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Neue Partituren

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Nikolaus Brass (*1949): Klaviertrio Nr. 2 (2015/rev. 2016 & 2019) | David Gorton (*1978): Melting Forms (2005) für Klaviertrio | Cristóbal Halffter (1930-2021): Adagio (2017) für drei Violoncelli | Gordon Kampe (*1976): fresh and edgy (2019) für Klaviertrio (mit Fahrradschlauch) | Markus Roth (*1968): Canzonetta sopra mi-fa (2019). Fassung für Streichtrio

Nikolaus Brass (*1949): Klaviertrio Nr. 2 (2015/rev. 2016 & 2019), gesprochene Partien (Mikrophonverstärkung ad lib.) Verlag Neue Musik Berlin NM 2973 (Partitur, drei Schiebeblatt-Spielpartituren)

Stilrichtung, allg. Charakter

Musikalischer Existenzialismus starker Expressivität. Von Seufzermotiven und unstetem Rezitativ ausgehend durchzogen von schmerzhaft dissonanten Entladungen, trügerischen Idyllen, ziellosem Umherirren. Durch Vierteltönigkeit, subtile Cluster- und Geräuschtechniken erweiterte Chromatik.

Form, Struktur

Zwei Sätze mit komplexem Formverlauf (I. Introduktion – Largo appassionato – Andante – Presto; II. Allegro senza scopo – Epilog. Andante). Im weitgehend disparaten Satzbild bleiben die wenigen Durchbruchsversuche zu mehr Klarheit und Melos (Choral, Lied) vor allem dem Klavier anvertraut.

Notation, Dauer, Schwierigkeit

Herkömmliche Partitur (metrisch unkoordinierte Passagen zu Beginn), Klavierpart auf bis zu fünf Systemen

Dauer: ca. 23 min.

sehr schwer

Kommentar

Gesprochene bzw. mitgedachte Texte von Danilo Kiš (1935-1989) und Erich Prunč (1941-2018) künden von einer Haltung gefasster Todeserwartung, hier unterfangen von einer Musik, die mit existenzieller Wucht die seelischen Bedrängnisse und Krisen eines langen Lebenswegs evoziert.

David Gorton (*1978): Melting Forms (2005) für Klaviertrio
Verlag Neue Musik Berlin NM 2894 (Partitur und Stimmensatz, Klammerbindung)

Stilrichtung, allg. Charakter

Gestisch-diskursiver Stil in freier Zwölftönigkeit, die um die Naturintervalle der Streicherflageoletts angereichert wird. Gegen die Nervosität vielgestaltiger Figurationen (virtuose Sprungbogentechnik erforderlich!) setzen sich immer breiter und kraftvoller melodische Aufwärtsbewegungen durch.

Form, Struktur

Einsätzige Form in zwei Teilen (I. Aggressive or fragile; II. Distant or focused) mit ausgewogener Abfolge von Solo-, Tutti- und verschiedenen Duopartien. Fein austarierte Relationen und Wechsel zwischen figurativen, homo- und polyphonen, spieltechnisch jeweils individuell gefärbten Texturen.

Notation, Dauer, Schwierigkeit

Herkömmliche Partiturform

Dauer: ca. 13 min.

sehr schwer

Kommentar

Textural und expressiv polyvalente Musik, bei der Klangfarben, Tonhöhen und -dauern präzis (und prägnant!) fixiert sind, zu Dynamik, Stimmgewichtung, Ausdruckswerten aber alternative Lesarten offeriert werden, womit von den Spielern eine zusätzliche Dimension von Musikalität gefordert ist.

Cristóbal Halffter (1930-2021): Adagio (2017) für drei Violoncelli

Universal Edition Wien UE 37216 (Studienpartitur gebunden) UE 38210 (Spielpartituren, Einzelblätter)

Stilrichtung, allg. Charakter

Expressiver, dissonanter Stil. Aus der Tiefe anhebender und dorthin zurückkehrender polyphoner Klagegesang, der durch starke dynamische Kontraste, viele Rubati, überraschende Texturwechsel und in toto an- und abschwellender Tempokurve hohe Intensität erlangt. Spieltechnisch traditionell.

Form, Struktur

Einsätzige Bogenform mit vier Abschnitten plus Epilog. Die melodisch und rhythmisch weitgehend unabhängige Stimmführung ist dabei abwechselnd verschiedenen Arten und Graden parametrischer Koordination unterworfen (Orientierung im Tonraum, Homo- oder Heterophonie, Unisono, etc.).

Notation, Dauer, Schwierigkeit

Herkömmliche Notation, wobei die metrische Koordination für zwei polytempische Episoden aufgehoben wird.

Dauer: ca. 7 min.

mittelschwer

Kommentar

„Als ob sie zerbrechen“ bezeichnet der im Mai verstorbene, bis ins hohe Alter hochproduktive Spanier eine Stelle seines späten Trios. Doch die Musik geht weiter: eigensinnig, tiefernst, impulsiv – ganz gemäß seinen Lebensthemen: dem Aufbegehren, der Rebellion, der Elegie und der Klage.

Gordon Kampe (*1976): fresh and edgy (2019) für Klaviertrio (mit Fahrradschlauch)

Edition Juliane Klein Berlin EJK 1036 (Spielpartitur)

Stilrichtung, allg. Charakter

Harmonisch scharfkantige, ins Absurde überdrehende Spielmusik, die die Interpreten zu wahren Bewegungsexzessen und totaler Verausgabung antreibt, wobei das Ideal kultivierter Klangarbeit immer wieder von bewusst unsauberem („ungelenkigem“, „kaputtem“ usw.) Spiel verdrängt wird.

Form, Struktur

Patchworkartig gebauter Einsätzer, dessen lautes, turbulentes Gepräge mittig durch leise Passagen aufgebrochen wird. Kleinschrittige Diastematik innerhalb stabiler/mäandernder Intervallkorridore und leere Oktavschläge prägen die Musik. Extremer Überhitzung folgt ruhiger akkordischer Epilog.

Notation, Dauer, Schwierigkeit

Traditionelle Partiturform (leider fehlen Taktzahlen), für extreme Register mitunter approximative Tonhöhennotation

Dauer: ca. 10 min.

schwer

Kommentar

Die klassische Gattung wird auch klassisch bedient: Vorwiegend der Gestik virtuoser Spielfiguren und motorischer Bewegung abgerungene Musik, der das subtile Austarieren disparater Klangwelten von Klavier und Streichern herzlich egal ist. Erfrischend, kantig, aber auch etwas effekthascherisch.

Markus Roth (*1968): Canzonetta sopra mi-fa (2019). Fassung für Streichtrio

edition 13 oder14 Karlsruhe E18 XLII (Spielpartitur)

Stilrichtung, allg. Charakter              

Eine zugleich geschichtsträchtige wie innovative Ars subtilior unserer Zeit, bei der ausgehend von der enharmonischen Diesis (etwa ein Fünftelton) anhand kleinster Intervalle musikalisch sinnfällige Strukturen entstehen, die mit größter artikulatorischer Bandbreite und Akkuratesse umzusetzen sind.

Form, Struktur

Als großes, kontinuierliches Ritardando (Viertel = 41 bis 5,6) angelegte Variationenfolge über die von der Viola obstinat wiederholte, immer wieder neu kontextualisierte Diesis. Die rasche Abfolge ziselierter Klangminiaturen weicht sukzessiv längeren texturalen und gestischen Zusammenhängen.

Notation, Dauer, Schwierigkeit

Traditionelle Partiturform (Sonderzeichen für erweiterte Spieltechniken, Erläuterungen zur Tonhöhengestaltung)

Dauer: ca. 6 min.

sehr schwer

Kommentar

Kompositorisch faszinierender Zoom auf die musikalischen Möglichkeiten kleinster Übergänge im  Rahmen alternativer Tonordnungen, hier das erweitert mitteltönige Stimmungssystem mit 31 Stufen pro Oktave von Nicola Vicentino (1511-ca.1575), wie Roth heute Komponist und Musiktheoretiker. 

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