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Sängerkrieg in Leipzigs Alter Handelsbörse

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„Wettbewerb für Hobby-Sänger“ – Endausscheid 23. Juni 2002 Alte Handelsbörse
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Singen ist menschlich! Und: Singen ist eine ebenso individuelle, wie emotionale Form sich zu entäußern. Schon dem Gesang des Orpheus konnte sich keiner entziehen – nicht einmal Hades, der Herrscher der Unterwelt, der dem Sänger bekanntlich seine verstorbene Gattin zurückgab. Auch die Sirenen setzten ihre Sangeskunst auf der Jagd nach Seefahrern überaus effektiv ein, und Homer galt der Sänger gar als „göttlich“. Da scheint es nur logisch, dass beim menschlichen Embryo in der Tat zuerst(!) die Stimmbänder und danach das Ohr ausgebildet werden. Was die vox humana bewirken, was sie an Emotionen freisetzen kann, das hat wohl jeder von uns auf die eine oder andere Weise schon einmal erfahren. Andererseits: Wer ist sich seiner stimmlichen Potenz heutzutage schon noch bewusst? Offenbar doch mehr Menschen als man erwartet!

Singen ist menschlich! Und: Singen ist eine ebenso individuelle, wie emotionale Form sich zu entäußern. Schon dem Gesang des Orpheus konnte sich keiner entziehen – nicht einmal Hades, der Herrscher der Unterwelt, der dem Sänger bekanntlich seine verstorbene Gattin zurückgab. Auch die Sirenen setzten ihre Sangeskunst auf der Jagd nach Seefahrern überaus effektiv ein, und Homer galt der Sänger gar als „göttlich“. Da scheint es nur logisch, dass beim menschlichen Embryo in der Tat zuerst(!) die Stimmbänder und danach das Ohr ausgebildet werden. Was die vox humana bewirken, was sie an Emotionen freisetzen kann, das hat wohl jeder von uns auf die eine oder andere Weise schon einmal erfahren. Andererseits: Wer ist sich seiner stimmlichen Potenz heutzutage schon noch bewusst? Offenbar doch mehr Menschen als man erwartet! Zu diesem Schluss muss kommen, wer den vom C.F. Peters-Verlag initiierten „Wettbewerb für Hobby-Sänger“ mitverfolgt hat. Zugespitzt formuliert könnte man sagen, dass dieser Wettbewerb für Hobby-Musiker aus einem Notstand heraus erdacht wurde: Das Dilemma mangelnden Musikunterrichts an deutschen Schulen ist inzwischen hinlänglich bekannt und wirkt sich negativ auf die Laien-Musikszene aus. Hier besteht Handlungsbedarf – das war lange vor den Ergebnissen der PISA-Studie klar! Aus eben diesem Grunde fanden sich vor zwei Jahren Frankfurter Verleger, Medienvertreter, Künstler und Pädagogen zusammen, um genau dagegen etwas zu unternehmen. In erster Linie wollten sie musikalischen Laien ein Podium verschaffen, ihr Können einmal öffentlich zu demonstrieren. Für Musiker, die oft jahrelang „nur“ aus Spaß an der Freude neben Schule, Studium, Beruf und Familie im stillen Kämmerlein ihrem Hobby frönen, kann das ein enormer Motivationsschub sein!

Zunächst also wurde der Wettbewerb für Amateur-Pianisten, dann für Hobby-Sänger, schließlich auch für Kammermusik-Ensembles ausgeschrieben. Und jedes Mal stießen die Veranstalter in Frankfurt (a. M.) mit ihrem „Fest der Musik“ auf große Resonanz, waren die Finalkonzerte in der Alten Oper zumeist restlos ausverkauft. Die Zahl der Anmeldungen lag zwischen knapp 100 bei den Pianisten und über 300 bei den Sängern. Warum also sollte das „Frankfurter Modell“ nicht auch woanders funktionieren – etwa in der Musikstadt Leipzig?! Gesagt, getan. C.F. Peters war sich ziemlich sicher, auch in Mitteldeutschland ausreichend couragierte und enthusiasmierte Laien-Sänger für diesen Wettstreit interessieren zu können. Ganz so viele Teilnehmer wie in Frankfurt meldeten sich am Ende zwar doch nicht, aber immerhin – 51 Sänger/-innen kamen am letzten Mai-Wochenende nach Leipzig (37 davon aus Sachsen!), um sich in zwei nicht-öffentlichen Durchgängen und einem öffentlichen End-Ausscheid der Profi-Jury vorzustellen. Wann sonst hätten sie auch die Gelegenheit, Fachleuten des Thomanerchores, der Hochschule für Musik und Theater Leipzig, der Musikschule J.S. Bach Leipzig, des C.F. Peters-Musikverlages sowie Kammersängerin Sigrid Kehl einmal vorzusingen, sich gar von ihnen beraten zu lassen?! Die Gelegenheit war einmalig und wurde nach Kräften genutzt – von Teenagern, Rentnern (von 16 – das ist das Mindestalter – bis 79 waren so ziemlich alle Altersgruppen vertreten), vom singenden Zahnarzt, Steuerberatern, Schülern oder Studenten.

9 von 51 schafften es bis ins Finalkonzert, zu dem am 23. Juni in die alt-ehrwürdige Leipziger Handelsbörse geladen wurde – keine „Möchtegern-Carusos“ oder Pavarotti-Doubles, sondern musikalische Laien, die mit großem Ernst bei der Sache waren. Darf da die Frage nach der Qualität überhaupt gestellt werden? Festzuhalten bleibt zunächst einmal, dass die Ausnahmestimme nicht dabei war, die vorgetragenen Stücke zudem oft viel zu anspruchsvoll waren (was aber auch den Pflichtstücken der Vorrunden geschuldet sein dürfte). Ob Oper, Oratorium oder Lied, ob Bach, Händel, Mozart, Schubert oder Strauss – als Hörer mag man da kaum Abstriche machen, aber genau das gehört zum Reglement. Dennoch gab und gibt es natürlich Kriterien, nach denen gewertet wird: Stimmliche Qualität, stilistisches Einfühlungsvermögen, Sprachbehandlung und persönliche Ausstrahlung stehen im Vordergrund. Eine intelligente, am objektiven Leistungsvermögen orientierte Auswahl der Stücke sollte künftig ebenfalls dazu zählen.

Ein „Leipziger Fazit“? Georg Giradet (Kulturbeigeordneter der Stadt) begrüßte den Sänger-Wettstreit als schöne und sinnvolle Ergänzung des kulturellen Lebens der Stadt. Und die zumeist glücklichen Gesichter der Endrunden-Teilnehmer sowie der zahlreich angereisten Familien und Freunde schienen zu bestätigen, dass hier sinnvolle „Basisarbeit“ geleistet wird.

Der Wettbewerb erwies sich somit erneut als Plattform des Austauschs unter Gleichgesinnten und war für manch einen – zumal angesichts der Medienpräsenz – schlicht eine wunderbare Selbstbestätigung! Gleichwohl äußerten Teilnehmer, die es nicht bis ins Finale schafften, den Wunsch, den Leistungsvergleich beim nächsten Mal offensiver zu organisieren (etwa mit offenem Vorsingen für alle Vorrunden-Teilnehmer). Da bleibt den Leipziger Veranstaltern (das sind der C.F. Peters Musikverlag, die Musikschule J.S. Bach Leipzig sowie MDR-Kultur) offenbar gar nichts anderes übrig, als baldmöglichst ein „Remake“ auf die Beine zu stellen.
Ach ja, der 1. Preisträger: Der hieß in Leipzig Torsten Glas, ist dreifacher Vater, hatte irgendwann schon mal eine Zulassung für die Leipziger Musikhochschule, entschied sich dann aber für Zahnmedizin und widmet sich heute mit Hingabe schwierigen zahnchirurgischen Eingriffen…

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