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Musik, bei der dem Hörer „das Herz aufgeht“

Untertitel
„Komponisten in Bayern – Band 44: Heinrich Kaspar Schmid“ – von Klaus Obermayer
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Komponisten in Bayern – ihr habt es gut. Wo sonst werdet ihr und euer Werk so kompetent und liebevoll vorgestellt als in der von Prof. Dr. Alexander L. Suder herausgegebenen Monografienreihe „Komponisten in Bayern“. Berühmte, vergessene und beinahe vergessene Tonschöpfer stellen sich darin friedlich in einer Reihe vor. Und mit Band 44 der Reihe wird ein Komponist vorgestellt, der nicht nur aus Bayern stammt, sondern sich in seinem Werk voll Stolz auf die bayerischen Musiktraditionen stützt. Die Rede ist von Heinrich Kaspar Schmid. Und für diese Musikerpersönlichkeit hat der Herausgeber fachkundige Autoren gefunden, die mit großem Engagement dem Werk dieses fast vergessenen Komponisten zu einer Renaissance verhelfen könnten. Es sind dies die Hauptautoren Christoph Freymadl (Leben und Werk, Klavierwerk) und Walther Homolka (Aus der Korrespondenz), unterstützt von Wolfgang Sawodny (Kammermusikwerke), Franzpeter Messner (Lieder) und Katharina Larissa Paech (Orchesterwerke). Ergänzt wird das Buch durch ein umfangreiches Werk-, Diskographie- und Literaturverzeichnis und zahlreiche Fotos. Im Folgenden sind einige der Stationen aus Heinrich Kaspar Schmids Leben aus „seinem Buch“ wiedergegeben.

H einrich Kaspar Schmid wurde am 11. September 1874 in der Kleinstadt Landau a.d. Isar geboren. Im Herzen Niederbayerns zur Welt gekommen, wurde er ein durch und durch bayerischer Komponist, der seine Liebe zur bayerischen Heimat zeitlebens nie verlor. Der Stammbaum lässt sich bis ins Jahr 1560 zurückverfolgen. Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die musikalische Entwicklung von H.K. Schmid stellte zweifellos das elterliche Umfeld dar. Der Vater Heinrich Schmid war der geborene Musiker im Laienbereich und ein ausgesprochener Praktiker, die Mutter Barbara Schmid, Tochter des Seifensieders Piechler in Osterhofen – von ihrer Seite ergibt sich somit die Verwandtschaftsbeziehung zu seinem Cousin Prof. Arthur Piechler, einem ebenfalls bedeutenden bayerischen Komponisten und späteren Nachfolger Schmids als Leiter des Augsburger Konservatoriums – war ebenfalls sehr musikalisch und besaß eine schöne Altstimme. Die Mutter brachte dem Kind bereits im Alter von fünf Jahren ein kleines Klavierstück bei, drei Jahre später bekam es Gesangs- und Geigenunterricht. Auch die Orgel wollte der begabte Junge lernen, doch der Vater hielt ihn davor zurück, da seine Beine für das Pedal noch zu kurz waren. So kletterte der Bub selbst auf die Orgelbank, studierte eine alte Orgelschule des Vaters und übte so lange, bis er ein kleines Stück spielen konnte. Die außergewöhnliche Stimme des Knaben hörte der damalige Regensburger Domkapellmeister Ignaz Mitterer, der den Zehnjährigen nach bestandener Prüfung in die berühmten Regensburger Domspatzen aufnahm. Damit konnte dem Knaben eine höhere Schulbildung ermöglicht werden. Nach der Mutation musste er bei den Domspatzen ausscheiden und er kam für zwei weitere Gymnasialjahre nach Straubing. Dort hörte er das a-Moll Streichquartett von Schubert, dessen Musik sich immer mehr in den Vordergrund drängte, selbst vor Großmeistern wie Mozart und Beethoven. Schmid selbst wäre gerne wie sein Vater Volkschullehrer geworden. Ein „richtiges“ Musikstudium war nach den finanziellen Verhältnissen der Familie utopisch. Doch der Vater hielt nicht viel von diesem „Hungerleiderberuf“ und bestimmte ihn für den damals sehr aussichtsreichen Eisenbahnerdienst. Schmid befasste sich in dieser Zeit nebenher mit der Musik. Es entstanden einige Musikstücke, Lieder, kleine Chorsätze. In ruhigen Stunden seines Dienstes komponierte er, was sein Vorgesetzter bemerkte und eines Tages sagte: „Der Adjunkt Schmid treibt am Schalter höhere Musik, das treib’ ich ihm aus.“ Schmid nahm seinen Abschied.

Eigene Ersparnisse und eine Erbschaft ermöglichten es jetzt, nun doch Musik studieren zu können. Im Alter von 25 Jahren trat er in die Akademie der Tonkunst ein, wo er mit Hartnäckigkeit durchsetzte, dass er – gegen die Ordnung der Akademie – in Harmonielehre, Kontrapunkt und Komposition ausschließlich vom verehrten Prof. Ludwig Thuille selbst unterrichtet wurde. 1903 schied er mit glänzenden Zeugnissen aus. Es folgten Konzertreisen unter anderem mit Raoul Walter, Tenor an der Hofoper und Sohn von Gustav Walter, Wiens großem Liedersänger, nach Riga. Nach seinem Ausscheiden von der Akademie schloss sich eine dreimonatige Episode als Lehrer für Klavier und Theorie im Süden Europas am Odeon in Athen an. Wieder zurück in München ging er als Begleiter des berühmten Geigers Willy Burmester nach Österreich, Polen, Mähren und Ungarn. Eine zweite Konzertreise – wiederum von Burmester eingeladen – führte ihn dann unter anderem im September 1904 nach Finnland und Schweden. In Helsingfor schloss Schmid Freundschaft mit Jean Sibelius. Ab Herbst 1905 erfolgte die Berufung Schmids an die Akademie für Tonkunst als Lehrer für das Pflichtnebenfach Klavier. Am 20. September 1909 verheiratete sich der Künstler mit Maria Kleiter, geb. Stadelberger. Dieser Ehe entsprang eine Tochter, die bereits im Alter von zehn Jahren verstarb. Heinrich Kaspar Schmids Frau, die bereits einmal verheiratet war, brachte vier Kinder mit in die Ehe, darunter Uli Schmid, der ein bekannter Geiger wurde und von H.K. Schmid adoptiert wurde. 1914 kam Schmid als Hauptmann und Kompanieführer ins Feld.

Durch einen Sturz vom Pferde war die Brauchbarkeit einer Hand vorübergehend gefährdet. Dazu kam eine längere innere Krankheit, wodurch er für einige Zeit in die Heimat zurückkehren konnte. So entstand selbst während des Krieges unter anderem das Streichquartett G-Dur sowie auf dem Rückzug in Tournai die Sonate a-Moll für Violine und Klavier op. 27. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges setzte Schmid seine Lehrtätigkeit an der Akademie in München fort, wo er 1919 einen Lehrauftrag als außerordentlicher Professor erhielt. In dieser Zeit entstanden einige seiner bis heute populärsten Werke: Lieder, das Klaviertrio d-Moll op. 35, das Bläserquintett B-Dur op. 28 sowie zahlreiche Klavierstücke, wie die Bayerischen Ländler. 1921 bewarb sich Schmid um die Leitung des Karlsruher Konservatoriums, zu der er bald darauf ernannt wurde. Nach drei Jahren erfolgreicher Arbeit kehrte Schmid wieder in sein geliebtes Bayern zurück. Im Jahre 1924 übernahm er die Leitung der damaligen städtischen Musikschule Augsburg, die jedoch bald zum Konservatorium erhoben werden sollte. Auch hier in Augsburg übernahm Schmid nebenher einen Laienchor, den „Augsburger Oratorienverein“ (heute: Philharmonischer Chor Augsburg). Nachfolger am Dirigentenpult sowie als Leiter des Konservatoriums wurde sein Vetter Arthur Piechler, der bereits in München bei H.K. Schmid studiert hatte. Aufgrund eingeengter und hemmender Verhältnisse durch die Kontrolle der Stadt Augsburg und weil er sich an seinem Ruhesitz Geiselbullach ohne andere Belastungen ganz der Komposition von neuen Werken widmen wollte, gab er seine Position in Augsburg auf.

Viele Schüler, die ihn sehr verehrten, wie der Pianist Prof. Karl Kottermaier, folgten ihm in sein neues Zuhause nach Geiselbullach bei München, wo er die letzten 20 Jahre seines Lebens verbrachte. Zahlreiche Konzerte mit Werken H.K. Schmids fanden statt, teils unter Mitwirkung des Komponisten und namhafter Interpreten in München, Karlsruhe und Augsburg, zum Teil mit Mitgliedern der Münchner Philharmoniker und des Staatstheater-Orchesters, unter anderem im Herkulessaal der Münchner Residenz. Auch im Rundfunk wurden seine Werke gebracht, so beispielswei-se zum 60. Geburtstag 1934 unter der Mitwirkung seines Sohnes Uli Schmid und der Pianistin Rosl Schmid. Eine Reihe großer Werke entstand in dieser Zeit, so zum Beispiel Klavierlieder, Männerchöre, die Turmmusik, die beiden Trios, die Bratschensonate, ein Konzert für Violoncello und Orchester. Von diesen Alterswerken ist besonders die große Sinfonie in d-Moll op. 115 hervorzuheben. Sie ist das Fazit einer kompositorischen Lebenserfahrung sowie ein spätes Bekenntnis zu der großen klassischen Form und wurde im ersten Sonderkonzert der Münchner Philharmoniker unter GMD Hans Rosbaud in der Aula der Universität in München 1946 uraufgeführt. 1949 wurde Schmid Ehrenbürger der Gemeinde Olching und Landau a.d. Isar. Im fortgeschrittenen Alter ließ die Sehkraft H.K. Schmids erheblich nach, was auch das Komponieren beeinflusste. So entstand sein letztes im Werkverzeichnis genanntes Werk op. 120 „An eine Nachtigall“ für Sopran, Flöte und Klavier (verschollen) bereits 1947, obwohl das früher begonnene Violinkonzert op. 119 erst im Jahre 1949 vollendet wurde. Dazu beeinträchtigte ihn ein plötzlicher Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung sehr. Fast sehnte er den Tod herbei. Von einer Nierenerkrankung konnte er sich nicht mehr erholen und verstarb am 8. Januar 1953 im Krankenhaus rechts der Isar in München. Die Beerdigung fand am Münchner Westfriedhof statt. H.K. Schmid hat auch einmal gesagt, das Beste, was ein Musiker zu geben vermöge, sei nicht von, sondern aus ihm. Musik in dieser Art hat Schmid viel geschaffen, Musik, bei der dem Hörer im wahrsten Sinn des Wortes „das Herz aufgeht“.

Komponisten in Bayern – Band 44 Heinrich Kaspar Schmid, Verlag Hans Schneider, Tutzing 2004, € 12,50 ISBN 3 7952 1165 4 – Begleit-CD mit Werken des Komponisten, € 15.- bei Landesverband Bayerischer Tonkünstler im DTKV

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