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Nun müssen den Absichtserklärungen Taten folgen

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Kommunale Arbeitstagung des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen
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Flotte Rhythmen, intoniert auf Waschbrett, Gitarre und Klavier, markierten den Beginn der Kommunalen Arbeitstagung „Musik braucht Qualität – im ganzen Land. Sing- und Musikschulen: Ein öffentlicher Auftrag“. Knapp 200 Repräsentanten der Gemeinden, Städte und Landkreise hatten sich in der Kreismusikschule Erding versammelt, um die politische Standortbestimmung und Willensbildung zum Thema Musikschulen in Bayern voranzutreiben. Landrat Hanns Dorfner aus Passau, Präsident des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen, hatte zu dieser besonderen Tagung eingeladen.

Flotte Rhythmen, intoniert auf Waschbrett, Gitarre und Klavier, markierten den Beginn der Kommunalen Arbeitstagung „Musik braucht Qualität – im ganzen Land. Sing- und Musikschulen: Ein öffentlicher Auftrag“. Knapp 200 Repräsentanten der Gemeinden, Städte und Landkreise hatten sich in der Kreismusikschule Erding versammelt, um die politische Standortbestimmung und Willensbildung zum Thema Musikschulen in Bayern voranzutreiben. Landrat Hanns Dorfner aus Passau, Präsident des Verbandes Bayerischer Sing- und Musikschulen, hatte zu dieser besonderen Tagung eingeladen.Es referierten am Vormittag der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Hans Zehetmair, der Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, Prof. Dr. Holger Magel, und aus Oberösterreich Landeshauptmann a.D. Dr. Josef Ratzenböck. Am Nachmittag diskutierte man unter Leitung des Initiators der Tagung, Landrat Hanns Dorfner, mit so hochkarätigen Persönlichkeiten wie den Präsidenten der drei bayerischen kommunalen Spitzenverbände, Josef Deimer, Städtetag, Heribert Thallmair, Gemeindetag, und Theo Zellner, Landkreistag. Der Landtag war durch Petra Guttenberger (CSU) und Dr. Hildegard Kronawitter (SPD) vertreten, die Elternschaft durch Heidi Sperber, Vorsitzende der Landeselternvereinigung Bayerischer Musikschulen e.V.

Staatsminister Hans Zehetmair, der seinerzeit die Kreismusikschule Erding ins Leben gerufen hat, zitierte in seinem Vortrag einschlägige Forschungen, die die positiven Wirkungen des Musizierens auf Intelligenz, Kreativität und soziales Verhalten beweisen, und forderte, man müsse „sich nach bes-ten Kräften dafür einsetzen, dass noch viel mehr Menschen zur Musik finden, und das möglichst früh.“ Angesichts des Auftrags, der in der Bayerischen Verfassung in Art. 140 festgeschrieben ist („Kunst und Wissenschaft sind von Staat und Gemeinde zu fördern“), sei die Frage, ob die örtliche Kulturpflege eine „Pflichtaufgabe“ oder eine „freiwillige Leistung“ sei, nachrangig oder nur akademisch. Die heiklen Punkte im bayerischen Musikschulwesen sind laut Zehetmair:

erstens die weitere Entwicklung des Musikschulwesens in seiner Breite; zweitens die falsche Forderung nach Privatisierung; drittens die zunehmend schwierige Finanzierung sowie viertens der Ausbau von Ganztagsschulen, der nicht auf Kosten der Musikschulen gehen darf.

Prof. Dr. Holger Magel, Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum, referierte das Konzept der Aktiven Bürgergesellschaft, nach dem der einzelne Mensch Verantwortung übernehmen soll für sich, für das Gemeinwesen und damit auch für die Zukunft.

Musikerziehung spiele eine entscheidende Rolle dabei, dass sich der einzelne Mensch in seiner Lebensumgebung verwurzele und in der Folge dann auch bereit sei, diese mit zu gestalten. Denn die Ausrichtung der Menschen werde sich von den materiellen Werten eines hohen Lebensstandards immer mehr hin zu emotionalen Qualitäten verschieben, die Fragen nach dem Lebenssinn würden mehr Bedeutung erlangen. Eine Gesellschaft ohne Kultur sei seelenlos und werde den Anforderungen der Zukunft nicht gewachsen sein, da ein stabiles Wertesystem fehle. Da „sein Dorf dem Bürger näher ist als der Staat“ (Roman Herzog), biete der Staat nach dem Subsidiaritätsprinzip Hilfe zur Selbsthilfe. Kulturarbeit sei in diesem Sinne „Beheimatungsarbeit“, und infolgedessen habe sie eine übergeordnete Bedeutung. Genau hier arbeiteten die Musikschulen mit großem Engagement und gestalteten so in vorbildlicher Weise die Gesellschaft der Zukunft mit. Interessante Zahlen referierte Landeshauptmann a.D. Dr. Josef Ratzenböck aus Oberösterreich. Mittels eines Musikschulgesetzes sei es gelungen, innerhalb von gut 20 Jahren eine blühende Musikschullandschaft aufzubauen, in der heute fast vier Prozent der Bevölkerung unterrichtet würden, in Deutschland seien es 1,1 Prozent, ebenso in Bayern. Das Land Oberösterreich trage die Personalkosten, die Kommunen stellten die Räume und die Ausstattung.

In der Podiumsdiskussion kamen die Eltern, die in Bayern rund 43 Prozent der Kosten tragen, durch die Vorsitzende der Landeselternvereinigung Bayerischer Musikschulen e.V., Heidi Sperber, zu Wort. Sie wies auf die positive Arbeit der Musikschulen hin, legte aber auch den Finger auf wunde Punkte. Hohe Kosten hielten viele Eltern davon ab, die Kinder in die Musikschule zu geben, ebenso die teilweise sehr hohen Auswärtigenzuschläge, deshalb sollte der Staatszuschuss unbedingt auf 25 Prozent erhöht und das Angebot flächende-ckend in ganz Bayern eingerichtet werden.

Der Präsident des Bayerischen Gemeindetages, Heribert Thallmair, gab ein Bekenntnis zur „Quasi-Pflichtaufgabe“ der Gemeinden ab, eine Musikschule zu betreiben und forderte bei der Finanzierung eine Kostenaufteilung zwischen Staat (Personal) und Kommune (Sachaufwand).
Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetages, Josef Deimer will die Musikschulen als Erziehungsaufgabe verankert wissen, damit das bayerische Musikschulsystem nicht gefährdet werde durch Anpassungstendenzen in der EU. Er riet aber davon ab, ein Musikschulgesetz zu erlassen.

Der Präsident des Bayerischen Landkreistages, Theo Zellner, sieht eine wichtige Aufgabe der Musikschulen darin, eine emotionale Bildung aufzubauen, die es jungen Menschen ermögliche, Gefahren wie etwa des Drogenmissbrauchs zu widerstehen. Insofern sei Musikschularbeit eine staatliche Aufgabe.

Die Landtagsabgeordnete der CSU, Petra Guttenberger, regte ein Musikschulgesetz an. Die Landtagsabgeordnete der SPD, Dr. Hildegard Kronawitter, forderte die Spitzenverbände zu mehr politischer Aktivität auf, um dadurch weitere Unterstützung geben zu können. Auch sie forderte die Diskussion um ein Musikschulgesetz.

Die Sorgen der Bürgermeister artikulierten sich in zahlreichen Wortmeldungen aus dem Plenum. Eine bessere kommunale Zusammenarbeit müsse dringend angestrebt werden, da sonst die Schüler „in der Luft hängen“. Der Freistaat wurde aufgefordert, er möge den Lippenbekenntnissen endlich Taten folgen lassen und die Bezuschussung auf 25 Prozent anheben. Da dies den Haushalt nur im Promillebereich belaste, sei dies reine Willenssache. Sorge macht den Bürgermeistern, dass die kommunale Musikschulbezuschussung zu den „freiwilligen Leistungen“ gehört und somit in Krisensituationen disponibel sei. Die Einführung der Ganztagsschule bereitet ebenfalls Sorge, da einerseits der von den Musikschulen erteilte Unterricht im Nachmittagsbereich nicht zu Las-ten der Kommunen gehen dürfe und andererseits die Schulen nicht ihrer Pflichtaufgabe „Musikunterricht“ enthoben werden dürften. Man wird die Ergebnisse der Unterrichtsversuche der acht Musikschulen in öffentlichen Schulen abwarten müssen.

Landrat Hanns Dorfner fasste die Ergebnisse der Tagung zusammen. Demnach sind die Musikschulen eine öffentliche Bildungsaufgabe, verankert in der Bayerischen Verfassung, geführt in kommunaler Basisverantwortung. Die Spitzenverbände stehen mit Überzeugung zu den Musikschulen und fordern die staatliche Mitverantwortung in Höhe von 25 Prozent der Lehrpersonalausgaben. Die Umlandversorgung muss durch vernetzte Systeme verbessert werden, auch in den bisher nicht erfassten Gemeinden muss ein finanziell für die Eltern tragbares Angebot geschaffen werden. Im allgemeinen Bildungswesen müssen die Musikschulen eine klar definierte Stellung bekommen, sowohl hinsichtlich gesamteuropäischer Entwicklungen als auch in Bezug auf die entstehende Ganztagsschule. Landrat Dorfner hofft, dass von der Tagung eine Signalwirkung für die weitere Entwicklung der Musikschulen ausgeht. „Ich möchte“, so schloss er die erfolgreiche Tagung mit einem deutlichen Blick auf den Freistaat, „nicht noch einmal zehn Jahre warten, bis sich in der Finanzierung etwas verbessert.“

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