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Alexandra Bekesch vom MDR Sinfonieorchester stellte den Erstkontakt zur Geige her. Foto: Susanne van Loon
Alexandra Bekesch vom MDR Sinfonieorchester stellte den Erstkontakt zur Geige her. Foto: Susanne van Loon
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Schnipsen, schnalzen, Bass Drum singen

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Eindrücke vom Musiklehrertag der Leipziger Buchmesse
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Auf dem Musiklehrertag der Leipziger Buchmesse, der dieses Jahr zum zweiten Mal stattfand, gibt es zahlreiche Gelegenheiten, Kurzvorträge zu musikpädagogischen Themen zu hören oder sich mit neuen Lehrwerken bekannt zu machen – und vor allem viele Möglichkeiten zum Selbstversuch. „Zweitausend Stunden hab ich gewartet“, singen fünfzig Menschen mittleren Alters, die auf kleinen Hockern kauern oder sich stehend dahinter drängen. Sie singen schön und sauber, aber ein bisschen zu ordentlich. Das scheint jedenfalls Andreas Kuch zu finden, der am Klavier sitzt und diesen Workshop leitet. „Das Wort ‚Stundn‘ hat kein ‚e‘“, erklärt er seinem Mitmachpublikum, nimmt eine noch etwas lässigere Haltung am Klavier ein und macht es richtig vor: „Zweitausnd Stundn hab ich gewartet“. Der Song entstammt dem Buch „Top Hits of Rock & Pop“ (Helbling Verlag, 2016), das als Liederbuch für die Schule populäres Material versammelt, mit dem man als Lehrkraft hoffen kann, die Schüler/-innen vielleicht eher zum tönenden Mitmachen zu bewegen als mit traditionellerem Liedgut.

 Drangvolle Enge herrscht im Musikzimmer in Halle 4 der Leipziger Buchmesse, einem der beiden Veranstaltungsorte des diesjährigen „Musiklehrertags“. 2016 fand er zum ersten Mal statt und soll ab nun ein regelmäßiges jährliches Angebot sein, wie Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse, bestätigt: „Der Erfolg dieser beiden Veranstaltungen spricht sehr dafür, dass sich der Aufwand eines solchen Formats durchaus lohnt. Der Musiklehrertag bleibt deshalb auch in Zukunft ein fester Bestandteil unseres Messeprogramms.“ Musik-und Schulbuchverlage haben auf dem Musiklehrertag Gelegenheit, in Workshops und Vorträgen Neuerscheinungen und andere Highlights ihrer Programme vor einem interessierten Fachpublikum zu präsentieren. Dass dieses das Angebot gerne annimmt, beweist die Menschenmenge im Musikzimmer, die an diesem Freitagvormittag so unüberschaubar zu werden droht, dass man schließlich dazu übergeht, einzeln abzufragen, wer sich vorher angemeldet hat.

Gute Verlagspräsenz

Das Programm ist in zwei parallel laufenden Blöcken organisiert, was bedeutet, dass man nicht an allen Veranstaltungen teilnehmen kann. Denn zwischen dem Vortragsraum 10 des Congress Centers Leipzig und dem Musikzimmer in Halle 4 liegen zu viele Messemeter, als dass man ständig zwischen hier und dort pendeln könnte. Das ist schade, aber wahrscheinlich räumlich nur schwer besser zu lösen, weil das (ziemlich gut schallisolierte) Musikzimmer, das mitten in der Ausstellungshalle liegt, eine unverzichtbare Nähe zu den Ausstellern bietet, andererseits aber als alleiniger Veranstaltungsort nicht ausreicht. Dazu sind es zu viele Mitveranstalter, die sich präsentieren. Zahlreiche Verlage sind dabei, sowohl die großen Musikverlage (Bärenreiter, C.F. Peters, Universal Edition) als auch etliche Schulbuchverlage (Westermann, Helbling, Carus-Verlag). Der Mitteldeutsche Rundfunk, den die Messe als ständigen Partner für den Musiklehrertag gewinnen konnte, mischt kräftig mit und umrahmt mit dem „ARD-Schulkonzert“ das Programm klanglich. Die Deutsche Digitale Bibliothek stellt ihre Audiothek vor, und natürlich ist der Bundesverband Musikunterricht mit mehreren Veranstaltungen vertreten. Dabei sind durchaus gewisse Unterschiede in den Programmschienen zu erkennen. In den BMU-Beiträgen geht es eher um Hintergründe und Grundsätzliches. „Zum Klang der Musik in der Literatur“ heißt es da zum Beispiel oder „Was Musik in der Grundschule leisten kann“. Die Veranstaltungen der Verlage haben in der Regel stärkeren Workshop-Charakter und dienen eher dazu, den praktischen Nutzen der Lehrbücher gleich zu demonstrieren.

Mittelpunkt Musikzimmer

Wer sich entschieden hat, seinen Tagesmittelpunkt ins Musikzimmer zu verlegen, ist schwerpunktmäßig in der Mitmachschiene gelandet. Das bedeutet durchaus mehr als nur gesanglichen Einsatz. Bei Andreas Kuch, der für den Helbling Verlag auch noch den Schulliederbuch-Klassiker „Sing and Swing“ (der ebenfalls viel aktuelles Material enthält, aber vor allem auf eine ausgewogene Mischung setzt) in einer überarbeiteten Neuauflage (2015) vorstellt, wird zum Beispiel auch gebeatboxt. Das ist für die meis­ten Anwesenden neu; aber wie sich herausstellt, ist es nicht unüberwindbar schwierig. Wer am Ende des Tages dennoch vergessen haben sollte, in welcher Weise die Bass Drum, die Hi-Hat und die Snaredrum mit vokalen Mitteln imitiert werden können, kann sowohl in „Sing and Swing“ als auch in „Top Hits...“ nachlesen, wie das nun genau war. (Es können auf dem Musiklehrertag Bücher zum ermäßig­ten Preis bestellt werden.) Beide Titel enthalten einen prägnant zusammengefassten Beatbox-Workshop.

Aber es bleibt an diesem Tag nicht bei der Mundakrobatik. Später stellt der Chorleiter Jochen Stankewitz „Die Voces8-Methode“ (C.F. Peters, 2014) vor, ein Praxis-Lehrbuch, das in aufeinander aufbauenden kleinen Workshops Body Percussion mit einfachen Vokalisationen verbindet.

Paul Smith, einer der Mitbegründer des renommierten britischen A-cappella-Ensembles Voces8, hat die Methode erarbeitet und in seinem Heimatland populär gemacht. Musikalische Grundkenntnisse sind weder erforderlich, um dabei mitzumachen, noch um die Übungen zu lesen, denn Smith benutzt eine vereinfachte grafische Notation, die vor allem die rhythmischen Grundelemente visuell gut präsentiert. Trivial sind die Workshops dennoch nicht, wie beim Selbstversuch im Messe-Musikzimmer zu erkennen ist. Das gleichzeitige Klatschen, Singen und Schnipsen sowie die Wechsel zwischen den verschiedenen rhythmischen Mustern (Stankewitz lässt die Angelegenheit bereits nach kurzer Einführung dreistimmig ausführen) erfordert Konzentration und bringt auch gestandene Musikpädagoginnen und Musikpädagogen ins Schwitzen und Kichern. Niemand ist hier unfehlbar, auch der Chorleiter nicht, woran sich wunderbar der demokratische Ansatz dieser Methode zeigt. Erhitzt und gelöst lächelnd ziehen die Lehrkräfte in die Mittagspause.

Der Entwicklung Zeit lassen

Die Leipziger Buchmesse will, wie Oliver Zille erklärt, den Musiklehrertag gern „dauerhaft fest in den Köpfen der Lehrer und Erzieher verankern.“ Dabei ist das Format noch keineswegs festgelegt, sondern wird sich auch entwickeln dürfen. „Dafür braucht es Zeit und Geduld, kontinuierliche Werbung und immer wieder neue, gute inhaltliche Ideen.“ Bisher sieht man die Einrichtung auf jeden Fall als Erfolg an, auch bei den beteiligten Verlagen. Beim Helbling Verlag etwa, der nun  zum zweiten Mal dabei war, ist man hochzufrieden mit der neuen Plattform. „Uns hat das spontan angesprochen, weil wir ohnehin zweimal jährlich Workshops veranstalten“, erklärt Nora-Leonie Jankovic, die beim Verlag mitverantwortlich ist für das Veranstaltungsmanagement. Allerdings seien die Zeitslots für die Workshops mit einer halben Stunde wirklich recht knapp, so dass bei den Mitmachformaten über das Praktische hinaus wenig Zeit für Erklärungen bleibe.

Interessierte Fachbesucher finden Anmelde- und Informationsmöglichkeiten auf der Website der Leipziger Messe unter www.leipziger-buchmesse.de/Themen/Musik/. Wer bei den Workshops gerne einen Sitzplatz haben möchte, dem sei übrigens empfohlen, entweder sehr pünktlich zu sein oder eher nachmittags zu kommen. Denn während bei manchen Vormittags-Workshops gar nicht mehr alle Interessenten in den Raum passten, waren die vorher so umkämpften Hocker im Musikzimmer am Nachmittag nur noch spärlich besetzt. Dafür gibt es natürlich eine ganz einfache Erklärung: Wer vormittags kommt, kann sich nämlich dafür schulfrei nehmen …

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