicht zu stehen. Wir sollten im Hintergrund bleiben und ermöglichen, dass sich auf der Bühne qualitativ Hochwertiges abspielt. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen: beim Künstler und auch beim Veranstalter. Wenn ein Veranstalter weiß, dass er Qualität bekommt und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, dann ist er auch einmal bereit, einen Künstler zu engagieren, den er noch nicht kennt. Ich halte es für sehr wichtig, junge Künstler aufzubauen und über einen relativ langen Zeitraum zu begleiten.“
Yvonne Weigold, Weigold & Böhm International Artists & Tours GmbH

Nicht nur junge Musiker suchen eine Agentur. Die richtige zu finden, ist nicht immer ganz einfach. Es muss passen. Was dabei helfen kann: Wettbewerbserfolge, Konzerte in angesehen Reihen, Empfehlungen und gute Kontakte.

„Wie findet der Agent die Künstler, für die er arbeiten will? Er kann sie suchen. Auf Wettbewerben zum Beispiel. Aber er muss sie nicht suchen. Sie kommen zu ihm. Manche drängen sich geradezu auf. Nur: Sind sie auch qualifiziert? Werden sie den Erwartungen gerecht? Haben sie neben aller Begabung und allem technischen Rüstzeug und aller Musikalität auch noch das gewisse Etwas, den ‚Sexappeal’ oder das Geheimnis einer fremden Welt? Und sind sie dem Agenten auch noch sympathisch? Denn ohne Sympathie läuft auf dieser Welt so gut wie gar nichts. Und in unserem Beruf noch weniger als in anderen.“
Rolf Sudbrack, Künstlersekretariat Rolf Sudbrack

„Die Künstlerauswahl ist eine Mischung: Wir kennen die Szene und beobachten den Markt. Oft wird man durch jemanden auf einen Künstler aufmerksam gemacht. Natürlich gehört auch ein Gespür für neue Talente und ein musikalisches Urteilsvermögen dazu.“
Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid

Haben Agentur und Künstler oder Ensemble sich gefunden, sich über „Territorien“, Konzerthonorarmargen und Programmvielfalt, Termine et cetera abgesprochen, beginnt die eigentliche Arbeit der Agentur: Konzerte der Künstler an Veranstalter zu verkaufen. Das geht vom persönlichen Verkauf bis zur Verschickung von Printmaterialien, Newslettern und vielem mehr. Es ist ein aktives Verkaufsgeschäft. Und es ist harte Arbeit, zumindest bis der Name bekannt ist. Aber auch danach.

„Wie ich meine Künstler vermittle? Ich habe eine Künstlerliste. Diese Künstlerliste bezeichne ich als meine Menükarte. Darauf sind alle ‚meine’ Künstler und Ensembles, denen ich mich verpflichtet habe und denen ich auch versprochen habe: Ich mache euch den Kalender voll. Ich gehe auf die Veranstalter zu. Das sind gewachsene Beziehungen zwischen Agent und Veranstalter. Es gibt Briefe, Telefonkontakte, aber der persönliche Verkauf ist nach wie vor der beste.“
Andreas Braun, Konzertbüro Andreas Braun

„Es gibt keine präzisen Instrumente, weil wir eine Vermittlerrolle haben. Mein Instrument ist die Fülle der wunderbaren Namen, die ich vertrete. Ich habe etwas in den Händen, worüber ich in ganz breitem Maße sprechen kann. Und das Allerwichtigste dabei ist das Gespräch. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe, wer der Veranstalter ist, was sein Wunsch ist, was es für ein Saal ist, wer sein Publikum ist und was er eigentlich erreichen will. Und nicht zuletzt muss ich wissen, was er bezahlen kann.“
Sonia Simmenauer, Sonia Simmenauer Impresariat

„Es gibt verschiedene Wege, auf denen bekannt gemacht wird, dass ein Musiker zu den Auserwählten gehört. Einen Weg nenne ich gern den ‚unterirdischen’, weil er am wenigsten sichtbar ist. Es ist der Tipp des großen und berühmten Musikers an die Direktoren von Festspielen, Veranstaltungszentren und Orchestern.“
Rolf Sudbrack, Künstlersekretariat Rolf Sudbrack

„Bei der Vermittlung von Künstlern, Orchestern oder auch Projekten sind über die Bewerbung mittels klassischer Drucksachen persönliche Gespräche besonders wichtig, vor allem das Gespräch mit dem Veranstalter vor Ort. Das Geschäft ist sehr personenbezogen, es geht um Vertrauen. Wichtig ist das Erspüren der Bedürfnisse der Kunden und des Veranstalters. So entsteht ein Bild, das wiederum die Auswahl der eigenen Projekte positiv beeinflusst. Das ist der eine Teil. Ein anderer ist, Trends zu erkennen. Seit einigen Jahren etwa hält Weltmusik verstärkt auch in Konzertsäle Einzug.“
Claudius Schutte, MünchenMusik GmbH & Co. KG

Um einen Künstler bekannt zu machen, spielen auch die Medien eine große Rolle. Es bedarf dabei gezielter Unterstützung durch PR-Agenturen wie Quintessenz in München oder PR2 classic in Köln. Künstlerpromotion, langfristig und punktuell bei wichtigen Konzerten und CD-Neuerscheingen, kann auch die Arbeit des Agenten erleichtern. CD-Veröffentlichungen spielen dabei mehr als die Rolle einer klingenden Vistitenkarte.

„Medien haben heute einen Stellenwert bekommen, der übermächtig ist. PR-Kampagnen laufen parallel zur Künstlervermittlung. Warum jemand einen Job bekommt, hat heute viel weniger mit Qualität zu tun als früher.“
Andreas Braun, Konzertbüro Andreas Braun

„Die Medienpräsenz spielt zunehmend eine Rolle. Aus diesem Grund haben wir vor einigen Jahren auch eine PR-Abteilung hier im Haus ins Leben gerufen. Den Künstlern legen wir nahe, sich PR-mäßig versorgen zu lassen, hier im Hause oder von einer externen Agentur.“
Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid

„Hat man gute Rezensionen für einen Künstler, tut man sich leichter. Und wenn ein Künstler regelmäßig im Rundfunk zu hören ist, dann tut man sich nochmals leichter. Momentan allerdings ist es für junge Künstler schwierig. Es gibt ein Überangebot.“
Michaela Russ-Grüber, Südwestdeutsche Konzertdirektion Erwin Russ

Seit Jahren wird von der Krise auf dem Klassikmarkt gesprochen. Was genau ist denn diese Krise? Über das Ausmaß, über Ursachen und Auswege gibt es von Seiten der Agenturen verschiedene Meinungen. Auch Krisen sind facettenreich…

„Natürlich kann man von einer Krise sprechen, aber nicht nur in Deutschland, sondern international oder überhaupt das Klassikgeschäft betreffend. Ein Grund dafür sind die zunehmenden Angebote im Freizeitmarkt. Und es ist sicher auch eine Frage des Heranführens des Publikums an Klassik. Der ganze Bereich Erziehung spielt dabei eine große Rolle. Die Eventkultur und auch die ganze Crossover-Bewegung halte ich für kontraproduktiv. Ich bin nicht davon überzeugt, dass uns dies neues Publikum für die Konzerte bringt. Den Leuten wird etwas vorgegaukelt, was nicht die reale Welt der Klassik ist. Ich glaube eher, dass Konzerte im kleinen Rahmen, Konzerte, die exzellent dargeboten sind, wo Künstler wirklich etwas zu sagen haben, das sind, was Menschen bewegt.
Mit der Krise muss man das ein kleines bisschen relativieren. Großbritannien oder Amerika leben damit schon seit Jahrzehnten und haben gewisse Überlebensstrategien entwickelt. Das ist in Deutschland noch nicht der Fall. Wir stehen in diesem Anfangsschock, dass plötzlich alles wegbricht und sich vieles noch nicht etabliert hat, wie zum Beispiel die education programs. Natürlich: Die Krise ist da, aber es klagen alle noch auf einem relativ hohen Niveau.“
Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid

„Weil Angebot und Nachfrage wie eine Schere auseinandergehen, deshalb ist der Markt in einer Krise. Es gibt viele gute Musiker, aber weniger Konzertbesucher. Dazu kommt die Umverteilung von Subventionen von kleineren Veranstaltern zu Festivals und der Abbau von Subventionen überhaupt.“
Joachim Nerger, Künstlersekretariat Rolf Sudbrack

„Für Agenturen wie auch für Veranstalter ist der Markt schwierig. Für Agenturen ist er deshalb schwierig, weil die Veranstalter weniger als zuvor bereit sind, das Risiko der Einladung eines unbekannten Künstlers auf sich zu nehmen, weil sie weniger Karten verkaufen. Wir haben früher in einem Schlaraffenland der Veranstaltungen gelebt. Und dies ist im Moment anders. Das Interesse hat sich gewandelt und es wird sich wieder wandeln. Diese Wellenbewegungen kann man in den letzten Jahrzehnten immer wieder beobachten.“
Hans-Dieter Göhre, Concerto Winderstein GmbH

„Es ist ein Netz von Dingen, die stimmen müssen, und wenn es Lücken gibt, dann kann der eine nicht alles auffangen. Agenturen alleine sind keine Heilsbringer. Als große Chance für erfolgreiche Wege sehen wir das in den letzten Jahren verstärkte Zusammenrücken zwischen Veranstaltern und Agenten.“
Claudius Schutte, MünchenMusik GmbH & Co. KG

Auch das Agenturgeschäft hat sich in den letzten Jahren verändert: Die großen Agenturen scheinen immer internationaler vernetzt und gleichzeitig gibt es immer mehr kleine Agenturen, die Künstler vermitteln.

„Es gibt eine interessante Entwicklung in den letzten sieben bis zehn Jahren: Es gibt immer mehr Agenturen und immer weniger Konzerte.“
Sonia Simmenauer, Sonia Simmenauer Impresariat

„Das Agenturgeschäft hat sich verändert, bei den großen Agenturen muss man sehr viel internationaler weltweit vernetzt sein oder man muss sich eine Nische suchen. Ich glaube, dieses breit gefächerte und nur auf Deutschland bezogene Geschäft wird auf Dauer nicht funktionieren.“
Cornelia Schmid, Konzertdirektion Hans Ulrich Schmid

Was erwarten Künstler von ihrer Agentur? Eine steile Karriere, den Sprung auf die Konzertpodien der Welt, das große Geld? Natürlich. Aber auch die persönliche Betreuung spielt eine Rolle. „Kommunikation und Vermittlung stehen für uns in der Zusammenarbeit mit unserer Agentur im Vordergrund. Wir brauchen das Vertrauen in unsere inhaltliche Arbeit, und sie braucht die Fähigkeit, dies an Veranstalter zu vermitteln.

Wir sind ein kleines Unternehmen – das eine ist die Kreativ-Abteilung, das andere ist der Vertrieb. Aber der muss auch kreativ sein“, so formuliert es das Klavierduo Andreas Grau & Götz Schumacher. Kommunikation heißt, auch bei Veranstalterkontakten, Zusammenarbeit von Agentur und Künstler. Veranstalter wollen gepflegt werden, nicht nur von Agenten. Der Künstler ist das eigentliche Objekt der Begierde.

Die Qualität auf der Bühne ist entscheidend, ein interessantes Gespräch nach dem Konzert vielleicht auch. Natürlich ist für alle Künstler ein voller Konzertkalender wichtig, betont wird aber vor allem die künstlerische Freiheit, und zwar auf allen Stufen der Karriere. Der international etablierte Violinist Christian Tetzlaff: „Dass meine Agentur das Vertrauen hat, dass ich spielen kann, was ich für richtig halte, ist für mich das Allerwichtigste“.

Weitere Informationen im Internet unter:
http://www.vdkd.de (Verband der Deutschen Konzertdirektionen)
http://www.aeaa.info (Association Européene des Agents Artistique)
http://www.iamaworld.com (International Artists Managers’ Association)
http://www.ispa.org (International Society of the Performing Arts)
http://www.classicalmusicartists.com („Who represents whom”, gemeinsam von IAMA und AEAA herausgegeben)

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