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Peter Becker. Foto: privat
Peter Becker. Foto: privat
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Unnachgiebiges Plädieren für den Dialog

Untertitel
Zum siebzigsten Geburtstag von Peter Becker
Publikationsdatum
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Wie macht er das, alle Schulmusikstudenten spätestens nach ihrer Aufnahmeprüfung mit Namen zu kennen? – Vielleicht ist es Training aus seiner Zeit als Lehrer an der Niedersächsischen Heimschule Bad Iburg? – Die Schule, in der auch er selbst Abitur gemacht hatte, seinen Chor und die Organistenstelle an St. Clemens verlässt Peter Becker 1970, als er einen Ruf an die Hochschule für Musik und Theater Hannover erhält. 1975 wird er dort ordentlicher Professor für Musikpädagogik, von 1978 an Sprecher des Studienganges, für den er schon weit vor acht Uhr morgens in der Hochschule ist und wegen dessen er das Gebäude abends nicht selten als Letzter verlässt: Schulmusik.

Er kommt zu vielen Klassenvorspielen, sitzt in jeder Abschlussprüfung, begleitet den Weg jedes Einzelnen, bei einigen noch weit über die Studienzeit hinaus. – „Di-dak-tik, Di-dak-tik, Di-dak-tik...“, auftaktig, durchgängiges Metrum, wohl oft auch Metrum für Peter Beckers Nachdenklichkeit. Seine Blockseminare werden unter Hannoveraner Studenten zur Legende. Nach einer Woche ist so viel Material zusammengetragen, ist so weit hinterfragt, ist so viel angestoßen worden, dass ein halbes Jahr kaum reicht, das alles für sich zu ordnen, nutzbar zu machen. Nie mehr wird man danach etwas unterrichten, über das man nicht intensiv nachgedacht und das man nicht hin- und her wendend danach befragt hat, worin die Aussage besteht, die gedankliche, die ethisch-moralische, die künstlerische. – Die vor allem. Über die Aktualität des Mythos, über das Verstehen, über die Wahrheit (und Wahrhaftigkeit) nachdenken, das geschieht immer analysierend anhand von Musik, häufig anhand von Neuer Musik, meist im Kontext von Sprache, Literatur, Kunst, auch Film. Wer auf solche Weise ästhetische Kompetenz vermittelt, den kosten die Sitzungen der Fachkommission im Rahmen der Studienreform (1980–83), die Sitzungen zur Reform der Musiklehrerausbildung, die Senatssitzungen – Zeit. Kongressbeiträge im In- und Ausland, Mitarbeit an den „Spielplänen“, Lehrerfortbildungen, der Vorsitz der AG Schulmusik (1986–90) mindern keineswegs sein Engagement in der Lehre – im Gegenteil, es bleibt aktuell, zeitweilig die Tendenz vorausahnend, in die kulturpolitische Gespräche in der Folge führen werden. Vizepräsidentschaft, schließlich Präsident der Hochschule – Emeritus – und nun endlich scheint die Zeit wiederzukommen, um etwas von dem zu notieren, das so lange im Kopf war und doch immer seltener zu Papier kam. Unnachgiebig plädieren seine Texte – Vorträge, Beiträge, Reden – für die Auseinandersetzung mit Kunst, für den Dialog, der nicht beschönigend verschleiert, sondern schonungslos fragt: und Du? Der zutiefst humanistisch begründet ist und ebenso selbstzweiflerisch mahnt, der zu keinem Ergebnis kommt, weil es in diesem Dialog kein Ende geben darf – geben kann –. Die (Neue) Musik hat einen Fürsprecher in Peter Becker, der sich stets seiner Verantwortlichkeit für sie bewusst ist.

Sointu Scharenberg

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