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Motivation durch Strukturwandel

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Fachtagung „Ehrenamtliches Engagement im Kulturbereich“ – Stefan Liebing zum Kulturforum Deutschland
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Dass ein Landtag von hohem Gesprächsniveau beseelt ist, kann man gewiss nicht immer behaupten. Bei der Fachtagung zum ehrenamtlichen Engagement im Kulturbereich – einer gemeinsamen Veranstaltung des Baye-rischen Musikrates, des Bayerischen Blasmusikverbandes und des erst ein Jahr alten Kulturforums Deutschland – das am 24. Oktober im Maximilianeum der bayerischen Landeshauptstadt stattfand, war dieses erfreulicherweise annähernd drei Stunden lang der Fall. Und dabei ging es auch um unbequeme Wahrheiten unseres ehrenamtlich geführten Kulturbetriebes.

Der  Leiter des Referats Laienmusik im Bayerischen Musikrat Andreas Horber, in Personalunion Geschäftsführer des Blasmusikverbands und des Kulturforums Deutschland, hatte Staatsminister für Finanzen, Georg Fahrenschon, Dr. Hilmar Sturms vom Institut für Verbandsforschung an der TU München, Dr. Andreas Frank aus dem Referat Bürgerschaftliches Engagement im bayerischen Sozialministerium, den Vizepräsidenten des Bayerischen Landessportvereins Otto Marchner, sowie den Vorsitzenden des Kulturforums Deutschland, Stefan Liebing, zur Podiumsdiskussion geladen. In der von Alex Dorow (BR) moderierten Runde zeigte sich aber schnell: Wirklich Neues gab es bei analytischer Betrachtung der Situation des Ehrenamtes nicht. Die Diskutanten waren sich darin einig, dass es eine wesentliche Aufgabe der Vereine selbst sein muss, für einen inneren Strukturwandel zu sorgen, um ehrenamtliches Engagement reizvoll zu machen. Obwohl das Volksengagement wirtschaftlich rund 20 Milliarden Euro wert ist, kann der Staat dabei nur assistieren. Hierzu gehören ganz sicher auch Fragen der Entbürokratisierung. Zum anderen muss eine Definition des Begriffs „Ehrenamt“ gefunden werden.

Gerade bei diesen Fragen setzt die Arbeit des Kulturforums Deutschland e.V. (KFD) an, das vor einem Jahr gegründet wurde. Initiiert wurde diese Gründung von Stefan Liebing, Herausgeber zweier Bücher zum kulturellen Ehrenamt. Das Kulturforum will eine klare Vorstellung der zukünftigen Vereins- und Verbandsentwicklung liefern, um so kulturaktive Gruppen in ihrem Strukturwandel beratend zu begleiten, wie Liebing im nmz-Interview beschreibt.

neue musikzeitung: Welche Bedeutung hat das Treffen gerade in der bayerischen Hauptstadt München, ein Jahr nach der Gründung des Forums?

Stefan Liebing: Wir haben in München diese Auftaktveranstaltung durchgeführt, die sich mit der Zukunft ehrenamtlichen Engagements im Kulturbereich befasst. Der bayerische Musikrat hat unsere Einschätzung geteilt, dass hierzu Diskussionsbedarf besteht, wenn wir das Risiko minimieren wollen, dass Deutschlands großartige und breite Kulturlandschaft wegen gesellschaftlicher Veränderungen in den nächsten Jahren deutlich geschwächt wird. Und deshalb haben wir diese Veranstaltung gemeinsam vorbereitet. Sie war aus meiner Sicht übrigens ein wichtiger Anstoß für die über hundert Teilnehmer und damit ein großer Erfolg.

nmz: Braucht Deutschlands Kultur ein neues, weiteres Forum und wo sehen Sie die konkreten Aufgaben des KFD?

Liebing: Ich glaube tatsächlich, dass wir keine neuen Foren brauchen, und schon gar keine zusätzlichen Verbände. Im Gegenteil: Weniger und dafür schlagkräftigere Organisationen wären deutlich hilfreicher. Wir haben mit einer schlanken Organisation lediglich den Rahmen dafür geschaffen, etwas zu tun, was Deutschlands Kultur allerdings sehr wohl braucht: Vorausdenken zu den vorhin genannten wichtigen Themen und Politikberatung. Beide Aufgaben nehmen nach meiner jahrelangen Beobachtung leider nur sehr wenige Verbände ausreichend wahr. Also besteht ein Bedarf an „Think Tanks“, in unserem Fall einer Gruppe von Experten, die überhaupt nicht in Anspruch nehmen, Verbandsarbeit zu machen, sondern die sich mit ihren persönlichen Ideen in die Reformdiskussion und die politische Debatte im Kultursektor einbringen werden.

nmz: Welche  Dienstleistungen bieten Sie mit dem KFD wem an?

Liebing: Zuvorderst geht es darum, Zukunftsthemen für den Kulturbereich, und hier vor allem für das Segment der Laienbewegung, zu identifizieren und mit neuen Konzepten zu unterlegen. Auf Basis dieser Erkenntnisse aus einer Expertenrunde, verstärkt um externe Fachleute, betreiben wir Politik- und Verbandsberatung. Das Konzept eines „Think Tanks“ steht also im Mittelpunkt. Wo im Zusammenhang damit Wissen bei uns entsteht, das der Basis hilft, sind wir natürlich bereit, dies auch in Form von individueller Unterstützung und Beratung unseren Unterstützern zukommen zu lassen – so steht etwa eine juristische Hotline zur Verfügung und wir veröffentlichen unregelmäßig Handreichungen, Leitfäden, Checklisten und (kultur)politische Stellungnahmen. Bei uns wird man auch zukünftig keinesfalls Versicherungen abschließen oder Ehrennadeln bestellen können, wir sehen uns auch nicht als Konkurrenz zu den bestehenden traditionellen Verbänden, sondern höchstens als notwendige Ergänzung zu deren Arbeit

nmz: Inwieweit ist das KFD in der Lage, die Interessen der kulturell engagierten Menschen bei politischen Entscheidungsträgern zu artikulieren?

Liebing: Wir sehen uns nicht als Interessenvertreter. Wir versuchen einen Blick auf das große Ganze, aber vor dem Hintergrund der in unserer Runde versammelten kulturpolitischen Erfahrung und Kompetenz. Dies ermög-licht uns, zu Empfehlungen zu kommen und Zusammenhänge aufzuzeigen, die nahe an der Praxis sind. Und da wir alle aufgrund unserer individuellen Biografien und aktuellen Tätigkeiten regelmäßig im Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern stehen, können wir diese Anregungen auch dort hinterlegen. Wir werden kein Lobbying betreiben, sondern dort unterstützen, wo wir um Rat gefragt werden. Und das geschieht auch ohne Präsidiumsamt recht häufig.

nmz: Dass es Kultur ohne Ehrenamtliche in der heutigen Vielfalt nicht geben würde, ist wohl unstrittig. Wie können und müssen Ihres Erachtens diese ehrenamtlich Engagierten auf die Veränderung in Politik und Gesellschaft reagieren?

Liebing: Wenn sich das in wenigen Sätzen beschreiben lassen würde, hätten wir diese Veranstaltung nicht gebraucht. An dieser Stelle nur so viel: Wichtige gesellschaftliche Veränderungen sorgen momentan dafür, dass das Reservoir, aus dem ehrenamtlich geführte Organisationen schöpfen, kleiner und anspruchsvoller zu erschließen sein wird. Darauf müssen Kultureinrichtungen reagieren, wenn sie überleben wollen. Und da es kaum möglich sein wird, dass Ehrenamtliche das allein und mit ihren geringen Ressourcen schaffen, bedarf es der Verbände, die dabei helfen. Das wollen wir vorantreiben und Gedankenanstöße geben, in welche Richtung sich eine solche Entwicklung bewegen könnte.

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