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Titelseite der nmz 2021/11
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Unsicher?

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Editorial von Herausgeber Theo Geißler
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Er ist zwar eine „lame duck“ – seine Amtszeit endet kurz nach der Inthronisation des neuen Bundestages –, aber der Weltmeister preisgünstigen Maskenkaufes und Blitzsprinter in der Akquise von Corona-Impfstoff, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), will die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ bald beenden.

Mit dem Ende der Regelung werde aber nicht die Pandemie für beendet erklärt; laut Spahn „brauchen wir in Herbst und Winter weiterhin Vorsichtsmaßnahmen, vor allem 3G – geimpft, genesen, getestet – im Innenraum, vor allem medizinische Schutzmasken, AHA-Regeln, in Bus und Bahnen, im Einzelhandel“. Durch eine Rechtsänderung sei es möglich, dass die Länder und die Behörden vor Ort diese Maßnahmen losgelöst von dem Ausnahmezustand ergreifen könnten. „Das unterstütze ich auch ausdrücklich“ – und damit ein Bundesländer- und Institutionen-Regelungs-Kuddel-Muddel, das auch die Erleichterung über Besucher-Lockerungen im Musikbereich erheblich trübt.

Als Besucher von Open-Air-Veranstaltungen oder In-House-Events konnte man samt 3G-Regel ein nahezu gespaltenes Publikums-Verhalten beobachten: Abstandhalter und Abstandhalterinnen, Drängler und Dränglerinnen – gelegentlich richtig feindliche Fronten: einerseits Riesen-Freude über die Möglichkeit, Musik wieder gemeinsam zu erleben, je nachdem mit oder ohne Maske; andererseits die Furcht, im Pausenpulk oder im Garderobengedrängel doch noch eine reichliche Virenlast angehustet zu bekommen.

Auch bei den schwer geschundenen Veranstaltern ist das Glück über die Zugangserleichterungen nicht ungetrübt. Einerseits scheinen die medizinischen Eintritts-Restriktionen, vielleicht aber auch eine gewisse seuchenbedingte Geldknappheit den Drang zur Kunst zu bremsen. Etliche ansonsten bestens ausgelastete Häuser melden erheblichen Schwund. Der mag auch durch die pandemiebedingt ultraknappe Programmplanung und durch eine im kommenden Jahr noch intensiver zu erwartende Programm-Schwemme ausgelöst sein: unzählige „Nachhol“-Tourneen von Publikumslieblingen allerorts.

Und noch eine unschöne Erscheinung: Wenn sich in einem Orchester nur zwanzig Prozent des Ensembles in die Kimmich-Argumentation flüchten, müssen Vorstellungen ausfallen, Tourneen gecancelt werden. Das können staatlich, vom Land oder kommunal getragene Institutionen vielleicht noch ein weiteres Jahr abfangen. Aber wie gehen freie Ensembles je nach Stand der „Krankenhausampel“ im Bundesland XY mit einer solchen Situation um? Allzeit beschimpfter Impfzwang für Soloselbständige?

Gleichzeitig schießt die ja mittlerweile irrelevante Inzidenz im schönen Bayern teils auf über 500, der Ansteckungskoeffizient von 0,6 auf 1,25. Schuld sind zu viele Tests an ohnedies ungefährdeten Kindern. No jokes about names, aber: Wo gehobelt wird, fallen eben Spähne.

Von meiner Pockenimpfung trage ich seit über einem halben Jahrhundert zwei unschöne runde Narben an der Schulter. Ob ich sie will, hat mich seinerzeit niemand gefragt.

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