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Seit über 20 Jahren Hochschul­präsident in Mannheim: Rudolf Meister. Foto: Dorothea Burkhardt
Seit über 20 Jahren Hochschul­präsident in Mannheim: Rudolf Meister. Foto: Dorothea Burkhardt
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Wermutstropfen Stellenbefristung

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Rudolf Meister, Präsident der Mannheimer Musikhochschule, im Gespräch
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1997 wurde Rudolf Meister als damals jüngster Rektor an die Spitze der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim gewählt. Der Pianist, der nach wie vor täglich übt und regelmäßig konzertiert, konnte somit im vergangenen Herbst sein 20-jähriges Dienstjubiläum begehen. Besondere Feierlichkeiten gab es nicht, und so ging es auch beim Gespräch sofort in medias res:

neue musikzeitung: Die mediale Aufmerksamkeit für die baden-württembergischen Musikhochschulen hat sich im Zuge der 2013 ausgelösten Spar- und Strukturdebatten ja deutlich erhöht. Was haben Sie daraus gelernt?

Rudolf Meister: Gelernt haben wir, dass unsere Erfolge und Leistungen noch mehr nach außen kommuniziert werden müssen, damit das Bewusstsein in der Gesellschaft für die Relevanz der Musikhochschulen nicht nachlässt. Wir haben aber auch festgestellt, dass es in den Medien eine neue Offenheit für unsere Themen gibt, die vorher so nicht da war. Es besteht also von beiden Seiten ein größeres Interesse an Kommunikation und wir hoffen sehr, dass dieses Interesse der Medien nicht wieder nachlässt.

nmz: Und was sind hochschulpolitische Lehren?

Meister: Das Verhältnis zum Wissenschaftsministerium hat sich sehr gut entwickelt. Wir arbeiten noch enger zusammen, stimmen uns intensiv über Themen wie beispielsweise den geplanten Neubau eines Hochschulsaals ab und besprechen nun frühzeitig Dinge, die in der Vergangenheit nicht rechtzeitig geklärt wurden. Auch in der Landesrektorenkonferenz wird die Solidarität stärker in den Vordergrund gerückt. Man versucht das Gemeinsame in den Themen, die für uns alle wichtig sind, herauszustellen und nicht die Tatsache, dass wir natürlich auch konkurrieren.

Blasorchesterleitung an der Musikhochschule Mannheim from Die Bildmischer on Vimeo.

Landeszentrum Dirigieren

nmz: Ein Ergebnis der Reformen sind die Landeszentren, bei Ihnen das Landeszentrum für Dirigieren. Wie entwickelt sich das? Auf Ihrer Homepage findet man dazu bisher nichts…

Meister: Wenn eine solche neue Einrichtung gegründet wird, muss als ers­tes eine entsprechende Struktur festgelegt und dann Personal dafür gewonnen werden. Dies ist nun beides abgeschlossen und nach Hermann Pallhuber (Leitung von Blasorches­tern) und Stefan Blunier (Sinfonik) beginnt im April ein weiterer neuer Kollege seine Tätigkeit: Jörg Achim Keller übernimmt die Ausbildung von Leitern von Jazzorchestern, einen Bereich, den es sonst so noch nirgendwo gibt. Gemeinsam mit den etablierten Professoren Cosima Sophia Osthoff (Oper) und Harald Jers (Chor) werden die neuen Professoren nun die Detailplanung der Angebote abschließen. Wir wollten sie nicht überfahren und alles schon vorab bis ins Kleinste festzurren. Sicher kann aber gesagt werden: Mit fünf vollen Professuren, einer zusätzlichen Gastprofessur und zahlreichen weiteren Lehrkräften ist das Dirigier-Zentrum hervorragend ausgestattet. Verabredet sind zudem zahlreiche Kooperationen im Rhein-Neckar-Raum, aber auch überregional wie beispielsweise mit meinem Bruder Cornelius Meister, dem neuen GMD in Stuttgart. Die festliche Eröffnung des Zentrums ist für den Oktober geplant.

nmz: Wie sieht die Struktur für den Studienverlauf aus?

Meister: Im ursprünglichen Antrag ist vorgesehen, dass die Studierenden einen Hauptschwerpunkt wählen, den sogenannten „Major“, und einen Nebenschwerpunkt, den „Minor“, also zum Beispiel den Major Sinfonik und den Minor Operndirigieren oder den Major Blasorchesterleitung mit dem Minor Jazzorchesterleitung. Dazu kämen dann weitere Wahlmöglichkeiten. Ob das endgültig so bleibt, steht noch nicht fest, aber dies ist der Ausgangspunkt der Diskussion.

nmz: Sind die Bewerberzahlen für den Bereich Dirigieren gestiegen?

Meister: Die Bewerberzahlen sind bereits gestiegen und das, obwohl für Jazzorchesterleitung noch gar keine Aufnahmeprüfung stattgefunden hat.

nmz: Es war auch eine Professur für die Leitung von „Avantgardeensembles“ geplant. Was ist daraus geworden?

Meister: Wir sind glücklich mit Herrn Blunier jemanden gefunden zu haben, der gleichermaßen die Sinfonik wie die Avantgarde vertreten kann und der diese beiden Bereiche auch anbieten wird. Die fünf baden-württembergischen Musikhochschulen haben ja die zusätzlichen Stellen nur befristet bis zum Sommer 2021 bekommen. Wir werden sehr darum kämpfen, dass sie unbefristet verstetigt werden, aber dafür gibt es bislang keine Zusagen. Wir müssen also schlimmstenfalls damit rechnen, wieder auf unseren früheren Stellplan zurückgeworfen zu werden. Deshalb haben wir uns entschieden, die vorhandene halbe Professur für das Dirigat von Avantgardeensembles nicht auszuschreiben. Wenn man Stellen nicht besetzt, kann man im Gegenzug Mittel vom Land erhalten. Diese investieren wir in den Bereich Fremdensembles, damit die Studierenden so viel wie möglich dazu kommen, auch tatsächlich mit Orchestern und Chören zu arbeiten. Das kann nicht von den Hochschulensembles allein abgedeckt werden.

Umwidmungsprozess

nmz: Wenn die Verstetigung nicht kommt, müssten Sie an anderer Stelle sparen, um das Landeszentrum in der jetzigen Form zu halten…

Meister: So ist es. Dabei hatten wir ja schon einen Umwidmungsprozess, da jede Hochschule zwei Professuren in einen zentralen Stellenpool abgeben musste, die dann für das jeweilige Landeszentrum wieder zur Verfügung gestellt wurden.

nmz: Welche waren das bei Ihnen?

Meister: Es waren Professuren für Klavier und Musiktheorie. Falls sich das Land gegen eine Verstetigung der befristeten Stellen entschließen würde, dann käme ein zweiter Umwidmungsprozess auf uns zu, der natürlich noch schmerzhafter wäre.

nmz: Dann müssten Sie sich sinnvollerweise auch mit den vier anderen baden-württembergischen Hochschulen absprechen, oder?

Meister: Ja, wobei das schon gemacht wurde, sowohl in Bezug auf die Landeszentren wie auch die Frage, ob bestimmte Angebote eingespart werden können. Wir sind aber jetzt in einer Situation, wo es in Mannheim kaum noch möglich wäre weitere Angebote einzustellen.

Auswirkungen der Studiengebühren

nmz: Wie wirken sich die Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Ländern aus?

Meister: Die Bewerberzahlen dieser Gruppe waren zum Herbstsemester 2017/2018 zehn Prozent niedriger als im Jahr zuvor. 2015 waren sie aber noch etwas geringer. Wir bewegen uns also bisher im Bereich üblicher Schwankungen. Trotzdem – da sind wir uns an den Hochschulen alle einig – wäre es ein Problem, falls das Land diese Gebühren auf Dauer im Alleingang erheben würde. Ich persönlich habe ein gewisses Verständnis für die Regelung, denn es ist besser die Einnahmen zu stärken als Ausgaben zu kürzen, aber auf Dauer darf es keine Benachteiligung baden-württembergischer Studierender geben.

nmz: Was bleibt von diesen Gebühren bei Ihnen?

Meister: Von 1.500 Euro verbleiben 300 Euro bei der jeweiligen Hochschule, der Rest geht an  das Land, da im Wissenschafts- und Kunst-Etat 50 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden sollen. Es besteht aber Vertrauensschutz, betroffen sind nur Studierende, die einen neuen Studiengang beginnen.

nmz: Welche neuen Entwicklungen haben die Strukturdebatten bei Ihnen noch ausgelöst?

Meister: Wir haben manche Planungen bestätigt gefunden, in anderen Bereichen aber auch Prioritäten verändert. Der Aufwuchs der staatlichen Finanzierung beträgt circa drei Prozent pro Jahr. So konnten wir zusätzliche Stellen in Bereichen schaffen, die vom Arbeitsmarkt besonders nachgefragt werden, wie die Elementare Musikpädagogik. Weitere neue Stellen wurden auch in der wissenschaftlichen Pädagogik und im medienpraktischen Bereich eingerichtet, in der Lehramtsausbildung haben wir ein Weltmusikangebot installiert und das Fach Deutsch als Fremdsprache ausgebaut.

nmz: Wie reagiert Ihre Hochschule auf die wachsende Sensibilität für das Thema Sexuelle Diskriminierung?

Meister: Wir haben ein umfassendes Netz von Personen entwickelt, die vertraulich angesprochen werden können. Es bleibt also in der Entscheidung der belästigten Person, ob sie möchte, dass Vorgänge öffentlich werden. Selbstverständlich hat das Thema auch für das Präsidium höchste Priorität. Es ist den Hochmitgliedern bewusst, dass es keine Toleranz gegenüber Belästigern geben darf. Für das Frühjahr haben wir auch eine Informationsveranstaltung mit einer Fach­anwältin geplant, um die Rechtskenntnis der Hochschulmitglieder zu verbessern. Hier besteht zum Teil noch Unsicherheit und Informationsbedarf zu den neuen gesetzlichen Regelungen.

Interview: Juan Martin Koch

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