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Viele Worte machen wollen

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Uraufführungen 2019/02
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Mit ebenso theologischer wie musik­ästhetischer Bedeutung ließ Arnold Schönberg in seinem Opernfragment „Moses und Aron“ den jüdischen Gesetzesüberbringer seufzen: „O Wort, du Wort, das mir fehlt!“ Die Neue Musik scheint inzwischen zumindest ihre Sprachlosigkeit nicht nur überwunden, sondern geradezu ins Gegenteil verkehrt zu haben. O all ihr Wörter, die auf uns eindringen! Statt Musik als eigenen Sinnzusammenhang zu entwickeln, ziehen immer mehr Komponistinnen und Komponisten aus Worten für ihre Werke Sinn, Inhalt, Struktur und Form.

Neue wortbestimmte Kompositionen, Installationen, Musiktheaterwerke und Performances bestimmen dieses Jahr auch das Stuttgarter Festival ECLAT. Die vom 6. bis 10. Februar stattfindende Veranstaltung für Neue Musik „erteilt einer sehr jungen und sehr interdisziplinär denkenden Künster/-innengeneration das Wort“. Wie selten zuvor sind hier mehr Werke von Komponistinnen zu erleben als von Komponisten. Manche öffnen „Archive einer wiederzuentdeckenden Wertegemeinschaft“, andere reanimieren Hausmusik und Spieleabende, schließlich initiieren zehn Frauen-Duos mit Filmen und Kompositionen „nichts weniger als ein europäisches Gespräch über die Zukunft der Welt“. Wow, da sollte man dabei sein!

Die insgesamt 34 Uraufführungen sind bei 16 Konzerten im Stuttgarter Theaterhaus zu erleben. Konzertante, szenische und diskursive Novitäten stammen von Ricardo Eizirik, Antje Vowinckel, Alessandro Bosetti, Hannes Seidl, Huihui Cheng, Martin Schüttler und Alexander Schubert. Zu „Wuchtbrummen“, „Rauschzustand“ und „Polyp“ verbinden sich die Improvisationsmusikerinnen Andrea Neumann, Sabine Ercklentz und Ute Wassermann. Daniel Gloger bringt ein „zentrifugales Operetten-Solo“ von Kaj Duncan David zur Uraufführung und Eivind Buene lädt mit Sängern und der Oslo Sinfonietta zu einer abendlichen „Schubert Lounge“. Weitere Novitäten stammen von Philipp Krebs, Kristine Tjøgersen, Michael Pelzel, Bernhard Gander, Chris­tian Wolff, Hristina Šušak, Eiko Tsukamoto, Miquel Urquiza, Bnaya Halperin-Kaddari, Niklas Seidl, Vykintas Baltakas, Christian Winther Christensen und Vito Žuraj. Es wird sehr viele Wörter und Klänge geben, von denen hoffentlich wenigstens einige auch etwas zu sagen haben.

Auch andernorts bietet der Februar wortgestützte neue Werke. Von Peter Eötvös ist am 9. in Madrid erstmalig eine Neufassung von „Joyce“ für Klarinette und Streichquartett aus seinem „Sirens Cycle“ zu hören. Christian Jost präsentiert am 17. in Braunschweig eine neue Instrumentation von Schumanns „Dichterliebe“ für Nonett. Und am 23. erklingen erstmalig Aribert Reimanns „Fragments de Rilke“ für Sopran und Orchester in der Berliner Philharmonie. Neue geistliche Werke auf entsprechende Texte der Bibel beziehungsweise Liturgie sind das am 9. in Amsterdam uraufgeführte „Requiem“ von Gavin Bryars und das am 24. in der Elbphilharmonie Hamburg erstmalig gesungene Chorwerk „Veni Domine“ von Péteris Vasks. Das Theater Basel präsentiert schließlich am 21. Februar die Uraufführung der neuen Oper „Diodati. Unendlich“ von Michael Wertmüller auf ein Libretto von Dea Loher in der Inszenierung von Lydia Steier. O all ihr Wörter, Klänge und Bilder, die ihr uns überflutet!

Weitere Uraufführungen
01.02.: Julián Quintero Silva, neues Werk für ensemble aventure, Freiburg
17.02.: Ondrej Adámek, Sheng Concerto, Ensemble Musikfabrik im WDR Köln
19.02.: Milica Djordjevic, Miquel Urquiza, Georg Friedrich Haas, neue Stücke für Trio Catch, Kölner Philharmonie
23.02.: Vassos Nicolaou, Jan St. Werner, neue Werke für Instrumentalsolisten und Elektronik, Musik der Zeit WDR Köln

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