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3. Preis für das Weimarer Bläserquintett. Foto: Catherina Hess.
3. Preis für das Weimarer Bläserquintett. Foto: Catherina Hess.
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Münchens klingende Nachwuchsschau

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Ein großes Tor zur Karriere: Überraschungen im 55. ARD-Wettbewerb
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Wettbewerbe seien die Pforte zur Karriere, meinen die Veranstalter der weltweit über hundert großen Musikwettbewerbe, unter denen der von den deutschen Rundfunkanstalten getragene Internationale Wettbewerb in München sicher der bedeutendste und zweifellos der anspruchsvollste ist. Anspruchsvoll, wenn man die Interpretationsanforderungen und den von internationalen Jurygremien Jahr um Jahr steigenden Beurteilungsmaßstab zu Grunde legt. Ähnlich dem noch älteren Wettbewerb in Genf oder dem Prager Frühling öffnet sich dieser in München im Turnus nicht nur einem, sondern mehreren Solo- und zusätzlich gängigen Kammermusikfächern. Dass und mit welchen Kunstgriffen der Bayerische Rundfunk dieser allerdings abgeschmeckten Konzeption treu bleibt, ohne seinen Ruf zu verlieren, hat BR-Musikchef Axel Linstädt in seinem nmz-Interview (siehe nmz 9/06, S. 14) dargelegt.

Je mehr künstlerischer Nachwuchs aus aller Herren Länder um Publikumsgunst und Agenturverträge buhlt, desto wichtiger sind Wettbewerbe, in denen sich junge Musiker im Anschluss an ihre Ausbildung beweisen, auf sich aufmerksam machen können. Der Zu- und Auftritt beim diesjährigen ARD-Wettbewerb in München in den diesmal ausgeschriebenen Fächern Sologesang, Klavier und Bläserquintett gelang nicht einmal der Hälfte der ursprünglich fast 400 Bewerber aus 32 Ländern. Voraussetzung wardie Überwindung der Tonträger-Eingangssperre der Vorrunden. Denn bei steigender Konkurrenz wird zwangsläufig auch hier die Messlatte immer höher angelegt. Eine andere Hürde im diesjährigen ARD-Wettbewerb: die in den Zwischenrunden den Kandidaten auferlegten Uraufführungen der haarigen Auftragskompositionen, im Gesang Aribert Reimanns Vokalisen, für Klavier Manfred Trojahns Deux Préludes und für Bläserquintett Evis Sammoutis „Metallaxis“. Was wenige Wettbewerb so komfortabel bieten: bereits im Semifinale Soloauftritt mit Orchester. Kollegial stellte sich das Münchner Kammerorchester zur Verfügung.

Mit 26 Bewerbern überraschend groß die Zahl der Bläserquintette, denen sich nicht allzu oft ein solcher Leistungsvergleich anbietet, zuletzt in München vor 5 Jahren. 18 Ensembles aus 10 Ländern traten letztlich an, sechs aus Deutschland, drei aus Frankreich, mehrere international besetzt, allesamt mit frappierender Technik, origineller Registermischung, hoch trainierter Spielkultur sowie einem erstaunlich breitem internationalen Repertoire – das zeigt ein zunehmendes Reagieren auf kammermusikalische Hörervorlieben und das Interesse hochqualifizierter Musiker, sich neben Orchesterdiensten für Ensemblemusizieren selbst zu managen, so etwa das vitale internationale Quintett Chantily (2. Preis), dem auch das Publikum sein Votum gab. Das französische Quintett Aquilon positionierte sich mit seiner bestechend homogenen Klangpalette auf den ersten Platz, während das junge Weimarer Bläserquintett, vor drei Jahren noch Bundespreisträger bei „Jugend musiziert“, vor zwei Jahren Erster im Europäischen Wettbewerb der EMCY in Dubrovnik, in seiner musikantischen Frische mit dem 3. Preis ausgezeichnet wurde. Bis zum Semifinale hatten sich noch das junge deutsche Arirang-Quintett und das dänisch-norwegische Carion behauptet.

Von der diesjährigen Neuerung im ARD-Wettbewerb, die Sängergilde nach Oper und Konzert getrennt zu werten, profitieren die Liedinterpreten. Ihr Stimmcharakter erhält mehr Gewicht, gerechtere Würdigung. Das traf auf die locker jubilierende jugendlich-schöne Stimme der gebürtigen Chilenin Caroline Ullrich ebenso zu wie auf den reifen Konzertgesang der Rumänin Roxana Constantinescu (zwei 2. Preise) oder die beiden 3. Preisträger, Colin Balzer aus Kanada und Peter Schöne aus Deutschland – allesamt mit Ausbildungsphasen und Praxiserfahrung in Deutschland.

Kein Zweifel, dass die vier prämierten souverän auftretenden Opernrepräsentanten in Verbindung mit ihren bisherigen Bühnenerfahrungen bald weitere Engagements erwarten dürfen: vorne dran der Bariton Jun Mo Yang aus Korea, der sich auf der Bühne selbstbewusst darzustellen weiß, oder bescheidener der mit dem 2. Preis bedachte Bariton Joshua Hopkins aus Kanada sowie die beiden drittplazierten Sopranistinnen Anna Kasyan aus Georgien und Ilse Eerens aus Belgien. Bedenkens- und analysewert: Deutschland stellte die Hälfte der 22 Liedkandidaten, Korea die Hälfte der 12 Opern-Bewerbern, unter denen sich gar keine deutsche Stimme fand.

Klavier ist in München vielleicht nicht (mehr) die vorrangige Domäne für Tastenlöwen. Denn auf sie warten jedes Jahr allein europaweit mindestens weitere 20 Spezialwettbewerbe. Im zweiten Durchgang bemühte sich noch ein einziger deutscher Kandidat gegen die Dominanz des Nahen und Fernen Ostens. So teilte sich auch die sich besonders virtuos gebende Japanerin Hisako Kawamura ihren 2. Preis mit dem Publikumsliebling, der mit Mozart besonders sensibel umgehenden Armenierin Marianna Shirinyan – beide übrigens in Deutschland ausgebildet. Der erste Preisträger, der Amerikaner Ben Kim konnte in seiner künstlerische Persönlichkeit zumindest beim Abschlusskonzert mit Schumanns a-Moll-Konzert mit dem BR-Sinfonieorchesters unter Jonas Alber noch nicht so recht überzeugen.

Drei mit bis zu zehn Maestri international besetzte Jurygremien suchten die Würdigsten – quasi ein Service für Agenten, Orchester, Phonoproduzenten und Stifter von vielen Sonderpreisen. Sie alle können nun in hinreichender Weise fündig und karrierebildend aktiv werden. Im Dutzend warten Einladungen auf Preisträger. Jetzt müssen sie sich in der Konzertpraxis zu bewähren und dauerhaft ein Publikum zu gewinnen trachten. Der ARD-Wettbewerb und die deutschen Rundfunkanstalten wollen dazu die Türen öffnen, sagt Hörfunkdirektor Johannes Grotzky und kündigt den Wettbewerb 2007 in den Fächern Oboe, Posaune, Schlagzeug und Klaviertrio an.

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