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Sven Ferchow. Foto: Sven Ferchow
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#radiosenderabschaffen

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Ferchows Fenstersturz 2021/04
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Warum? Niemand braucht ADHS-Trupps im Radio, die einem ab fünf Uhr früh die Welt mit der Humorkeule erklären und sich „Frühaufdreher“ nennen (da hat Marc-André vom Marketing wieder mal ganze Arbeit geleistet). Was man noch nicht braucht: die ewige Rotation der gleichen 100 Songs. Lassen Sie sich mal über Deutschland aus einem Flugzeug werfen und schalten dort, wo Sie einschlagen, das Radio ein. Sicher jault Ihnen sofort Mike & The Mechanics mit „Word of Mouth“ in die Löffel: „From the Westside to the Eastside“… und alle Muttis singen mit. Ups. Gender-Check. Auch die Vatis singen mit. Ich schwöre. Das ist in ganz Deutschland so. Bei diesem Song ist die Entwicklung des deutschen Popradios stehen geblieben. Kotzsmiley.

Nun, der Bayerische Rundfunk (BR) will das ändern und gönnt sich auf Bayern 3 ein vorsichtig-freshes Gegenprogramm: „Matuschke – der etwas andere Abend“. Moderiert von Matthias Matuschik. Laut BR „ist es Charakter der Sendung und des Moderators, seine Meinung klar, offen und ungeschminkt zu äußern“. Sie ahnen es. Ging schief. Matuschik entgleitet die Erneuerung.

Zum einen, indem er die Boyband BTS beleidigt (auch rassistisch), weil die den Song „Fix you“ der britischen Operetten-Band Coldplay covert. Zum anderen, weil sich der Moderator – jetzt wird es richtig schmutzig – als Coldplay-Fan outet. Früher hätten wir ihn für diesen Musikgeschmack übrigens mit dem Fahrrad durch den Brennnessel-Berg geschubst. Dazu später mehr. Was er über BTS gesagt hat? Nun, er beschimpft BTS als – seien Sie jetzt bitte maximal empört – „Pisser“! Ups. Hat er das wirklich im Radio gesagt? Nice eigentlich. Dann wird es geschmacklos. Matuschik kann sich den Kalauer nicht schenken, die Boyband mit dem Corona-Virus zu vergleichen. BTS kommen aus Asien, Sie verstehen? Kann man so nicht machen. Ergebnis: Der BR wird mit Beschwerdemails geflutet, der Moderator erhält Drohungen, beide müssen schriftlich nach Canossa. Hippes Radio ist anders.

Allerdings, liebe BTS-Fans, das Empörungslevel ist echt übertrieben. Rassismus geht nicht, klar. Aber „Pisser“ muss man abkönnen. Oder seid ihr auch so „Mimimi“-Kids? Abi zu schwer? Papis Anwalt hilft. Mutti beleidigt? Anzeige ist raus. Kritik an der Lieblingsband? Shitstorm.

In eurem Alter, liebe BTS-ler wurden wir für unseren Musikgeschmack (siehe Brennnesseln) permanent entrechtet. „Wie, du hörst Depeche Mode? Bist du schwul oder was?“ Gesteigert von der Beschimpfung „Homo“, wenn man mit einer Human-League-Platte erwischt wurde. Traumatisch die Sprüche für Heavy-Metal-Fans: „Was, du hörst Iron Maiden? Du Metal-Schwein, sprichst wohl mit Satan und opferst kleine Kinder“. Beschwerdebriefe konnten wir nicht schreiben. An wen auch? Peter Gauweiler hätte uns einsperren lassen. Vaddern hätte uns gewatscht. Will sagen: Frühstücksradio, Mainstreambrei und Coldplay-Fans als Moderatoren? Liebe Radioanstalten, „Video Killed the Radio Star“. Schon vor langer Zeit.

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