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Leuchtturmprojekt eines internationalen Chemieunternehmens

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Philharmonie Merck: Vom Instrumentalkreis im Hause Merck zum Profiorchester
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Bereits 1895 lassen sich erste musikalische Aktivitäten im Unternehmen Merck nachweisen. Im Jahr 1966 gründete der Pharmakologe Peter Lücker den „Instrumentalkreis im Hause Merck“, in dem musizierfreudige Mitarbeiter der Firma zusammenkamen. Schon 1968 erweiterte sich das Ensemble zum Kammerorchester Merck, das sich zunächst auf wenig aufgeführte Werke aus dem Barock spezialisierte. Nach Lücker übernahm 1972 Zdenek Simane die Leitung des Orchesters.

Sein Nachfolger war Christian Rudolf Riedel, erstmals kein Merck-Mitarbeiter, sondern ein professionell tätiger Dirigent. 2003 fand die bislang letzte Wandlung des Unternehmensklangkörpers statt: Wolfgang Heinzel übernahm die Leitung der Philharmonie Merck mit der Aufgabe, das Orchester in die Professionalisierung zu führen. Die neue musikzeitung traf sich mit dem Orchesterchef zum Interview.

neue musikzeitung: Was war ihr Ziel, als Sie das Orchester übernahmen?
Wolfgang Heinzel: Die Geschichte des Orchesters hat bereits im 19. Jahrhundert angefangen mit musikbegeisterten Mitgliedern des Werks. Unter Chemikern finden sich viele musikbegeisterte Menschen. Im Laufe der Jahre nahm die Zahl der Profis zu, die der Amateure ab. Als ich dann kam, fand ich eine etwas unausgeglichene Mischung vor.
Unter Geburtsschmerzen habe ich einen Ausgleich geschaffen, was die Besetzung betraf. Manche Musiker musste ich austauschen gegen jüngere Leute, die gut sind. Dieser Prozess war nicht ganz einfach, musste aber sein, um das Orchester nach vorne zu bringen.

nmz: Ein Profiorchester ist eine teure Angelegenheit. Wie finanziert sich die Philharmonie Merck?
Heinzel: Wenn wir Mahler, Bruckner oder Filmmusik machen, kostet das eine Menge. Noch mehr als bei „normalen“ Konzerten muss Merck als unser Sponsor dahinterstehen, um die Finanzierung aufzubringen. Das tut Merck auch. Umgekehrt erhält Merck einen nicht unerheblichen Imagepflege-Wert. Mit einem sehr deutschen Programm, Wagners „Tannhäuser“ und Brahms’ zweiter Sinfonie, sind wir für Merck nach Brasilien und anschließend für eine Woche nach Mexiko gereist. Der Merck-Chef Mexiko sagte mir anschließend: „Das war die beste PR-Maßnahme, die ich je gemacht habe. Die Verhandlungen laufen einfach viel besser, wenn man als Kulturträger wahrgenommen wird.“

nmz: Wie würden Sie das Profil der Philharmonie Merck beschreiben?
Heinzel: Die Grundlage des Orchesters ist Klassik bis Spätromantik – Mozart bis Mahler. Die barocke Seite decken die Barockspezialisten des Orchesters ab, die sich dann in kleineren Formationen, meistens um die Weihnachtszeit, mit dieser Musik beschäftigen.
Darüber hinaus versuchen wir auch andere Interessen anzusprechen, jüngere Leute etwa mit dem Kinderkonzert oder mit Filmmusikprojekten. Dazu kommt mein OS4, das Opera Swing Quartett – mit der Philharmonie Merck haben wir erst kürzlich das Projekt „Teatime at the Savoy“, eine Melange aus Jazz, Oper und Konzert, bestritten und auf CD dokumentiert.

nmz: Ist Ihr Orchester von der Wirtschaftskrise betroffen?
Heinzel: Merck ist als Weltunternehmen gut positioniert und hat das Orchester als eines seiner Leuchtturmprojekte ausgerufen. Allerdings haben wir im vergangenen Jahr auf zwei angedachte Konzertreisen verzichtet. Unsere Häuser sind aber voll, wir können nicht klagen.

nmz: Wo spielen Sie und für wen?
Heinzel: Es ist ein großes Manko, dass wir kein festes Zuhause haben. Die meisten Konzerte finden in Darmstadt statt: in der Orangerie, in der Stadtkirche. Unsere „Lieblingszuflucht“ ist das Staatstheater Darmstadt. Mit Constantin Trinks, dem neuen GMD, sprechen wir uns ab, damit man nicht zweimal das Gleiche in Darmstadt macht.

nmz: Wie gewinnen Sie Ihre Solisten?
Heinzel: Es gibt inzwischen eine Armada von jungen, guten und bezahlbaren Leuten. Es geht eher darum, die Künstler zu finden, die zum Orchester passen.

nmz: Ein paar Highlights aus dem Programm 2010?
Heinzel: Da nenne ich Beethovens achte Sinfonie und das Schumann-Violinkonzert. Von diesem hat unser Konzertmeister eine eigene Druckfassung hergestellt. Weiter das Kinderkonzert sowie ein großes Filmmusikprojekt mit Juri Tetzlaff als Moderator. Von September bis Dezember gibt es dieses Jahr wieder den Musikalischen Herbst. Das ist alle zwei Jahre ein Großunternehmen, wo Merck noch mal extra Geld zuschießt. Die Philharmonie Merck lädt dann große Weltorchester und kann bei der Gelegenheit auch selbst große Projekte verwirklichen: 2010 sind das Mahlers dritte Sinfonie, Bruckners Neunte und ein Konzert nur mit „Unvollendeten“.

nmz: Sie und die Philharmonie Merck sind jetzt im verflixten siebten Jahr. Was planen Sie für die nächste Zukunft?
Heinzel: Unser Ziel ist es, dass wir das Orchester über die Grenzen von Darmstadt hinaus führen. Wir sind jetzt so weit.

Interview: Andreas Kolb

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