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Wenn die ganze Klasse musiziert

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Zweites Symposium zum Thema Klassenmusizieren in Deutschland in Staufen
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Klassenmusizieren ist in Schulen und Musikvereinen auf dem Vormarsch. Die Experten sind sich jedoch uneinig über die pädagogische Substanz des Konzepts. Handelt es sich um vorsintflutliche Massenabfertigung oder um ein innovatives und zeitgemäßes päda-gogisches Konzept, wenn die „Klasse musiziert“? Wichtige Fragestellungen für das gleichnamige Symposium der BDB-Musikakademie in Staufen im Oktober 2007.

Erfolgsmodell Klassenmusizieren. Wie vielerorts in Deutschland hat sich das pädagogische Konzept auch im Stundenplan der Grundschule der badischen Kurstadt Bad Krozingen etabliert. „Unsere Bläserklasse findet in guter Zusammenarbeit mit der Jugendmusikschule statt und ist heute nicht mehr wegzudenken“, erklärt die Musiklehrerin Bärbel Thielking. Klassenmusizieren finde in ihrer Schule seit einigen Jahren großen Zuspruch und habe sich mittlerweile sogar fast zum Selbstläufer entwickelt, so Thielking. „Der Zuspruch unter den Jugendlichen und in der Bevölkerung wird immer größer.“

Experten auf dem Gebiet der Musikpädagogik sehen diese Entwicklung nicht ganz so euphorisch. Was die einen als innovatives, zeitgemäßes Konzept mit ganz neuen Möglichkeiten der Instrumentalpädagogik bejubeln, ist für Kritiker ein Rückschritt in die vorsintflutliche Massenabfertigung ohne musikpädagogischen Anspruch. Doch was ist wirklich dran, an der mittlerweile seit über 20 Jahren erprobten Praxis des Musizierens in der Klasse?

„ Das Klassenmusizieren stellt, wenn es die Prinzipen der Pädagogik einhält, ein sehr gutes und zukunftsweisendes Modell dar, breiteren Jugendschichten den aktiven Erfahrungsraum Musik zu ermöglichen“, erklärt Michael Stecher, Musikpädagoge und Buchautor. Allerdings werde das sehr gute musikpädagogische Konzept in der Praxis oft falsch verstanden und durchgeführt, bedauert Stecher. „Wir geben uns oft dem bequemen Trugschluss hin, dass sich eine grundlegende musikalische Kompetenz einstellen wird, wenn die Schüler nur genügend üben und lange genug Unterricht haben“, erläutert der Experte für Musikpädagogik.
Gleichzeitig würde zu wenig hinterfragt, ob das eigene musikpädagogische Wirken den Schüler wirklich in die uneingeschränkte Selbständigkeit führe. „Wir sollten den musisch mündigen Menschen bilden. Nicht was wir lernen sondern wie wir lernen ist ausschlaggebend dafür, was und wie wir hörend erkennen“, postuliert Michael Stecher. Seine Erkenntnisse: Klassenmusizieren verfolgt andere Ziele und ist nicht vergleichbar mit herkömmlichem Einzelunterricht.

Dementsprechend wichtig ist eine professionelle Schulung der verantwortlichen Personen. „Die zuständigen Lehrkräfte sollten alle Schüler in der Großgruppe gut beobachten und einschätzen können“, rät Stecher. Deshalb sei es auch sinnvoll oder gar unverzichtbar, in einem Team mit mehreren Lehrern zu unterrichten. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Klassenmusizieren sollte immer von Einzel- oder Partnerunterricht durch professionelle Instrumentalausbilder begleitet werden.

„In der Praxis existiert eine Vielzahl an Modellen des Klassenmusizierens, mit einer breiten Auswahl an Methoden“, weiß Franz Schulte-Huermann. Der Leiter der Musikschule im nordrhein-westfälischen Lüdenscheid leitet seit 20 Jahren selbst Bläserklassen und verfügt nicht zuletzt deshalb über einen breiten Erfahrungsschatz. Gemeinsam mit Michael Stecher will er im Oktober nicht nur verschiedene Kombinationen dieser Methoden vorstellen. Im Rahmen des Symposiums „Klasse musiziert“ an der BDB-Musikakademie in Staufen wollen die beiden Experten die verschiedenen existierenden Modelle gegenüberstellen.
Durch die Integration von Kindern und Jugendlichen bestehender Bläserklassen werden die Modelle in der BDB-Musikakademie praxisnah vorgestellt und wichtige Aspekte erarbeitet. Die Teilnehmer sollen jedoch auch zur kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema angeregt werden. „Das Symposium stellt eine offene Plattform dar, auf der man sich umfangreich informieren, austauschen, diskutieren und seine Erfahrungen mit einbringen kann,“ erläutert Christoph Karle die Inhalte der Fortbildungsveranstaltung, die bereits zum zweiten Mal in Staufen stattfindet.

„Wir werden dieses Symposium jährlich mit aktuellen Themen und zusätzlichen Dozenten erweitern“, verspricht Karle. Langfristig soll so auch eine Dokumentation zu diesem wichtigen musikpädagogischen Themenfeld entstehen. Zunächst rückt jedoch die zweite Auflage der Fortbildungsveranstaltung in den Mittelpunkt. Die findet vom 22. bis 25. Oktober 2007 in Staufen statt. Wenn alles läuft wie geplant, können die Teilnehmer dort übrigens auch die Bläserklasse der Grundschule in Bad Krozingen live erleben. Die Schützlinge von Bärbel Thielking überzeugten bereits im letzten Jahr durch einen erstaunlichen Klangkörper und ihre Disziplin. Denn auch die ist wichtig, wenn Klasse musiziert.

Weitere Informationen: www.bdb-musikakademie.de
Bund Deutscher Blasmusikverbände e.V.
BDB-Musikakademie
Alois-Schnorr-Str. 10
79219 Staufen
Tel. 07633/70 15

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