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Nordkolleg Rendsburg. Foto: Archiv
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Transformation mit Gestaltungsmut

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Nordkolleg Rendsburg: eine Musikakademie im 100. Jahr ihres Bestehens
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Eine Akademie im Wandel: Die nördlichste der Landesmusikakademien in Deutschland hat in ihrer Geschichte bereits vielfältige Veränderungsprozesse durchgemacht. Gegründet im Jahr 1921 als Heimvolkshochschule, ist das heutige Nordkolleg Rendsburg seit 34 Jahren Akademie für kulturelle Bildung des Landes Schleswig-Holstein mit insgesamt vier Fachbereichen.

Im kommenden Jahr soll der 100. Geburtstag gefeiert werden – mit wenig Rückschau und viel Perspektive. „Es ist schon beeindruckend, wie diese Institution sich in verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen immer wieder grundlegend anpassen musste, beziehungsweise wie sie eigentlich oft ihrer Zeit voraus war“, resümiert der Akademieleiter Guido Froese. Seit 14 Jahren leitet er die bis in den Ostseeraum hineinwirkende Institution, die sich derzeit abermals in einem rasanten Transformationsprozess befindet. Im vergangenen Jahr konnte mit dem Ankauf einer in angrenzender Nachbarschaft gelegenen Akademie das Gelände und die Schulungsflächen verdoppelt werden und die Zahl der Betten auf 225 erhöht werden. Damit gehört das Haus zu den Größten dieser Art im Land. „Das schafft ganz neue Möglichkeitn“, so Froe­se.

Parallel zur räumlichen Erweiterung arbeitete das Nordkolleg gemeinsam mit vier weiteren Kulturinstitutionen - dem Landestheater Schleswig-Holstein, der Rendsburger Musikschule und Volkshochschule sowie dem Freilichtmuseum Molfsee - im Flächenkreis Rendsburg-Eckernförde an einer Bewerbung für das Programm „TRAFO – Modelle für Kultur im Wandel“ der Kulturstiftung des Bundes. Vor dem Hintergrund der Frage, wie sich Kulturinstitutionen in demographisch wandelnden ländlichen Regionen verändern müssen, um langfristig bestehen zu können, machten die Projektpartner die Technik der Kokreation zum Kern ihrer Bewerbung. Das in einer mehrmonatigen und separat geförderten Entwicklungsphase konzipierte Vorhaben sieht die systematische und enge Zusammenarbeit mit den Dörfern der Region vor. Gemeinsam mit einem repräsentativen Querschnitt der Dorfeinwohner identifiziert man spezifische gesellschaftliche Herausforderungen vor Ort und entwickelt in kokreativen Werkstätten künstlerische Projekte, bei denen die Kompetenzen der beteiligten Organisationen gefragt sind. Vor dem Horizont einer vierjährigen Projektlaufzeit ist die Zusammenarbeit mit insgesamt 40 Orten im Kreisgebiet geplant. Die in der Region angewandte neue Arbeitsform der Kokreation soll aber auch innerhalb der Kulturinstitutionen Anwendung finden. Künstlerische Interventionen liefern dazu die Impulse. Begleitet werden sollen diese Prozesse von jeweils einem in der Institution arbeitenden Transformationsmanager.
Vom Konzept konnte sich die hochkarätig besetzte Jury der Kulturstiftung des Bundes bei einem Ortstermin Ende August 2019 überzeugen. Fünf von 18 sich bewerbenden Regionen aus neun Bundesländern sollten in dem Wettbewerb zum Zuge und einer Förderung von jeweils 1,25 Millionen Euro kommen. Mitte Dezember kam die Zusage für das Projektkonsortium im Norden und im Januar konnte formal gestartet werden. Das Nordkolleg fungiert dabei als Projektträger und Bindeglied zum Kreis Rendsburg-Eckernförde, der weitere 312.000 Euro als Eigenanteil beisteuert. „Die Chancen, die sich für uns durch dieses Projekt auftun, sind großartig und kommen zur rechten Zeit.“, bewertet Froese die Förderentscheidung der Bundeskulturstiftung. Die internen Transformationsziele liegen für ihn auf der Hand. „Wie arbeiten wir in unserem auf 70 Köpfe angewachsenen Team zukünftig zusammen? Wie gestalten wir als analoger Begegnungsraum die digitale Transformation? Welchen Beitrag leisten wir als Nordkolleg zur Klimaneutralität und zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft?“. Spätestens im Jubiläumsjahr 2021 soll es darauf erste Antworten geben.

Dass zum Projektstart ein Virus einerseits den Betrieb lahmlegt und andererseits einzelne Transformationsvorhaben deutlich beschleunigt, war Anfang des Jahres nicht zu erwarten. Während Teile des Akademieteams, insbesondere aus Küche und Hauswirtschaft, in Kurzarbeit geschickt werden mussten, entwickelte das inhaltlich arbeitende Team eine ganze Reihe digitaler Formate.

Bereits vier Tage nach der Schließungsverfügung sendete das Nordkolleg erstmals per Live-Stream aus seinem modernsten Musikgebäude. Seitdem gibt es wöchentlich Konzerte und musikalische Lesungen. „So bleiben wir mit unserem regelmäßigen Publikum in Kontakt.“, begründet Guido Froese das Format. Parallel startete der Musikfachbereich ein digitales Chorprojekt für die vielen Chor-Sängerinnen und -Sänger, die wegen der bestehenden Veranstaltungsverbote nicht mehr zum gemeinsamen Singen kommen. Nach dem Versand von Noten und einer mp3-Aufnahme in der passenden Stimmlage hatten sie die Aufgabe, von sich selbst und singend ein Video aufzunehmen und dieses dem Nordkolleg zum Zusammenschnitt zur Verfügung zu stellen. Während in der Pilotphase des digitalen „Wohnzimmerchores“ 11 Kolleginnen und Kollegen den Prototypen bildeten, nahmen nach der ersten öffentlichen Ausschreibung knapp 180 Sängerinnen und Sänger aus ganz Deutschland teil. Sogar vom vor den Azoren liegenden Segelschulschiff Roald Amundsen kam eine Aufnahme der ersten Strophe des Volksliedes „Der Mond ist aufgegangen“. Das auf dem Youtube-Kanal der Musikakademie verbreitete Video ist mittlerweile 8.000mal angesehen worden. An der dritten Staffel nahmen über 220 Sängerinnen und Sänger teil. Parallel wird mit dem Projekt „Bassoon-Saloon“ mit demselben Verfahren an einem digitalen Fagottensemble gearbeitet. Hieran nahmen in den ersten beiden Staffeln insgesamt über 100 Fagottistinnen und Fagottisten aus 21 Nationen auf drei Kontinenten teil.

„Mit dieser Resonanz haben wir nicht gerechnet. Die Aufmerksamkeit weit über unseren bisherigen Radius hinaus, die gleichzeitige Bereitschaft, für die Teilnahme an unseren Projekten zu spenden und die mediale Aufmerksamkeit haben eine besondere Qualität.“, resümiert Guido Froese. Für das Jubiläumsjahr sehe das Nordkolleg daher gut gerüstet, ein neues Kapitel aufzuschlagen. 

www.nordkolleg.de www.nordkolleg.live www.dein-wohnzimmerchor.de www.bassoon-saloon.de

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