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Wenn sich alte und neue Klänge berühren

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Sabine Lutzenberger und Wolfram Oettl kombinieren Musik der Klöster mit der Avantgarde
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Von den ganz frühen Wurzeln europäischer Musik, aus mittelalterlichen Klöstern und noch älteren Quellen, bis zum jähen Sprung in die fantasievoll-experimentelle Tonkunst der Avantgarde erstreckte sich das Programm eines Konzerts des Tonkünstlerverbands Augsburg-Schwaben mit der Sängerin Sabine Lutzenberger und dem Pianisten Wolfram Oettl. „Roots – ein dialog alte & neue musik“, so der Titel, ließen Zeiten und Stilrichtungen zusehends vergessen. Archaik, Mittelalter und radikale, herb-skurrile Moderne schienen sich in einem riesigen historischen Bogen wieder zu treffen und boten dem Wahrnehmungsvermögen neue Reize an - „John Cage feat. Hildegard von Bingen“ (oder umgekehrt) sozusagen.

Für eine solche musikalische Begegnung dürfte es kaum einen atmosphärisch stimmigeren Ort geben als St. Moritz in Augsburg. Der im Krieg zerbombte, nach seiner Renovierung vor Jahren mit seiner einfachen, hell-lichten Schlichtheit fast kultisch „designte“ Kirchenraum gibt den modernen Tönen viel Freiheit, lässt aber auch durch den sensiblen Umgang mit den noch verbliebenen historischen Spuren den spirituellen Geist der frühesten Klänge atmen. Sabine Lutzenberger und Wolfram ­Oettl sind bekannt für ihren souveränen Umgang mit scheinbar nicht kompatiblem musikalischen Material, ebenso für die Qualität ihrer technisch-musikalischen Mittel. Mit „Dolorum solatium“, dem Klagelied des Petrus Abaelardus (1079 - 1142), eröffnete Sabine Lutzenbergers variabler Sopran diese Klangreise, faltete von linear verhauchender Intensität bis zur dramatischen Ballung ein üppiges Panorama aus – es war gleich ein imponierendes Standing der alten Musik. Von ähnlicher, fast expressiver Wucht erschien später „O spectabiles viri“ der phänomenalen Hildegard von Bingen. Als Duo konfrontierten Sängerin und Pianist sie mit „Solo for voice 52“ von John Cage. Das mit allerlei köstlichen Geräuscherzeugern präparierte Klavier schuf skurrile Kontraste, bereitete so die Dialoge „alt/neu“ vor. Morton Feldmans (1926 - 1987) Akkord-Tupfer setzten farbige Punkte, ebenso die Trillerketten einer Cage-Hommage von David Lang (*1957). Eine anonyme Ballade „O fons bandusiae“ aus dem 12. Jahrhundert und andere antike Musikspuren fügten sich in das nun frei flottierende Klanggeschehen ein.

Als überraschender Drehpunkt in diesem schillernden Wechselspiel tauchte Joseph Haydn auf. Eine englische „canzonetta“ sowie dann die Klavierfassung eines der „Sieben letzten Worte“ erschienen  dabei neu beleuchtet. Sie wurden konfrontiert mit einer der „Monadologien“ des avantgardistischen Wiener Klangsuchers Bernhard Lang, „Seven last words of Hasan“. Zum Finale erfreute unter anderem ein liebevoll freundliches Stück von Wolfram Oettl: „Was es ist“ nach einem Gedicht von Erich Fried hatte Chanson-Charme. Auch hier imponierte Sabine Lutzenbergers geschmeidige Stimm-Variabilität.

 

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