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Tim rennt und BMG wirft den ersten Stein

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Thomas M. Stein verlässt BMG und Tim Renner trennt sich von Universal
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Nicht gerade mit einem Paukenschlag, dennoch mit einem heftigen Raunen der Branche verabschiedeten sich der Präsident der BMG Germany/Switzerland/Austria Holding (BMG GSA) Thomas M. Stein und der Chef von Universal Deutschland Tim Renner zunächst einmal aus der Musikbranche. Während Thomas M. Stein von BMG-Chairman Rolf Schmidt-Holtz mit etwas zu viel Lob aus dem Haus komplimentiert wurde (Schmidt-Holtz: „Ich möchte Thomas M. Stein persönlich für die Zusammenarbeit und seinen Beitrag für BMG herzlich danken... er war für die BMG eine Führungspersönlichkeit in der europäischen Musiklandschaft… hatte große wirtschaftliche Erfolge...“) und sich die Wege offiziell in gegenseitigem Einvernehmen trennten, sind bei Tim Renners eigen veranlasstem Abgang handfeste Meinungsverschiedenheiten über die Politik des Unternehmens Universal und dessen Welt CEO und Chairman Jorgen Larsen die offensichtlichen Gründe.

Thomas M. Stein, der Plattenboss zum Anfassen, sorgte im letzten Jahr weniger mit spektakulären Musikentdeckungen für Aufsehen, sondern eher durch seine Sesseltätigkeit auf der nationalen Castingcouch der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“. Sicherlich einer der unwichtigsten weiteren möglichen Trennungsgründe, dennoch war in letzter Zeit zu vernehmen, dass manche bei der BMG nicht sehr glücklich über Steins Außendarstellung waren. Peinliche Phrasendrescherei und ausfallende Wortwahl gegenüber halbwüchsigen Teenagern sorgten für schlechtes Image von Stein und damit auch bei den aus der Show rekrutierten BMG-Künstlern. Noch dazu schien den BMG-Vorstandsetagen dieses Konzept der Künstlersichtung zu schwammig, durchsichtig und wenig zukunftsweisend. Ebenso dürfte dem neuen Partner Sony diese Politik weniger gefallen haben und präventiv hat man schon mal die finanziellen Muskeln spielen lassen und in der Plattenkoalition den Kanzleranspruch unterstrichen. Passend dazu lauten die aktuellen vorläufigen Ergebnisse des Geschäftsjahres 2003 im Hause der BMG. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ konnte Thomas M. Stein für seinen Zuständigkeitsbereich BMG GSA zwar ein Umsatzplus von sieben Prozent erreichen (und damit einen Gesamtbetrag von etwa einer Viertelmilliarde Euro), dennoch wurde damit nur ein Gewinn von rund acht Millionen Euro erzielt. Diese Kleinrendite bezeichnete man bei der BMG als Ergebnis einer „außerordentlich schlechten Performance“. Nun musste Stein ebenso wie sein amerikanischer Kollege Antonio Reid (Arista Chef) dieser Entwicklung Tribut zollen und das Unternehmen verlassen. Ersetzt wird Thomas M. Stein, der seit 1988 bei der BMG war, durch den Niederländer Maarten Steinkamp, derzeit Präsident der BMG International und Geschäftsführer der französischen BMG-Dependance. Thomas M. Stein hingegen bleibt sozusagen dem Unternehmen treu und soll nach unbestätigten Informationen bereits ein Angebot des Kölner Privatsenders RTL vorliegen haben, um künftig neue Sendeformate zu entwickeln.

Bei Universal-Chef Tim Renner scheint die Trennung weitaus unharmonischer über die Bühne zu gehen. Der Shooting Star der Branche verlässt das Unternehmen Ende Januar, Universal CEO Jorgen Larsen, mit dem der Abschied besprochen wurde, wird Renners Posten besetzen. Dabei schien Renners Karriere kaum Grenzen zu kennen. Vom Musiker in der Punkband „Quälende Geräusche“ über ein Praktikum bei Universal schaffte er es mit 36 Jahren an die Spitze des größten deutschen Musikkonzerns. Vor allem seine konstruktiven und umsetzbaren Visionen wie das Plattenlabel „Motor Music“, das einheimische Künstler wie die Echo-Preisträger „Sportfreunde Stiller“, „Virginia Jetzt!“ oder „Etwas“ hervorbrachte, brachten ihm große Anerkennung ein. Noch dazu konnte der Marktanteil von Universal um drei Prozent gesteigert werden und damit hatte das Unternehmen 2003 den größten Markanteil in der Geschichte des Unternehmens. Dennoch erfordert die weiterhin miserable Lage des deutschen Musikmarktes mehr Einschnitte, wie CEO Jorgen Larson verlauten ließ. Laut einer Pressemitteilung von Universal „könne Renner die internationalen Sparmaßnahmen von Universal zwar nachvollziehen; bei ihrer Anwendung auf lokale Künstler und die damit zusammenhängende Organisationsstruktur habe es aber unterschiedliche Auffassungen gegeben“. Ferner glaube Renner fest daran, „dass der Markt auch Repertoire aus Szenen und Nischen braucht, um authentische Inhalte zu entwickeln. Obwohl der Markt deutlich geschrumpft ist, haben wir im vergangenen Jahr wieder an Umsatz mit deutschen Künstlern hinzugewonnen, dem Markttrend getrotzt“. Zudem hält Renner außerdem die Konstellation mit zwei Geschäftsführern für zu kostenintensiv. „Wir können nicht auf der einen Seite jede Position hinterfragen und uns andererseits auf dem teuersten Posten eine Doppelspitze leisten.“ Dies sei ein weiterer Grund, warum er seinen Posten zur Verfügung gestellt habe.

Getrieben von diesen Meinungsverschiedenheiten verlässt Renner das Unternehmen nun, gleichzeitig wird aber Kritik laut, denn der von ihm initiierte Umzug von Hamburg nach Berlin, sein Rationalisierungskonzept und die stotternden Downloadplattformen „Phonoline“ beziehungsweise „Popfile“ brachten ihm zunehmend Kritik ein.

Über Tim Renners Zukunft wurde bisher nichts bekannt, allerdings ließ CEO Jorgen Larsen über Universals Zukunft mitteilen, „dass er zusammen mit Vico Antippas und dem bestehenden, erfolgreichen Management das Unternehmen durch diese empfindliche Phase führen werde und man trotzdem weiterhin, gezielt auf Mainstream-Künstler und TV-Plattformen, in lokales Repertoire aktiv investieren wolle“.

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