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Zum guten Schluss geht der König baden

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„Ludwig II.“-Musical stellt sich findig den eigenen Anforderungen
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Er steht hiermit wohl im Widerspruch zum Urideengeber, Intendanten und Regisseur Stephan Barbarino, der einst von der theatralen Illumination des Königs (in Bayern gibt es nur einen) vor dem gut hundert Jahre alten Rohbau seines Schlosses Neuschwanstein träumte, und zum Ausstatter Heinz Hauser. Die nämlich gehen deftiger mit dem Sujet um, greifen beherzt ins Volle, ziehen Klischees an Land, wie man einst den toten König dorthin zog, und stemmen sie auf die in ein bayerisches Disney-Land verwandelte Bühne. Dazu durchforsteten sie die Souvenirstände vor dem Schloss und erkundigten sich offensichtlich, welche Artikel am besten an den Dollar-Amerikaner oder den Yen-Japaner abzusetzen seien. Für Schneeflocken und Schlitten mit königsblauem Monarchen im stülpbaren Wasserglas scheuten sie sich nicht, leibhaftige Pferde so abzudressieren, dass sie allabendlich der Geschwindigkeit einer Drehbühne stand halten. Äpfeln ist erlaubt. Mit Hauser und Barbarino sind Macher am Werk, die den Begriff Ästhetik nicht so ernst nehmen. Prächtig soll es halt sein. Und was prächtig ist, das bestimmt der Königs-Devotionalien-Markt.

Die normalen – oder sind es die abnormalen? – Kriterien sitzen schief. Man kann nicht, als wäre nichts geschehen, über ein Kunstereignis sprechen, wenn es sich bedingungslos hart gesetzten ökonomischen Kriterien unterordnet. An ihnen ist die „Sehnsucht nach dem Paradies“ zu messen: Auch wenn sich dieser Aussage zumindest der Komponist Franz Hummel hart widersetzen würde. Er steht hiermit wohl im Widerspruch zum Urideengeber, Intendanten und Regisseur Stephan Barbarino, der einst von der theatralen Illumination des Königs (in Bayern gibt es nur einen) vor dem gut hundert Jahre alten Rohbau seines Schlosses Neuschwanstein träumte, und zum Ausstatter Heinz Hauser. Die nämlich gehen deftiger mit dem Sujet um, greifen beherzt ins Volle, ziehen Klischees an Land, wie man einst den toten König dorthin zog, und stemmen sie auf die in ein bayerisches Disney-Land verwandelte Bühne. Dazu durchforsteten sie die Souvenirstände vor dem Schloss und erkundigten sich offensichtlich, welche Artikel am besten an den Dollar-Amerikaner oder den Yen-Japaner abzusetzen seien. Für Schneeflocken und Schlitten mit königsblauem Monarchen im stülpbaren Wasserglas scheuten sie sich nicht, leibhaftige Pferde so abzudressieren, dass sie allabendlich der Geschwindigkeit einer Drehbühne stand halten. Äpfeln ist erlaubt. Mit Hauser und Barbarino sind Macher am Werk, die den Begriff Ästhetik nicht so ernst nehmen. Prächtig soll es halt sein. Und was prächtig ist, das bestimmt der Königs-Devotionalien-Markt. Franz Hummel hingegen steht hinter seiner Musik, hinter den eingearbeiteten Brechungen und zynischen Innenwendungen, dürfte aber übersehen, dass das angepeilte Publikum diese gar nicht wahrnehmen will. Gesucht sind das direkt Deftige, das schwüle Ambiente im Song der Königsnymphen, wenn sie sich auf dem Sofa räkelnd von Cannabis singen. Hummel hat diese Bedürfnisse bedient und erstaunlicherweise zeigt sich hier am besten die kompositorische Souveränität. Im Veflechten von Musik aus zweiter oder dritter Hand, von Schnadahüpferl, Zwiefachen, Walzer, Offenbach-, Schumann- oder Wagnerismen, gewinnt er dem Material Flexibilität und Schärfe ab, griffig Süffiges. Der Beginn des zweiten Teils (4. und 5. Akt) dürfte der Renner bleiben, solange „Ludwig II.“ allabendlich am Schluss des Musicals im auf laue 28 Grad vorgewärmten See abtaucht.

Da aber, wo es ihm ernst wird, geht Hummel baden wie der König selbst. Es sind die Arien des blass bleibenden Königs, der somnambul durch eine ihm fremde Welt schreitet und vom besseren Menschen sinniert oder Visionen sentimentalisiert. Hier bleibt die Musik klebrig und fade, die eigenerfundenen Melodien, die nach einer Eingebung à la Puccini schmachten, heben nicht ab, sondern zerfließen breiig auf dem schlössernen Parkett. Dass man in Bezug auf das Musical nicht über Geschmack sinnieren sollte, darauf stößt einem schon die Inszenierung auf Schritt und Tritt die Nase. Doch auch ein frech gesetzter schlechter Geschmack, eine Geschmacklosigkeit können ja zumindest Schmunzeln machen. Die ach so ernst gemeinten Königsarien vermögen dies nicht. Sie sind wohl als Linderungsbalsam für Bastei-gebeutelte Seelen gedacht, doch zum Balsam gehört eben die Entzündung.

Also dann doch, auch wenn Hummel entsetzt grölende Massen vor seinem geistigen Auge haben dürfte: „Geld hamma koans“. Instinktsicher machte Stephan Barbarino diesen „Immobilien-Song“ der bayerischen Staatsbeamten zur Anruf-Melodie auf seinem Handy. Und der Leichte-Muse-Verwerter Hans R. Beierlein sicherte sich für sein Volksmusik-Duo Marianne und Michael gleich die Rechte an dieser Musiknummer. Es ist ein annoncierter Hit.

Und Hummel ließ hierbei jegliche Distanz zum Stoff hinter sich. Da wird bayrisch geschunkelt und die einzige, noch dazu flache Brechung dem Text („Geld regiert die Welt und wir regier’n das Geld“) überantwortet. Hummel ist hier im Grunde Sampler, der sich aus dem „Sprachschatz“ des Bierzelts ungeschminkt bedient. Die Nummer sitzt in ihren „I – IV – V – I“-Rastern und es wäre eigentlich nur noch abzuklären, warum der „Anton aus Tirol“ vielleicht doch noch eine Spur stärker ist als dieses königliche Beamtendelirium. Zur Klärung solcher Fragen aber fehlt der Kritik – leider – weitgehend das Instrumentarium. Es hängt wohl mit den Konnotationen von richtigem Sound zur rechten Zeit zusammen, und in diesen trüben Wässern verbleibt „Geld hamma koans“ vielleicht doch zu sehr im Egalitären. Denn von besser oder schlechter komponiert kann in diesem Umfeld von strikten Bedien-Mechanismen kaum die Rede sein.

So erweist sich das Musical „Ludwig II.“ letztlich als Geflecht von Ambitionen, den simpel bodenständigen, realkapitalistischen von Barbarino und den künstlerischen Anspruch einklagenden und zugleich launig verletzenden vom Hummel. Gerade darin aber mag die Chance des Stücks liegen, das ja nicht psychologische Tiefensicht auf den König avisiert, und schon gar nicht irgendwelchen avantgardistischen Ansprüchen genügen will, sondern schlicht und einfach die investierten Millionen wieder einspielen soll.

Gebt dem Königtreuen, was des Königstreuen ist. Bedient ihn, dass ihm Augen und Ohren übergehen, aber auch wieder nicht so, dass er in allen seinen Vorurteilen bestätigt ist. Dieses Konzept zumindest ist aufgegangen.

 

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