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Zum zweiten Kammermusikfest in Donaueschingen
Zum zweiten Kammermusikfest in Donaueschingen
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Vor 100 Jahren – Neue Musik-Zeitung 1922/07

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Zum zweiten Kammermusikfest in Donaueschingen
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Mit einem wirklich großen Erfolg hatte das vorjährige, erste Kammermusikfest zur Förderung zeitgenössischer Tonkunst abgeschlossen; ein Erfolg, der nicht nur in dem schönen, reizvollen und anregenden Verlauf der Donaueschinger Festtage, sondern auch in seiner tiefgehenden Auswirkung als ein bedeutendes künstlerisches Ereignis beruhte. Und dieses künstlerische Ereignis erschien um so reiner, als man fühlte, daß hier der Kunst ein von keinen geschäftlichen oder beruflichen Erwägungen getrübter Empfang in einem fern von allem großstädtischen Lärm und Getriebe gelegenen lieblichen Schwarzwaldort geboten wurde. […]

Denn es handelt sich hier bei den Donaueschinger Festen letzten Endes nicht einfach um ein paar Konzerte, die jungen Künstlern an die Öffentlichkeit verhelfen (das geschieht anderswo auch), sondern um eine Idee, die – ich wage das ohne Übertreibung zu sagen – von größter Wichtigkeit für die Weiterentwicklung der jungen deutschen Tonsetzer werden kann. Donaueschingen könnte, so seltsam und unwahrscheinlich das klingen mag, der geistige Sammelpunkt aller ernst zu nehmenden jungen Komponisten werden. Es könnte ein Programm (nicht „Schule“ oder „Schema“), es könnte der Anreiz zu hohem Wollen und Streben werden, es könnte für die, die erfolgreich hier bestanden, ein leuchtendes Schild werden, wie es einmal der Name Weimar war. […] Da aber die zeitgenössische Musik klar erkennbar von der homophon-harmonischen Satzweise wegdrängt und (auch ein Zeichen der ewigen Wellenbewegung in allem künstlerischen Geschehen) wieder zu einer linear gerichteten Schreibart zur polyphonen Kunst strebt – ohne darum freilich die Bereicherung der harmonischen Ausdruckswelt zu verleugnen – erledigen sich naturgemäß Formen, die durch ihren komplizierten Apparat und ihre nur „füllenden“ Stimmen das Eigenleben der einzelnen „Linien“ im mehrstimmigen Satz beeinträchtigen. So kommt man wie von selbst zurück auf die edelste, reinste und schönste Form allen Musizierens: die Kammermusik. […]

Hugo Holle, Neue Musik-Zeitung, 43. Jg., 20. Juli 1922

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