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Hauptsache: Ein paar Allianzen geschlossen

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Ein Kongress und die Frage nach der musikalischen Lobby
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Wenn Hartmut Engler, Leadsänger der Gruppe „Pur“, vom Geschäftsführer der Deutschen Phono-Akademie Werner Hay gedrängt den Song zum Hannoveraner Kongress geschrieben hat und die mit einem Schulgroschen belegte Hit-Single das Nötige in die Bildungsetats spült, wird das deutsche Musikleben seine Lektion gelernt haben: Politik wird mit Personen und Schlagworten gemacht. Und in der Rückschau wird das, was sich als Auftakt der Musikrats-Kampagne „Hauptsache: Musik“ an diesen zwei Tagen in der Musikhochschule Hannover unter dem Titel „Kinder und Musik im 21. Jahrhundert“ ereignete, vielleicht als Initialzündung einer neuen Öffentlichkeit für das Thema der musikalischen Bildung bewertet werden. Anlass zu Euphorie also?

Wenn Hartmut Engler, Leadsänger der Gruppe „Pur“, vom Geschäftsführer der Deutschen Phono-Akademie Werner Hay gedrängt den Song zum Hannoveraner Kongress geschrieben hat und die mit einem Schulgroschen belegte Hit-Single das Nötige in die Bildungsetats spült, wird das deutsche Musikleben seine Lektion gelernt haben: Politik wird mit Personen und Schlagworten gemacht. Und in der Rückschau wird das, was sich als Auftakt der Musikrats-Kampagne „Hauptsache: Musik“ an diesen zwei Tagen in der Musikhochschule Hannover unter dem Titel „Kinder und Musik im 21. Jahrhundert“ ereignete, vielleicht als Initialzündung einer neuen Öffentlichkeit für das Thema der musikalischen Bildung bewertet werden. Anlass zu Euphorie also?Der inhaltliche Ertrag des Kongresses dürfte kaum der Maßstab sein, an dem sich eine Antwort zu orientieren hätte. Sie ist vielmehr zwischen den Zeilen der in der Kongressbroschüre vorabgedruckten Statements zu suchen, in den Zwischentönen, mit denen die Referenten diese dann ins gesprochene Wort übersetzten, und in der Gereiztheit, die sich hinter den Binsenwahrheiten manch gelassen vorgetragener Einwände auf dem Podium und aus dem Publikum verbarg. Gereiztheit deswegen, weil so vieles rund um das Thema Kinder und Musik so nahe liegend scheint und ohne wirkliche Not in die Ferne eines 21. Jahrhunderts abzudriften droht, das man im Kongresstitel heranzuholen versuchte.

Da ist zum einen die unselige Diskussion um die Transfereffekte eines intensivierten Musikunterrichts, besser bekannt unter dem Schlagwort „Musik macht intelligent“. Deren Hauptperson Hans Günther Bastian ist der begnadete Pressesprecher, der die von allen ersehnten Schlagzeilen provoziert, um sie dann mit der gebotenen wissenschaftlichen Differenzierung zu verteufeln. Dass er sich in Hannover, was die Aussagekraft seiner Berliner Langzeitstudie angeht, in Rückzugsgefechten auf dünnem Eis bewegte, das um der Sache willen niemand so Recht zum Schmelzen bringen wollte, war aus wissenschaftlicher Sicht unbefriedigend. Dankbar applaudierte man aber den Slogans, mit denen er auf dem Niveau von „jedes Kind kann sein eigener Walkman sein“ in Abgrenzung zur Computeroffensive Instrumente für alle Schüler einforderte.

Unscharf blieb auch die Rolle, die den neuen Medien zukünftig für die musikalische Bildung zukommen könnte. Zu undifferenziert wurde der mögliche Mittelweg zwischen Traditionsbewahrern und Computer-Euphorikern beschritten, zu beliebig waren – und dieses Problem setzte sich in anderen Panels fort – die Diskussionsforen mit Referenten besetzt, die zwar für wichtige wissenschaftliche Ansätze oder praktische Projekte standen, aber kaum untereinander ins Gespräch kommen konnten oder wollten.

Das Signal, das von Vertretern außerhalb der Musikpädagogik ausgehen sollte, ein Signal der Öffnung und der konzertierten Aktion, war dennoch weithin sichtbar. Wenn in Pressemeldungen neben dem VDS-Vorsitzenden Hans Bäßler auch Rolf Zuckowski mit nachdenklichen Tönen zitiert wird, ist ein erster Schritt hin zu jenem vielfach beschworenen, aber immer diffus verschwimmenden Begriff des gesellschaftlichen Umdenkens getan. Ermutigend auch die Fülle an persönlichen und institutionellen Kontakten, die sich am Rande des Programms ergaben und deren Erträge sich wohl als die eigentliche Substanz des Kongresses erweisen dürften.

Andere nahmen ihre Chance, als Teil dieses politischen Signals zur Kenntnis genommen zu werden, erst gar nicht wahr: Welchen Namen man dem Kind auch gibt, Dachkampagne oder Hauptsache, man muss es an geeigneter Stelle dann auch beim Namen nennen. Die medial verwertbare Präsenz des Deutschen Musikrats beschränkte sich aber, was seinen Präsidenten betrifft, auf die lässig bis nachlässig absolvierten Pflichtübungen Pressekonferenz und Grußwort, wobei letzteres in der schriftlichen Version die Worte Dachkampagne und „Hauptsache: Musik“ sogar erfolgreich vermied. In den Eröffnungs- und Abschlussdiskussionen hatte man auf eine Mitwirkung des Musikrats ganz verzichtet, so dass der Eindruck einer von Phono-Akademie und Hochschule getragenen, lediglich mit einem weiteren Etikett beklebten Initiative um so klarer hervortrat.

Aber vielleicht machen in Sachen musikalische Bildung neue Allianzen einen Dachverband ohnehin bald überflüssig: Marketingexperten aus der Phonoindustrie entwickeln Strategien, die im umkämpften, weil schrumpfenden Segment der Kinder- und Jugendmusik neben dem CD-Umsatz hie und da auch den Instrumentenkauf ankurbeln, und die Schulmusiker tun sich mit den angesagtesten Kinderliedermachern und Jungpop-Idolen zusammen, damit es im Musikunterricht ein- oder zweimal so richtig kracht. Den Quintenzirkel vermittelt eine von Software-Ausstattern und GEMA gesponsorte Multimedia-Show, die periodisch von der väterlichen Ermahnung Reinhold Kreiles unterbrochen wird, die Autorenrechte auch in Zeiten des Internets und des CD-Brenners zu achten.

Die Personalisierung und Professionalisierung der musikalischen Lobbyarbeit – auch dies machte Hannover deutlich – bedarf dringend weiterer pädagogischer Profilierung. Diese müsste nun bis zu einer begrüßenswerten Fortsetzung des Kongresses in zwei Jahren in Angriff genommen werden.

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