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Oft nur guter Wille nötig

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Bürokratisierung behindert Orchester – BDMV fordert Reduzierung der Regelungsdichte
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Bürokratische Regelungen belasten besonders die Verantwortlichen bei kleineren Musikvereinen und Orchestern. Ehrenamtliche Vorstände müssen sich in zahlreichen Rechtsgebieten auskennen. Die Musik tritt dabei oft genug in den Hintergrund. Dabei liegen Vorschläge zur Verwaltungsvereinfachung für Vereine seit langem auf dem Tisch.

„Steuerangelegenheiten sind für uns nur unter Mithilfe eines Steuerberaters zu bewältigen“, klagt Stefan Ehrhardt, Vorstandsmitglied beim Musikverein Alfdorf. Wie dieser Verein aus Ostwürttemberg haben viele Musikvereine und Orchester in Deutschland mit der Bürokratie zu kämpfen. Vereinsvorstände müssen heute über profunde Kenntnisse auf den Gebieten des Haftungs- und Jugendschutzrechts, des Sozialversicherungs- und Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Vereinssteuer- und Urheberrechts verfügen. Daneben müssen sie auch über Satzungsfragen, Haushaltsordnungen und Vorschriften für Feste Bescheid wissen. Die musikalische Betätigung tritt dabei manchmal in den Hintergrund.

In Alfdorf sind alle Vorstandsmitglieder aktive Musiker, doch hauptsächlich kümmern sich Ehrhardt und seine vier Vorstandskollegen um Fragen der Organisation, Kommunikation, Planung und Steuerung.

Insgesamt hat der Musikverein Alfdorf über 100 aktive Musiker in zwei Orchestern und über 300 fördernde Mitglieder. Außerdem betreibt er eine Musikschule, in der rund 300 Kinder und Jugendliche ausgebildet werden. Für die Vorstände und die kleine Geschäftsstelle des Vereins fällt da eine Menge Arbeit an. Um diese zu reduzieren und den Fokus wieder mehr auf die Musik zu lenken, hat die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände (BDMV), der über 18.000 Orchester in Deutschland angehören, einen umfangreichen Forderungskatalog an die Politik gestellt.

„Ehrenamtlich geführte Institutionen haben zunehmend mit der steigenden Regelungsdichte zu kämpfen. Viele Menschen werden abgeschreckt, sich für die Gemeinschaft zu engagieren“, so Stefan Liebing, Generalsekretär der BDMV. Deshalb tritt der Verband dafür ein, dass für kleinere Vereine zur Erlangung der Gemeinnützigkeit vereinfachte Regelungen getroffen werden, um einen kleinen Förderverein nicht auf eine Stufe mit dem ADAC oder dem Roten Kreuz zu stellen. Daneben fordert die BDMV, für gemeinnützige Vereine eine vereinfachte Steuererklärung auf lediglich einer Formularseite einzuführen. Sie soll in Einnahmen und Ausgaben gegliedert sein und bei beiden Haushaltspositionen die wirtschaftliche Tätigkeit separat ausweisen.

Die Haftungsregeln für Vereinsvorsitzende sollen eingeschränkt werden, „denn es ist widersinnig, wenn Ehrenamtliche inzwischen spezielle Haftpflichtversicherungen abschließen und auch noch dafür bezahlen müssen, um sich für eine gemeinnützige Aufgabe einsetzen zu dürfen“. Außerdem sollen Mitgliedsbeiträge künftig als steuerabzugsfähige Spenden anerkannt werden, um mehr Unabhängigkeit von öffentlichen Geldgebern zu erreichen und der Freibetrag für Aufwandsentschädigungen für Dirigenten und Musiklehrer, die so genannte Übungsleiterpauschale, erhöht werden. Auch eine Verschlankung des Zuwendungsrechts wird angemahnt.

Ins gleiche Horn stößt auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. „Von einem Abbau an Bürokratie könnten Vereine und bürgerschaftlich Engagierte profitieren.“

Zwar müsse ein wirtschaftlich tätiger Verein damit leben, aus Sicht des Rechts mit denselben Maßstäben gemessen zu werden wie ein Unternehmen, das schließe aber nicht aus, generell über Vereinfachungen des bürokratischen Systems nachzudenken. Auch Zimmermann fordert Veränderungen im Gemeinnützigkeits- und Vereinfachungen im Steuerrecht ein. Dort soll beispielsweise ein steuermindernder Transfer von erwirtschafteten Mitteln aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in die ideelle Vereinssphäre möglich sein. Auf eine Abgabe einer Körperschafts- oder Gewerbesteuererklärung solle bei Geringfügigkeit verzichtet werden können. Da manche Vorschläge zu Einnahmeausfällen bei der ohnehin klammen öffentlichen Hand führen könnten, schlägt Zimmermann vor, zumindest „das umzusetzen, was nichts kostet“. Wie die Verringerung des Haftungsrisikos für Ehrenamtliche.

Bis es zu einer spürbaren Verwaltungsvereinfachung bei Vereinen kommt, seien aber noch viele dicke Bretter zu bohren. Doch dann könnten sich Vereine wie der Musikverein in Alfdorf wieder mehr auf die Musik und die Ausbildung des Nachwuchses konzentrieren.

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