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Vor 50 Jahren: Musik in Osaka
Vor 50 Jahren: Musik in Osaka
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Vor 50 Jahren: Musik in Osaka

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Der deutsche „Weltbeglücker“ Stockhausen …
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Noch immer gilt Deutschland als das Land der Musik. Ob das tatsächlich berechtigt ist, und ob derlei ausschließliche und zum Superlativ tendierende Formulierungen heute überhaupt noch sinnvoll sind, scheint fraglich und sollte eher stutzig machen, Verdacht erwecken, erinnert fatal an deutsches Wesen, an dem die Welt hätte sollen genesen. Dennoch scheinen die für den bundesrepublikanischen Beitrag zur Weltausstellung in Osaka Verantwortlichen entschlossen gewesen zu sein, den Ruf Deutschlands als Musiknation zu bekräftigen.

Unter der blauen Kuppel des deutschen Pavillons in Osaka sind täglich zehn Musikprogramme zu hören. Der Vormittag gehört dabei den Klassikern, vor allem Bach und Beethoven, wobei vor allem Karajan gebührend (zumindest auf Platten) präsentiert wird. Hingegen gehört das jeweils zweistündige Nachmittags- und Abendprogramm Karlheinz Stockhausen und seinem Ensemble.

Während der ganzen Dauer der Expo werden Stockhausen und seine Schüler jeden Tag zweimal zwei Stunden lang ihre Musik machen, wobei das Nachmittagsprogramm in jeweils acht viertelstündige Abschnitte gegliedert wird, kürzere Kompositionen wie „Spiral“ und zwei neue, aber wohl dem gleichen Prinzip folgende Stücke, „Duo“ und „Trio“, präsentiert werden. Der Abend ist den ausgedehnteren Werken „Telemusik“, „Stimmung“, „Kurzwellen“ und „Hymnen“, auch den Improvisationen „Aus den sieben Tagen“ vorbehalten. Der größte Teil der Produktionen in Osaka erfolgt live. Hingegen liegen den Aufführungen der „Gruppen“ für drei Orchester und von „Carré“ für vier Orchester und Chöre Band-Aufnahmen zugrunde. Da auch einige andere der älteren Stücke Stockhausens in Osaka gespielt werden (Klavierstücke, „Kontakte“, „Zyklus für einen Schlagzeuger“), ergibt sich sozusagen eine regelrechte Stockhausen-Reprise. Doch wird sich um so mehr Gelegenheit bieten, die Wirkungen der neueren, durch fernöstliche Meditations-Prinzipien bestimmten Improvisationsstücke Stockhausens und seines Ensembles auf das japanische Publikum zu studieren. Der deutsche „Weltbeglücker“ Stockhausen, der schon 1966 seine „Telemusik“ im Tokioter elektronischen Studio realisiert hat, wird in Japan mit seiner Musik gewiß nicht nur Nirwana-Erfahrungen machen wollen und können.

Neue Musikzeitung XIX. Jg. 1970, Nr. 3 (Juni/Juli)

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