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Kreativer, Lehrender, „Funktionär“: Manfred Trojahn. Foto: Martin Hufner
Kreativer, Lehrender, „Funktionär“: Manfred Trojahn. Foto: Martin Hufner
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Wer funktioniert, kann nicht agieren

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Interview mit Manfred Trojahn, dem neuen Präsidenten des Deutschen Komponistenverbandes
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Der 1949 in Cremlingen geborene Komponist studierte von 1966 bis 1970 Orchestermusik (Flöte) in Braunschweig, dann ab 1970 Orchestermusik und Komposition in Hamburg und wurde 1991 als Professor für Komposition an die Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf berufen. Als Dirigent arbeitete er unter anderem mit dem Ensemble Modern und der Staatskapelle Berlin. Er lebt abwechselnd in Düsseldorf und Paris. Zu seinen Werken gehören die Opern „Enrico – dramatische Komödie“ und „Was ihr wollt“, Variationen für Orchester oder „Lieder auf der Flucht“. Im Juni 2004 wurde er zum Präsidenten des Deutschen Komponistenverbandes gewählt. Die nmz sprach mit ihm.

: Sie sind seit etwa einem halben Jahr Vorsitzender des Deutschen Komponistenverbandes. Was hat Sie als Kreativer und Lehrender dazu bewogen, jetzt als Funktionär einem Verband vorzusitzen?

Manfred Trojahn: Auf diese Frage hab’ ich mich schon lange gefreut. Funktionär! Nun, ich funktioniere nicht und werde einiges daransetzen, dass das auch so bleibt. Wenn man funktioniert, kann man nicht reagieren und vor allem nicht agieren. Künstler agieren und so werde ich versuchen auch diese Tätigkeit auszuüben, nicht als Funktionär sondern als Künstler. Wir erleben eine Zeit in der unsere Arbeit, die Arbeit aller Menschen, die im kulturellen Bereich tätig sind, einer gesellschaftlichen Neubewertung unterzogen wird. Es kann uns nicht gleichgültig sein, wer da bewertet und welche Kriterien angelegt werden. Wir müssen unsere Haltung dazu zum Ausdruck bringen. Das erfordert Engagement: hier ist meines…

Arbeit der Zukunft

: Was sind denn die zukünftigen Arbeitsschwerpunkte für die nächsten Monate, für die nächsten Jahre auch des Komponistenverbandes?
: Der Verband hat sich auf einige Kerngebiete zu konzentrieren. Die Neubewertung des Urheberrechtes – auch im europäischen Rahmen – ist ein derartiges Gebiet, die rasante Veränderung der Rundfunklandschaft ein weiteres, und natürlich wird die Entwicklung der Urheberrechtsgesellschaften für Deutschland, also die der GEMA, ein zentrales Gebiet bleiben.

All dieses ist heute im europäischen Kontext zu betrachten und so wird ein mittelfristiges Projekt ganz sicher ein europäischer Zusammenschluss der Komponisten sein. Nicht zuletzt sollte der Verband eine Stimme dort erhalten, wo über den Wert von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft befunden wird. Die deutschen Komponisten haben dazu ganz sicher interessante, dezidierte Auffassungen…

All das lässt sich allerdings nur richtig beginnen, wenn der Verband als zentrale Aufgabe begreift, dass er die jungen Komponisten als Mitglieder gewinnen muss, oder besser nicht nur die jungen, sondern all diejenigen, die bisher noch die Auffassung haben, man könne so weiterträumen wie bisher und irgendwer würde das Überleben schon regeln.

Man hat zu lange darauf verzichtet, intensive Werbung für die Mitgliedschaft zu betreiben – hierzu sind Konzepte zu entwickeln und dafür ist ein eindeutiges Votum für die Richtung der Verbandsarbeit nötig. Ich werde bei der Mitgliederversammlung im Sommer solche Konzepte vorschlagen – wir sehen dann, was die Mitglieder dazu sagen werden.

: Welches sind denn ganz konkret die gemeinsamen kultur- oder verbandspolitischen Themen, die in den nächsten Monaten anzugehen sind?
: Es gilt, Stellung zu beziehen zu den Fragen, die sich aus dem „Korb 2“ genannten Referentenentwurf zum Urhebergesetz und dessen gesetzlicher Umsetzung ergeben. Es gibt da zum Beispiel neue Festlegungen im Verhältnis Autor-Verleger, die mit Sinn zu füllen sind. Das wird Verhandlungen mit unseren Freunden und Förderern, den Verlegern erforderlich machen. Und wie ich die kenne, werden sie zunächst nicht sonderlich „amused“ reagieren. Es gilt weiterhin, eine Position der deutschen Komponisten zur Quotenregelung im Rundfunk zu finden. Und natürlich haben die Komponisten mitzureden bei der Frage nach Sendeplätzen für Neue Musik, oder besser: zeitgenössischer Musik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Das was da im Moment von radikalisierten Kleinbürgern zerschlagen wird – und zwar mit schamlos populistischen Argumenten – darf von uns nicht ohne erbitterten Widerstand aufgegeben werden. Es sind Strukturen, die einst aufgebaut wurden, um einen kreativen Bereich der Gesellschaft zu ermöglichen. Das kann man nicht einfach kündigen.

: Der DKV ist ein Verband, der U- und E-Komponisten unter einem Dach vereint. Wie wollen Sie es schaffen, die Komponisten zu gemeinsamen Positionen zu bewegen, auch an den Punkten, die in den letzten Jahren zu Spannungen geführt haben?
: Nun, ich habe zu Beginn meiner Amtszeit gesagt, der DKV muss wieder verstärkt der Verband aller Komponisten werden oder es wird ihn in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Wenn das Solidarmodell sich nicht weiterführen und verbessern lässt dann wird der Verband zerfallen, das wäre sehr traurig, aber dann wohl nötig. Im Moment spüre ich den Willen zur Solidarität und sehe zum Beispiel die Möglichkeit, dass die Kollegen der E-Musik den Wunsch der U-Kollegen nach einer Rundfunkquote stützen, obwohl viele keine wirkliche Zuneigung zu diesem Instrumentarium verspüren. Ich persönlich werbe dafür, weil ich – langjährig in Frankreich ansässig, das ja eine solche Quote eingeführt hat – gute Ergebnisse für die französischen Kollegen erkenne.

Im Gegenzug erwarte ich die Zustimmung der U-Komponisten zu unserer Haltung in der Bewertung des zusammenbrechenden Rundfunkengagements für die zeitgenössische Musik. Es muss begriffen werden, dass es gemeinsam besser geht als gegeneinander, und ich habe zunächst einmal die Hoffnung, dass sich diese Erkenntnis durchsetzen wird. Wir befinden uns in einer gesellschaftlichen Umwälzungsphase, bei der letzten Endes nicht nur die E-Musik auf dem Prüfstand steht, sondern das Verhältnis der Gesellschaft zur Autorenschaft insgesamt. Da ist eine Positionierung von beiden kompositorischen Richtungen nötig und möglich und zwar eine gemeinsame, solidarische.

Selbstverständlich ist das Denken in ästhetischen Kategorien und Wertigkeiten sehr stark. Allerdings ist es politisch unklug, an Polarisierungen festzuhalten wenn sie die Positionen der Allgemeinheit der Autoren schwächen. Was erforderlich ist, ist eine neue Haltung der Mitglieder zu ihrem Verband, der als Lobby für alle zu begreifen wäre. Vielleicht gelingt es durch den Generationswechsel der mit meiner Wahl stattgefunden hat, hier einiges zu verändern.

Neue Strukturen

: Und deswegen gibt es vielleicht auch eine neue Personal-, eine neue Führungsstruktur?
: Ich habe von Anfang an versucht, mein Amt nicht präsidialhegemonial zu verstehen – das interessiert mich nicht, ich definiere mich nicht zuerst über dieses Amt und bin kein Funktionär. Ich bin ein hinreichend prominenter Komponist und vielleicht tut das dem Verband ganz gut.

Alles andere muss ich lernen und das tue ich dadurch, dass ich Fragen stelle. Ich kann diese Fragen einem sehr engagierten Vorstand stellen und es gibt eine erfahrene Geschäftsführerin, Sabine Begemann, die ihrerseits zurückgreifen kann auf die Erfahrungen der wunderbaren Marianne Augustin, die – 90-jährig – über fünf Jahrzehnte Verbandserfahrung verfügt und diese weise und lebhaft einzubringen versteht. Hinzu kommt, dass wir Barbara Haack für die Mitarbeit bei uns gewinnen konnten. Ich bin also umgeben von starken, fähigen Frauen – es kann nichts schief gehen.

Der Vorstand geht unter diesen Umständen sehr gut damit um, dass der Präsident nicht aus jahrelanger Erfahrung heraus alles regelt, sondern hauptsächlich Fragen stellt.
Sie haben mich vorhin als Lehrenden angesprochen: Ich bin als Professor an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf auch kein „Lehrer“ geworden, der doziert, sondern ich bin einer, der fragt.

Ausbildung & Arbeitslosigkeit

: Sie bereiten Kompositionsstudenten auf ihren Beruf vor. Ist das nicht eine Ausbildung zur Arbeitslosigkeit?
: Jahrzehnte gepflegter Versorgungsstaatsmentalität haben dazu geführt, dass jetzt gefordert wird, die Ausbildungsgänge für Komponisten am Arbeitsmarkt zu orientieren. Irgendein hochqualifiziertes Mädelchen aus dem NRW-Wissenschaftsministerium hat das, mir gegenüber, jüngst so formuliert. Ich denke, es hat sich eine falsche Vorstellung eingeschlichen, über das, was ein Künstler ist.

An unserer Hochschule zählt seit neuestem alles zur „künstlerischen“ Ausbildung. Unsere Freunde von der Musikwissenschaft oder der Pädagogik dürfen sich daher als Künstler fühlen.

Ich hoffe, das hilft dem angeschlagenen Selbstbewusstsein auf. Ich bestehe – ein wenig donquichottehaft – auf der absoluten Sonderstellung der künstlerischen Ausbildung, die zur Freien Kunst führt. Da sind wir als Komponisten den freien Malern, die an den Kunstakademien ausgebildet werden, näher als etwa den viel handwerklicher geprägten Instrumentalisten.
Wir erleben ein Gerede über Exzellenz und Elite, meist von denen betrieben, denen man raten möchte, gerade diese Begriffe aus ihrem Wortschatz zu tilgen. Gleichzeitig gibt es eine freche Bemühung, eben diesen Eliten das Leben zu komplizieren, mit überregulierten Studiengängen, mit unzureichender Mittelzuwendung an die Hochschulen, die daher meist nur Rudimentäres leisten können....

Da kommt es denn gerade recht, „Normalität“ in der Ausbildung zu fördern mit dem Hinweis, das andere sei doch gefährlich und könne böse enden, vielleicht sogar in der Arbeitslosigkeit. Als hätte sich ein Künstler von solchen Argumenten je abhalten lassen. Für diese spießige Politik, von den Ministerien entwickelt und von den Hochschulen fröhlich mitgetragen, fehlt es mir an Verständnis.

Jeder Student, der zu mir kommt, ist angehalten zu fordern, von sich, von mir, und er muss irgendwann entscheiden, ob diese Welt, in die er strebt etwas für ihn ist. Gerade heute ist der Schritt zum freien Komponisten nur mit großem Selbstbewusstsein und viel Mut zu wagen – ich bin aber der Meinung er sollte ermöglicht werden, weil er, gesellschaftlich sinnvoll oder nicht, sowieso von einigen versucht werden wird.

Für mich zählt diese freie Wahl zur Menschenwürde. Dazu ist kein akademischer Abschluss nötig, mir mangelt es auch an einem solchen, allerdings haben sich die Akademien es sich früher nicht nehmen lassen, diesen Menschen einen Rahmen zu geben, gegen den man sich prächtig auflehnen konnte. Heute binden wir sie ein in die langweiligen Perspektiven bürgerlicher Lebensplanung.

Selbstvermarktung

: Halten Sie eine Art Selbstvermarktung oder Selbstmanagement,
-ausbildung für die Komponisten für sinnvoll?
: Wissen Sie, eine sinnvolle Selbstvermarktung setzt ja einen Markt voraus. Im Moment scheint es mir so, als mangele es an diesem… Selbstvermarktung in solch einer Zeit als Studieninhalt zu fordern und nicht gleichzeitig Lösungen für den Markt anzubieten, ist reiner Zynismus. Man kann nicht Orchester schließen und den Musikern dann sagen, schafft eure Märkte nun durch Selbstvermarktung. Es mangelt an einer kultivierten Gesellschaft, die begreift, dass das einzige, das von ihr bleiben wird, ihre Kunst und Kultur ist. Ich habe das umsichwütende Banausentum in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten schon angesprochen – dagegen bräuchte es Widerstände, gesamtgesellschaftliche Widerstände natürlich, aber zuvörderst die derjenigen, die für die und in der Kunst und Kultur arbeiten.
Ich habe nicht den Eindruck, dass die Hochschulen sich als Teile dieser Problemfelder begreifen, von daher denke ich, wird die Selbstvermarktung wohl doch nur von jenen gepredigt werden, die sie nicht nötig haben. Davon, also von solchen, die die Praxis nur aus der Theorie kennen, haben wir in den Instituten auch so schon hinreichend viele.

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