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Verteilungsgerechtigkeit verbessern

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Jazz- und Rockmusiker wollen ein größeres Stück vom GEMA-Kuchen
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Politiker und Manager, weiß der Volksmund, glauben nur den Statistiken, die sie selbst gefälscht haben. Das macht Jazz- und Folkmusiker mißtrauisch, denn sie mußten durch das neue Abrechungsverfahren der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA, „PRO“, in der Abrechnung für 1998 gewaltige Einbußen gegenüber dem Vorjahr hinnehmen, während sich die Vertreter der leichten Schlagermuse über Zuwächse freuen konnten. „Es ist kraß, wie die Schlagerwelt sich in die eigene Tasche wirtschaftet“, ärgert sich der Gitarrist und Gründer des Labels Laika, Ulli Bögershausen. Kleine, kreative Künstler, die ihre eigenen Werke aufführen, subventionierten den vom Schlagerkomponisten Christian Bruhn angeführten Aufsichtsrat der GEMA. Seine Einkünfte aus Konzerten gingen 1998 auf etwa ein Siebtel des Vorjahreserlöses zurück. Damit ist er kein Einzelfall. Auch die Hammond-Organistin Barbara Dennerlein erzielte 1998 nur noch ein Fünftel ihrer Vorjahreseinkünfte für Konzerte. Matthias Winckelmann, Geschäftsführer der Münchner Plattenfirma Enja Records, beklagt Einbußen um 70 bis 80 Prozent bei den Konzert-Tantiemen des angeschlossenen Musikverlags und Siegfried Loch, der als Verleger Michel Petrucciani betreute, erhielt für den am 6. Januar 1999 gestorbenen Franzosen mit 570,04 Mark nur ein Siebtel der Vorjahressumme von 8113,98 Mark – und dies, obwohl die Veranstalter nach Lochs Recherche 1998 für sieben der elf Konzerte über 10.000 Mark überwiesen haben. Solche Beispiele übergeht der Vorstandsvorsitzende der GEMA, Prof. Dr. Reinhold Kreile. Mit dem neuen Statistikverfahren „PRO“ sei endlich ein höheres Maß an Gerechtigkeit eingekehrt, hält er entgegen. Allerdings sei es immer noch nicht perfekt, da unter anderem die Dauer der aufgeführten Titel außer acht gelassen werde. Durch das alte Verfahren seien die Autoren von Evergreens und Schlagern deutlich benachteiligt worden. Folglich sei es selbstverständlich, daß ihr Anteil am Tantiemen-Kuchen steigt. Er erinnnert daran, daß das Bundespatentamt als Aufsichtsbehörde eine neue Berechnungsmethode verlangt habe und mehrere Gutachter die Tauglichkeit des „PRO“-Verfahrens bestätigt hätten. Im übrigen erlaubten es die modernen mathematischen Möglichkeiten unter anderem auch, daß Prognosen und Hochrechnungen bei Wahlen immer zuverlässiger würden. So selbstbewußt sind allerdings nicht alle Statistiker. Den genauen Anteil von Splitterparteien im Zehntelpromillebereich anzugeben, fällt auch den sorgfältigsten Statistikern schwer, denn für solch kleine Mengen bilden die Befragungsergebnisse keine „homogene Stichgruppe“ mehr. Eine ähnlich schwer einzuschätzende Gruppe bilden aber jene Jazz-, Folk- und Rockmusiker, die oft die einzigen Interpreten ihrer selbst komponierten Stücke sind und nur fünfzehn bis zwanzig Aufführungen unter den 35 Millionen Einzeldarbietungen leisten. Einer vom Verband Deutscher Musikschaffender unter www.asiman.-com/gemaverteilung geschalteten Internetseite zufolge erhält ein Jazzmusiker, der eine eigene, auf CD veröffentlichte Komposition nur ein einziges Mal spielt, zwei Mark und 31 Pfennige. Bei einem Programm von 15 Eigenkompositionen wären dies 34,65 Mark pro Abend. Andererseit bezahlen Veranstalter für dasselbe Konzert je nach Saalgröße zwischen 100 und 500 Mark an die GEMA - ein Mißverhältnis. Um eine „bessere Verteilungsgerechtigkeit“ zu erhalten, schlägt der Musikproduzent und -verleger Siegfried Loch vor, daß die GEMA „alle Veranstaltungen, für die sie Einzelrechnungen erstellt und für die ihr auch die entsprechenden Musikfolgemeldungen vorliegen, an die Berechtigten einzeln“ abrechnet. Eine Reihe von GEMA-Mitgliedern wird auf der Mitgliederveranstaltung am 28. und 29. Juni den Antrag stellen, daß ab einem GEMA-Inkasso von 500 Mark pro Veranstaltung diese Nettoeinzelverrechnung erfolgt. Derzeit bietet die GEMA eine solche Einzelabrechnung nur an, wenn ihr Inkasso bei einer Veranstaltung mindestens 2.000 Mark beträgt. Prof. Dr. Reinhold Kreile würde die Absenkung der Grenze für die Einzelabrechnung auf 800 und 1.000 Mark „eher befürworten“, hält aber dagegen, daß dies nur den Großen nütze, während der an die „Kleinen“ zu verteilende Topf noch kleiner werde. Wenn einer der Umsatzschwachen dies fordere, wisse er „sein eigenes Interesse nicht richtig einzuschätzen.“ Als Übergangslösung beschloß die Aufsichtsratssitzung der GEMA am 6. Mai einen Härteausgleich. Er garantiert jedem Musiker die Hälfte der Einkünfte, die er nach dem 1997 gültigen Verfahren erzielte.

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