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Festliches Abschlusskonzert mit Lesung von Thomas Quasthoff (re.) und Joachim Thalmann. Foto: Christoph Schulte im Walde
Festliches Abschlusskonzert mit Lesung von Thomas Quasthoff (re.) und Joachim Thalmann. Foto: Christoph Schulte im Walde
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Gemeinsam die Region kulturell stärken

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Zum zweiten Mal bot Ostwestfalen-Lippe ein spartenübergreifendes Festival
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Die Sonne hätte scheinen und ein laues Lüftchen wehen sollen – stattdessen rieselte Dauerregen vom Himmel im beschaulichen Residenzstädtchen Detmold. Und damit fiel der Start zur „Biennale für Ostwestfalen-Lippe“ erst einmal buchstäblich ins Wasser. Denn eigentlich waren die zwei ersten großen Veranstaltungen des Festivals am 28. und 29. Mai unter freiem Himmel ge-plant. Gleichwohl kam das Publikum in den Genuss von Musik und Literatur, wenn auch in geschlossenen Räumen.

Nach dem regnerischen Auftakt schien in Detmold dann aber doch noch die Sonne und sorgte für Stimmung an den restlichen drei Festival-Tagen. Deren Motto: „Mein Herz ist grün von Wald“, Christian Dietrich Grabbe entlehnt, dem in Detmold geborenen und daselbst gestorbenen Dichter des Vormärz.

Die „Biennale“, diese noch junge und fantasievolle Initiative, geht nicht auf Betreiben der Kulturschaffenden selbst zurück, sondern auf Anregung der heimischen Wirtschaft. Da weiß man um das Potenzial jener fünf großen Kulturinstitutionen der Region, die das Leben rund um Musik, Theater, Tanz, Literatur seit langem und auf hohem Niveau prägen. Was stand als Gedanke dahinter? „Unsere Region noch bekannter zu machen, noch stärker zu profilieren durch ein gemeinsames Kulturangebot,“ so Kay Metzger, seit 2005 Intendant des Landestheaters Detmold, einer der fünf „Kulturtanker“, die dann vor zwei Jahren erstmals ein Programm auf die Beine gestellt haben unter der etwas nüchternen Bezeichnung „Biennale für Ostwestfalen-Lippe“ und dem weitaus griffigeren Motto „land.schafft.kultur“.

Die „Eltern“ der Biennale sind ganz konkret zu benennen: Christiane Pfitzner vom Verein der Theater- und Konzertfreunde Bielefeld e.V., Wolfgang Böllhoff als Seniorchef eines gut eingeführten Unternehmens und Ulrich Greiffenhagen, der bis 2010 in Bielefeld eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterhielt. Allen dreien ist eine lebendige Kulturszene für die vor Ort lebenden und arbeitenden Fach- und Führungskräfte wichtig, die Identifikation stiftet mit der Region. Schnell waren dann auch die Industrie- und Handelskammern Ostwestfalen (Bielefeld) und Lippe (Detmold) mit am Planungstisch – auf diesem lagen jedoch alles andere als fertige Konzepte. Die nämlich sollten die Künstler selbst entwickeln. „Der Vorstand der OWL-Biennale hielt sich inhaltlich zurück und tut das auch jetzt noch“, betont Kay Metzger. Stattdessen kümmert er sich um die Bereitstellung des Festival-Budgets von gut 400.000 Euro, sucht nach Sponsoren. Schön, dass diese Kärrneraufgabe in diesem Fall einmal nicht von den Kulturschaffenden selbst geschultert werden muss.

Neben dem Landestheater Detmold sind es die Theater in Bielefeld und Paderborn, die Nordwestdeutsche Philharmonie mit Sitz in Herford und die Hochschule für Musik in Detmold, mit deren je eigenem Profil die Premiere der Biennale vor zwei Jahren so erfolgreich verlaufen konnte. Wobei von vornherein beabsichtigt war, nicht an den etablierten und beim Publikum längst gut eingeführten Spielstätten aktiv zu werden, sondern nach spannenden und ungewöhnlichen Orten zu suchen. Der war denn auch bald gefunden: Schloss Rheda schlüpfte im Juni 2012 in die Rolle des Gastgebers und lieferte ein Ambiente, das die rund achthundertjährige Geschichte dieses Anwesens des Erbprinzen zu Bentheim-Tecklenburg erfahrbar werden ließ – klar der Biennale-Konzeption folgend, dass es keine „Remakes“ von Produktionen aus dem laufenden Spielplan geben sollte, keine bloß an die neu gefundene Spielstätte exportierten Aktionen.

Inhaltlich zeigte sich Ostwestfalens Biennale-Erstling 2012 recht offen, ließ also noch keinen explizit verfolgten „roten Faden“ erkennen. Das habe sich, so Kay Metzger, inzwischen etwas geändert: Die zweite Auflage des Festivals unter der künstlerischen Leitung der beiden Detmolder Institutionen Hochschule und Theater widmete sich dem schon genannten Leitgedanken „Mein Herz ist grün von Wald“, ließ die 19 Veranstaltungen um Themen wie Wald, Mythos, Natur kreisen – „als inhaltliche Klammer und als schöne Linie durch alle Programmsegmente hindurch“, so Metzger. Beethovens „Pastorale“, Bruckners „Romantische“ und Mahlers „Der Titan“ wären auf der Waldbühne am Hermannsdenkmal ganz sicher am richtigen Ort gewesen – allein der Regen zwang zur Verlegung des sinfonischen Marathons ins Konzerthaus der Hochschule. Trotzdem: Wann bekommt man schon mal alle drei Sinfonieorchester der Region nacheinander an einem Tag zu hören?

Für Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ in einer Fassung für Bläserensemble und zwei Schauspieler bot ein Bauernhof im Freilichtmuseum Detmold ein einzigartiges Podium, auch für Carl Reineckes zauberhafte Märchen-Vertonung „Die wilden Schwäne“. Nicht zuletzt nahm die Biennale auch den Beginn des Ersten Weltkriegs vor einhundert Jahren in den Blick: Mit „Endzeit-Wälder“ reflektierten Schauspieler Ulrich Matthes und Absolventen der Musikhochschule die Gräuel des Krieges. Das Detmolder Ballett „vertanzte“ Mendelssohn und Schumann („Wo dein Schatz ist, ist auch dein Herz“), spannende Geschichten „von mutigen Monstern und hitzigen Hexen“ lockten Jung und Alt durch den Detmolder Palaisgarten.Alles in allem zeigte sich die Biennale als inhaltlich stringent angelegt und stets auf der Suche nach dem genius loci. Das, so Kay Metzger und Hochschulrektor Martin Christian Vogel übereinstimmend, sei wichtig, wenn man die Biennale auf Dauer etablieren wolle. 

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