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Nuancen und Perfektion im Zusammenspiel

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Münchner Mozart Flötentag am 29. April 2006
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Als Beitrag zum Mozart-Jahr, der sich ganz der Flöte widmete, fand am 29. April 2006 der Münchner Mozart Flötentag statt. Die vom Landesverband Bayerischer Tonkünstler e.V. in Zusammenarbeit mit dem Richard-Strauss-Konservatorium München und der Deutschen Gesellschaft für Flöte durchgeführte Veranstaltung bot Gelegenheit, sich mit Mozart und seinen Flötenwerken in vielfältiger Form zu beschäftigen und Neues in vertrauter Musik zu entdecken. Als Dozenten und Interpreten wirkten die Soloflötisten der großen Münchner Orchester – Philippe Boucly (Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks), Michael Martin Kofler (Münchner Philharmoniker) und Henrik Wiese (Bayerisches Staatsorchester).

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Dr. Dirk Hewig, Erster Vorsitzender des Landesverbands Bayerischer Tonkünstler und Präsident der Deutschen Mozartgesellschaft, und dem Münchner Flötenensemble – „Vom Piccolo zur Kontrabassflöte“ – unter der Leitung von Elisabeth Weinzierl und Edmund Wächter. Neben den bekannten Arrangements der Ouvertüre zur „Zauberflöte“ und der „Kleinen Nachtmusik“ war Wilfried Hillers „Aus dem Notenbüchlein für Tamino“ für acht Flöten in Anwesenheit des Komponisten zu hören. In den Meisterklassen von Philippe Boucly und Michael Martin Kofler erarbeiteten jeweils drei Studierende Ausschnitte aus den Flötenkonzerten in D-Dur und in G-Dur. Sowohl für die aktiven als auch für die passiven Teilnehmer wurde deutlich, dass nicht allein flötistische Perfektion eine gelungene Interpretation ausmacht. Entscheidend ist immer auch, die Musik auf eine ganz persönliche Art und Weise darzustellen und dem Zuhörer das Gefühl zu vermitteln, eine gerade neu entdeckte Komposition präsentiert zu bekommen. Nicht nur bei der Interpretation der Konzerte, sondern auch bei der Methodik ihrer Erarbeitung setzten Boucly und Kofler ganz verschiedene Akzente: Hier stand das Flötistische, dort das Musikantische im Vordergrund, der eine vermittelte seine Vorstellung von der Musik primär durch sein inspirierendes Vorspiel, der andere über Erklärungen, Bilder und über eine temperamentvolle Körpersprache.

Henrik Wiese regte in seiner Meis-terklasse zur Komposition eigener Kadenzen zu den Mozart’schen Flötenkonzerten an. Auf der Grundlage der von den Teilnehmerinnen vorbereiteten Kadenzen wurde eine möglichst eng an den Stil Mozarts angelehnte Kadenz erarbeitet. Da von Mozart keine Kadenzen zu den Flötenkonzerten vorliegen, die als Vorbild dienen könnten, empfiehlt Wiese, Mozarts Kadenzen zu den Klavierkonzerten als Anregung für die Gestaltung von Flöten-Kadenzen zu studieren. Als Mozart-Spezialist stellte Henrik Wiese auch die Ergebnisse seiner Untersuchungen zur Quellenlage des Flötenquartetts in C-Dur KV 285b vor. Im Mittelpunkt steht dabei eine bisher unbeachtete Quelle – eine Stimmenabschrift des Flötenquartetts, die sich jetzt wieder im Archiv der Sing-Akademie zu Berlin befindet. In einem Vergleich mit dem Erstdruck aus dem Jahr 1788, mit einer autographen Niederschrift, die einen kurzen Ausschnitt aus dem ersten Satz des Quartetts umfasst, und mit dem Variationssatz der „Gran Partita“ KV 361 zeigte Wiese, dass diese neue Quelle unabhängig vom Erstdruck entstanden sein muss. Aufgrund übereinstimmender Fehler ist zu vermuten, dass sowohl Stimmenabschrift als auch Erstdruck nicht unmittelbar auf die autographe Vorlage, sondern auf eine gemeinsame, heute unbekannte Quelle zurückgehen.

Gegenstand eines weiteren Referats war die Ausführung von Vorschlägen in Mozarts Werken. Prof. Dr. Günther von Noé, Autor des für den praktischen Gebrauch sehr nützlichen Buchs „Der Vorschlag“ (Doblinger), erläuterte anhand zahlreicher Beispiele, wie der notierte Vorschlag in Musik umgesetzt werden kann. Im Workshop „Mozart-Miniaturen – Historische und neue Mozart-Bearbeitungen im Flötenunterricht“ stellten Elisabeth Weinzierl und Edmund Wächter Arrangements von Mozart-Werken vor, die sich für die Erarbeitung mit Schülern im Unterricht anbieten. Ihre Berechtigung haben Bearbeitungen von Mozart-Kompositionen, da Mozart nur wenige Originalwerke für die Flöte komponiert hat; diese wiederum können erst mit weit fortgeschrittenen Schülern gespielt werden. Mozarts Musik fördert bei Lernenden außerdem optimal ein Gefühl für Form und Phrasierung, und als Komponist hat Mozart bei Jugendlichen ein sehr hohes Motivationspotential.

Höhepunkt der gelungenen Veranstaltung war das Abschlusskonzert, in dem Philippe Boucly, Michael Martin Kofler, Henrik Wiese und Mitglieder des Münchner Rodin-Quartetts mit Mozart-Flötenquartetten, dem Divertimento KV 136 und einer Bearbeitung des Oboenquartetts F-Dur sowie mit je einem Quartett von Joseph Haydn und von Saverio Mercadante begeisterten. Wie in den Meisterklassen faszinierte auch im Konzert jeder Flötist auf ganz eigene Weise – der eine edel, elegant, „französisch“, der andere gestaltete musikalische Dialoge mit viel Temperament und Virtuosität, das Spiel des dritten zeichnete sich aus durch Farbigkeit, gestalterische Nuancen und Perfektion im Zusammenspiel.

Abgerundet wurde der Flötentag durch die Verkaufsausstellung der Musikalienhandlungen Bauer & Hieber und Notenpunkt und der Münchner Flötenbauer Stefan Brandl, Michael Haber, Rüdiger Kirpal und Haruo Uesawa, die jeweils auch die neuesten Flötenmodelle von Herstellern wie Nagahara, Pearl Handmade, Powell, Überreiter und Sankyo präsentierten.

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