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Entartet! Über die Kulturpolitik des NS-Staates

Untertitel
Arbeitsheft für den fächerverbindenden Unterricht Musik-Bildende Kunst-Deutsch
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Arbeitsheft für den fächerverbindenden Unterricht Musik-Bildende Kunst-DeutschErika Kern, Helmuth Kern, Volker Mall: Entartet?, Kunst und Musik in der Zeit des Nationalsozialismus, mit CD 207032, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1997, 48 Seiten. Der erste Eindruck: das vorliegende Arbeitsbuch ist ein Schulbuch wie es sich Schüler wünschen. Und wie es Schüler brauchen. Es ist ein Buch, das man unter der Bank weiterliest, weil es einen von einem Gegenstand, von einem Thema zum nächsten führt. Und das, obwohl man die Gliederung und den Aufbau des Bändchens nicht übersichtlich oder klar strukturiert nennen kann. Genau das ist aber der Vorteil des Arbeitsheftes, daß es auf eine klassische Leserführung verzichtet und sich als gegliederte Materialsammlung versteht. Von einer Bildunterschrift springt das Auge zu einer Einführung, dann liest man einen Quellentext, im Anschluß daran bleibt man an einer Faksimileabbildung hängen... Das Arbeitsheft wird seiner Aufgabe als Schulbuch gerade deshalb gerecht werden, weil es auf einen pädagogischen Zeigefinger verzichtet, weil es die Materialien für sich selbst sprechen läßt. Es ist glaubwürdig, weil es die – aus heutiger Sicht unglaubliche, skurrile Weltsicht der Nazikulturbehörden durch die Dokumentation ihrer kruden Ästhetik, ihrer Verordnungen, Gesetze und Strafen vorführt. Der zweite Eindruck, eine Beschreibung: Wenn in den einleitenden Worten der Eindruck erweckt wurde, das Heft sei nicht strukturiert, dann ist das nicht richtig. Es ist systematisch und am Anfang auch chronologisch geordnet, bietet aber keinen geschlossenen Lehrgang und keine Lektionen. Der Fachlehrer Deutsch, Musik oder Bildende Kunst kann aus den Materialsammlungen Unterrichtsangebote machen, die in den unterschiedlichsten Zusammenhängen aufeinander bezogen werden können. Fächerübergreifend, fachbezogen je nach Bedarf. Das Heft kann als klassisches Schulbuch genauso benutzt werden wie als Literatursammlung für ein Projekt eine Gruppenarbeit. So bietet das Heft auch gezielte und offen formulierte Arbeitsanweisungen, die experimentelles Herangehen wie kreatives Schreiben, Rollenspiele, Musizieren, bildnerisches Gestalten ermöglichen. Die Notenbeispiele sind so ausgewählt, daß sie fast alle von Lehrern und Schülern selbst gespielt, gesungen werden können. Die CD mit 50 Minuten Spieldauer bietet 30 Hörbeispiele, die ein breites Spektrum abdecken. Einige Beispiele seien im folgenden genannt: Kurt Schwitters „Ursonate“, Werner Egks Hymne aus der „Olympischen Festmusik“, die „Sondermeldungsfanfare“ mit einem Thema von Franz Liszt, das „Horst-Wessel-Lied“, Schlager von 1936 bis 1943, Carola Nehers „Seeräuber Jenny“, Reden von Hitler, Goebbels und anderen. Daneben gibt es auch Aufnahmen mit dem „Kälbermarsch“, der Horst-Wessel-Lied -Parodie von Brecht/Eisler, Heino mit „Hohe Nacht der klaren Sterne“, Beispiele von Jessel, Schönberg, Schulhoff und Kancheli und Aufnahmen mit Musik aus einem Schulprojekt „Swing tanzen verboten“, für das das Kapitel „Oppositionelle Jugendkultur“ die Grundlage bildete. Das Studien- und Arbeitsbuch enthält eine Fülle von Basismaterial für eigene Erkundungen, Überlegungen und Aktivitäten. Die erste Doppelseite liefert Informationen zur Vorgeschichte unter dem Titel „Avantgarde contra Restauration“. Es folgen ein Überblick über die kulturpolitischen Maßnahmen des Dritten Reiches, danach Beispiele für das „Bild vom neuen Deutschland“ – beispielsweise auf der Pariser Weltausstellung von 1939 – und für die neue „wahre“ deutsche Kunst und Musik. Mit Kampf- und Feierliedern wird die Rolle des Singens, mit Schlagerzitaten die Funktion der Unterhaltungsmusik problematisiert. Im Mittelpunkt steht das Kapitel „Kunst am Pranger“. Ausgehend von den sogenannten Schandausstellungen seit 1933 und schließlich den Ausstellungen „Entartete Kunst“ (1937) und „Entartete Musik“ (1938) wird dargestellt, was die Nationalsozialisten unter „entartet“ verstanden und wie die Diffamierung der Künstler und ihrer Werke inszeniert wurde. Die Schicksale von Ludwig Meidner, Oskar Schlemmer und Käthe Kollwitz belegen dies anschaulich. Die Kapitel „Jugend im Dritten Reich“ und „Oppositionelle Jugendkultur – Die Swingkids“ erlauben den Schülern Identifikation und eignen sich daher besonders gut zum Einstieg ins Thema. Der dritte Teil schildert Künstlerschicksale zwischen Anpassung und Widerstand (Felix Nussbaum, Leon Jessel, Carl Orff, Carola Neher, Erwin Schulhoff). Die unterschiedlichen ästhetischen Auffassungen in den beiden deutschen Staaten nach dem Krieg machen die Autoren an Aussagen und Werken von Fritz Cremer (DDR) und Georg Meistermann (BRD) fest. In diesem Zusammenhang zitieren die Autoren Peter Sager: „Meistermann, streitbarer Moralist der deutschen Nachkriegskunst, lehnte 1967 seine Berufung an die Münchner Kunstakademie ab, weil dort noch immer der Maler Hermann Kaspar amtierte: ‚Der hatte Hitlers Reichskanzlei ausgestattet, den Fackelzug zur Einweihung des Hauses der Deutschen Kunst organisiert, als Beauftragter bei der „Entarteten Kunst“ mitgespielt.‘“ ak

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