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Alwin Michael Schronen. Foto: privat
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Räume mit Stimmen zum Leben erwecken

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Der Chorkomponist Alwin Michael Schronen im Gespräch
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Ob bei Wettbewerben oder in Konzert-ankündigungen: immer wieder taucht in der Chorszene der Name des Komponisten Alwin Michael Schronen auf. 1965 geboren, hat Schronen in Trier und Saarbrücken Chorleitung studiert, gerade in den letzten Jahren einige Preise gewonnen und Werke bei namhaften Verlagen veröffentlicht. Wird Neue Musik also doch rezipiert oder ist das, was er schreibt, vielleicht gar keine „Neue“ Musik? Ein Interview mit einem Chor-Komponisten.

neue musikzeitung: Was reizt Sie am Klangkörper Chor, Herr Schronen?

Alwin M. Schronen: Ich bin mit Chormusik aufgewachsen und habe zwei Jahrzehnte als Chorleiter gearbeitet – in diesem Metier fühle ich mich zu Hause. Die menschliche Stimme ist für mich das Instrument, mit dem man Stimmungen und innere Regungen am besten ausdrücken kann. Momente, in denen man einen akustisch guten Raum nur mit menschlichen Stimmen zum Leben erwecken kann, faszinieren mich immer wieder.

nmz: In welcher Tradition sehen Sie Ihren Kompositionsstil?

Schronen: Es gibt Kompositionen von mir, die an den klassischen Satz erinnern, so dass jeder gute Laienchor diese Stücke singen kann. Es gibt daneben auch Werke wie mein „Light and Love“, „Power of Nature“ oder „Sterne“, die durch Cluster, Sekundreibungen und Quintschichtungen in die Nähe der so genannten Neuen Musik rücken und sich eher an leistungsstarke Ensembles richten. Atonal sind meine Kompositionen jedoch nie.

nmz: Wie gut muss ein Chor sein, um Ihre Werke singen zu können?

Schronen: Ich habe schlichte drei- und vierstimmige Volksliedsätze geschrieben, die für jeden Chor machbar sind. Von daher halte ich mich in manchen Kompositionen, was beispielsweise den Rhythmus und die Harmonik anbelangt, bewusst schlicht. Für gute Laienchöre komponiere ich auch Stücke wie zum Beispiel mein von Männerchören am meisten gesungenes Werk „O sacrum convivium“, das ein gutes Aufeinanderhören erfordert und anspruchsvollere Akkorde und Intervalle aufweist. Mein achtstimmiges Gloria oder der Psalm 23 sind jedoch nur für sehr leistungsstarke Formationen machbar. Es ist mein Anspruch, für Chöre unterschiedlichsten Niveaus Kompositionen zu kreieren. Jedem soll es Freude machen, meine Stücke zu singen und jeder Chor soll auf seinem je eigenen Niveau gefordert werden.

nmz: Können Sie mit dem Begriff Gebrauchsmusik etwas anfangen?

Schronen: Ich komponiere nicht für mich und meine Musik ist nicht Selbstzweck. Ich distanziere mich bewusst von einem akademischen Komponieren, da speziell Chormusik singbar und angenehm hörbar sein muss – sie soll Ausführenden wie Publikum Freude bereiten. Applaus aus Höflichkeit oder eine Unsicherheit, ob man die Musik verstanden habe, will ich mit meiner Musik nicht erzeugen. Ich möchte die Menschen berühren und mir geht es in meiner Art zu komponieren immer um Emotionen, nie um „Kunst für die Kunst“ sondern um „Kunst für die Menschen“. Insofern begebe ich mich gerne in die Nähe des Begriffes „Gebrauchsmusik“.

nmz: Wie entstehen Ihre Chorkompositionen?

Schronen: Immer wieder gibt es Auftragskompositionen von einem Chor/Chorleiter/Verband mit fest umrissenen Vorgaben bezüglich Text, Thema, Besetzung, Chorgattung, Schwierigkeitsgrad et cetera. Auch Aufträge von Verlagen, die zum Beispiel einen dreistimmigen Satz oder Chorsätze für ein bestimmtes Thema (etwa ein Weinlied) meist für Sammlungen benötigen, gehen bei mir ein. Und schließlich gibt es natürlich auch „Spontan-Kompositionen“, die durch Begegnungen mit besonderen Texten, Chören oder Menschen entstehen. Jeder der drei Wege stellt eine Herausforderung dar, die ich mit hohem Anspruch meinen Partnern und auch mir selbst gegenüber zu meistern versuche.

nmz: Wie werden Ihre Chorwerke aufgenommen/angenommen?

Schronen: Mir ist der enge Kontakt zur Basis sehr wichtig. Fast jedes Wochenende besuche ich Konzerte, in denen Werke von mir gesungen oder uraufgeführt werden. Bei diesen Anlässen kommen die Chorleiter/-innen, Sänger/-innen und auch Zuhörer auf mich zu und bedanken sich bei mir für meine Kompositionen.

nmz: Bekommen Sie konstruktiv-kritische Rückmeldungen aus den Chören, von den Chorleitern?

Schronen: Wir tauschen uns über Hürden, die in der Probenphase zu nehmen waren, aus. Bei Auftragskompositionen können bereits in der Entstehungsphase einer Komposition Passagen ausprobiert werden. So kann ich kompositorisch auf den Chor eingehen. Ein schönes, aktuelles Beispiel: In enger Zusammenarbeit mit Jürgen Faßbender komponiere ich ein Werk für Männerchor und Obertongesang und werde die Proben verfolgen.

nmz: Haben Sie einen Überblick darüber, wie sich welche Werke verbreiten?

Schronen: Ganz im Sinne meiner vorherigen Aussagen freut mich jede Verbreitung in jedem kleinen Dorf. Aber natürlich freut man sich über Highlights wie eine nach Japan verkaufte „Missa Argentina“ oder das Anfang November in Pasig City auf den Philippinen in einem Wettbewerb gesungene achtstimmige Gloria. Mein anspruchsvolles Auftragswerk „Light and Love“ ist Titel-Stück auf der gleichnamigen CD der Chorknaben Uetersen und international habe ich von Aufführungen von Südtirol über die Ukraine bis nach Hillsdale, Michigan erfahren, einige durfte ich selbst erleben.

nmz: Arbeiten Sie schon mit neuen digitalen Alternativen?

Schronen: Es gibt Werke von mir, die man über eine Noten-Download-Plattform online erwerben kann, auch als PDF. „Camerata Musica Limburg“ hat die Uraufführung meiner Auftragskomposition „Ein heller, lichter, schöner Tag“ beim Deutschen Chorwettbewerb 2014 in Weimar aus digitalen Noten vom Tablet gesungen. Ich stelle für Chöre auch MP3s als Hör- und Lernhilfe her. Ein Werk mit allen heute zur Verfügung stehenden Medien zu erlernen, empfinde ich als sehr hilfreich. Zudem produziert Matthew Curtis professionell eingesungene Demos von einigen meiner Kompositionen, was als erstes Hörerlebnis eines Werkes sehr dienlich ist.

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