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Kulturmanagerin, Musikerin und Mentee: Maria Pallasch. Foto: Christina Körthe
Kulturmanagerin, Musikerin und Mentee: Maria Pallasch. Foto: Christina Körthe
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„Fortschritt geht nur mit Geschlechtergerechtigkeit“

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Mentee Maria Pallasch berichtet über das Mentoring-Programm des Deutschen Kulturrates
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Das Projektbüro „Frauen in Kultur & Medien“ des Deutschen Kulturrates bietet seit 2017 ein Mentoring-Programm für Frauen an, die eine Führungsposition im Kultur- und Medienbereich anstreben und auf mindestens zehn Jahre Berufserfahrung zurückblicken. Mit Maria Pallasch, Referentin und Leiterin des Büros des Präsidenten der Hamburger Hochschule für Musik und Tanz, sowie Elisabeth Brunmayr (Career Center der Hamburger HfMT) hat der Deutsche Kulturrat zwei Mitarbeiterinnen der Hamburger Musikhochschule in den zweiten Jahrgang des Förderprogramms „Frauen in Kultur und Medien“ aufgenommen. Das folgende Interview mit der Teilnehmerin Maria Pallasch will sowohl die Mentee als auch das Mentoring Programm des Deutschen Kulturrates porträtieren.

Seit 2018 ist Maria Pallasch als Referentin des Präsidenten an der HfMT Hamburg tätig. Davor war sie sieben Jahre Geschäftsführerin des Frauenmusikzentrums in Hamburg. Die Gambistin und Blockflötistin hatte schon immer großes Interesse an der Thematik „Leben von und für Musik“ und studierte bereits neben ihrem Instrumentalstudium Kulturmanagement und Betriebswirtschaft. Im Anschluss machte sie eine Existenzgründungs-Beratungsagentur auf, spezialisiert auf Musikerinnen und Musiker. Lehraufträge zur Existenzgründerthematik folgten an der HFMT Hamburg, aber auch an anderen Hochschulen und Akademien. Maria Pallasch hat das typische Kulturportfolio einer freiberuflichen Künstlerin, also nicht nur einen Job, sondern gleich mehrere: Viele Jahre hatte sie eine eigene Konzertreihe, war freie Mitarbeiterin bei NDR Kultur und tritt bis heute als Gambistin und Blockflötistin mit Alter und Neuer Musik auf.

Neben dem 1:1-Mentoring ist der Austausch aller Mentoren und Mentees untereinander Teil des Programms. Mentees sollen durch Gespräche mit erfahrenen Berufskolleginnen und -kollegen sowie untereinander die Herausforderungen ihrer je individuellen Berufswege ordnen können, Schwierigkeiten ansprechen, Ziele priorisieren oder auch verwerfen. In diesem Zusammenhang ist der Blick von außen so wichtig, weil er im Berufsalltag selten gegeben, für das Finden des eigenen Weges aber entscheidend ist.

neue musikzeitung: Wie sind Sie auf das Mentoring-Programm des Deutschen Kulturrats gestoßen? Welche Erwartungen haben Sie damit verknüpft?

Maria Pallasch: Ich habe viele Jahre eine Führungsaufgabe ausgefüllt, dann zwei Kinder bekommen und nach Rückkehr aus der Elternzeit die Stelle als Referentin an der HfMT angetreten. In dieser Situation habe ich mich gefragt, wie ich mich weiterentwickeln und weiterbilden kann. Durch Zufall bin ich über einen Facebook-Post einer ehemaligen Teilnehmerin auf das Mentoring Programm gestoßen. Das erschien mir wie auf mich zugeschnitten und ich habe mich dann dort beworben.

nmz: Gab es eine Art Aufnahmeprüfung?

Pallasch: Es gibt ein schriftliches Bewerbungsverfahren. Auf dieser Grundlage wird im Projektbüro des DKR geprüft, ob es einen Mentor oder eine Mentorin für die Bewerberin gibt – und wenn ja, das entsprechende Tandem gebildet.

nmz: Wie entstand Ihr Tandem mit Christian Höppner, dem Generalsekretär des Deutschen Musikrats?

Pallasch: Das Projektbüro des Deutschen Kulturrates schaut sehr individuell, dass Tandems entstehen, innerhalb derer es thematische Überschneidungen und Anknüpfungspunkte gibt. Wünsche zur rein weiblichen Besetzung eines Tandems können geäußert werden, waren für mich persönlich aber nicht relevant.Die Tandemauswahl, die für mich getroffen wurde, ist für mich ein Glücksfall. Mit Christian Höppner habe ich einen idealen Gesprächspartner zu kultur- und verbandspolitischen Themen. Da wir beide auch aktive Musiker*innen sind, gibt es einen besonderen Bezug zu Fragestellungen rund um „Leben können von Musik“.

nmz: Die Regierungskoalition hat beschlossen, dass künftig in Vorständen großer privater und öffentlicher Unternehmen Frauen sitzen müssen. Hat diese gesetzliche Regelung Auswirkungen auf den Kulturbereich?

Pallasch: Es hat sich gezeigt, dass man mit der Empfehlung zu paritätischer Besetzung von Vorstandsgremien in der freien Wirtschaft nicht weiterkommt. Eine Quote ist daher die logische Konsequenz. Ich wünschte mir, dass der Kulturbereich allgemein fortschrittlicher wäre. Im Bereich der Intendanzen finden sich überdurchschnittlich viele Männern. Heruntergebrochen auf den Hochschulbereich kann ich sagen: Da ist man schon viel weiter: In den letzten Jahren konnten wir viele Akzente setzen. Gleichstellung wird nicht länger beäugt, sie ist selbstverständlicher geworden und wird mitgedacht.

nmz: Die Kulturorchester galten lange als Männerdomäne und die Musikhochschule als die entsprechende Kaderschmiede. Was für Perspektiven müssen Musikhochschulen heute entwickeln, damit Frauen a) gleichberechtigt sind und b) nicht nur im tutti sitzen, sondern auch in Führungspositionen aufrücken?

Pallasch: Auch im Bereich Orchester ist zu sehen, dass sich grundsätzlich viel verändert hat. Nachrückende Generationen sind überwiegend weiblich. Das stimmt einen optimistisch. Führungspositionen dagegen werden nach wie vor überwiegend männlich besetzt. Hier ruhen die Hoffnungen auf der nachrückenden Generation.

Dass in den Orchestern bestimmte Instrumente vorwiegend von Männern gespielt werden, bildet sich ohne Frage bereits in den Musikhochschulen ab. Hier ist eine sehr frühe Förderung von Mädchen notwendig durch Förderprogramme, Mentoring, Role Models und eine frühe Sensibilisierung für das Thema in Schule und Musikschule. Sonst erreichen wir nicht, dass Frauen diese Instrumente beruflich ergreifen werden.

nmz: Ein wichtiges Stichwort beim Thema Geschlechtergerechtigkeit ist nach wie vor die Doppelbelastung von Frauen durch Beruf und Familie.

Pallasch: Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist eine Thematik, die uns auch im Bereich dieses Mentoringprogramms sehr beschäftigt. Die Gesellschaft muss weiter daran arbeiten, dass Kinder bekommen nicht zum beruflichen Nachteil wird. Hier geht es auch im künstlerischen, kreativen Bereich um Teilzeitarbeit, Homeoffice und flexible Arbeitszeiten. Durch die Pandemie haben wir  in kurzer Zeit einen großen Schritt nach vorne gemacht, was die Akzeptanz und Umsetzung dieser Themen angeht. Allerdings haben die letzten Monate auch gezeigt, dass die Kinderbetreuung durch geschlossene Kitas und Homeschooling zu großen Teilen von Frauen geschultert wird. Das hat Auswirkungen, wie der Rückgang wissenschaftlicher Publikationen durch Frauen im vergangenen Jahr zeigt.

nmz: Zu Macht gehört leider oft auch ihr Missbrauch. Wie agieren Frauen diesbezüglich in Führungspositionen? Ist das unter ihren Mentees ein Thema?

Pallasch: Natürlich, wir sprechen viel über Führungsstile. Es gibt aber nicht den einen weiblichen oder den einen männlichen Führungsstil.

nmz: Was verstehen Sie unter Geschlechtergerechtigkeit?

Pallasch: Das bedeutet für mich, dass alle Geschlechter in allen Bereichen unseres menschlichen Miteinanders eine Gleichbehandlung erfahren: gleicher Zugang, gleiche Teilhabe und Sichtbarkeit. Kulturministerin Monika Grütters hat das kürzlich auf der Konferenz zur Geschlechtergerechtigkeit des Kulturrats deutlich betont. Da schließe ich mich gerne an. Wir brauchen Geschlechtergerechtigkeit, wenn wir Fortschritt wollen oder anders: Fortschritt gibt es nur mit Geschlechtergerechtigkeit.

nmz: Wie würden Sie werten: Empfinden Sie sich nach der Teilnahme am Mentoring-Programm eher „als besser qualifiziert“ oder eher „als gut beraten“?

Pallasch: Ich fühle mich gut beraten in Hinblick auf das Tandem Mentor-Mentee, durch das ich viele Impulse mitnehmen konnte. Besser qualifiziert bin ich vor allem in Hinblick auf Themengebiete, für die der Deutsche Kulturrat uns Weiterbildungsangebote geschaffen hat. Und als bereichernd nehme ich den Austausch im entstandenen Netzwerk aller Mentees war. Einzig das Job Shadowing konnten wir leider nicht umsetzen, da kam die Pandemie dazwischen. Aber wir werden das nachholen, sobald Corona kein bestimmender Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens mehr ist.

Eine Teilnahme an dem Mentoring-Programm kann ich nur sehr empfehlen. Für mich und meinen Beruf hat es einen großen Mehrwert gebracht.Besonders spannend ist jetzt gerade der Aufbau eines Alumni-Netzwerks, in dem wir die Themen, die uns bewegen, debattieren und in die Zukunft denken können. Die kommenden Jahrgänge des Förderprogramms werden wir hier mit Freude aufnehmen.

  • Das Gespräch führte Andreas Kolb

 

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