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Zwei Stradivaris lösen bundesweiten Bewerberboom aus

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Doppeljubiläum: Vierzig Jahre Deutsche Stiftung Musikleben, zehnter Wettbewerb des Deutschen Musikinstrumentenfonds
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Unter dem Dach der Deutschen Stiftung Musikleben gibt es seit zehn Jahren den Deutschen Musikinstrumentenfonds, ein gemeinsames Projekt mit dem Bund. Er ermöglicht jungen Begabungen, hochwertige, aus privater Hand kaum finanzierbare Instrumente zu spielen. 64 hervorragende junge Streicher aus nahezu allen Bundesländern fanden sich Anfang März zum zehnten Wettbewerb im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ein. Sie wollten eine der 32 wertvollen alten Geigen, Bratschen und Violoncelli, die in diesem Jahr neu zur Verfügung standen, als Dauerleihgabe erringen. Darunter erstmalig eine Violine von Giuseppe Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1728 sowie zwei Violinen von Antonio Stradivari, gebaut in den Jahren 1686 und 1703.

Unter dem Dach der Deutschen Stiftung Musikleben gibt es seit zehn Jahren den Deutschen Musikinstrumentenfonds, ein gemeinsames Projekt mit dem Bund. Er ermöglicht jungen Begabungen, hochwertige, aus privater Hand kaum finanzierbare Instrumente zu spielen. 64 hervorragende junge Streicher aus nahezu allen Bundesländern fanden sich Anfang März zum zehnten Wettbewerb im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe ein. Sie wollten eine der 32 wertvollen alten Geigen, Bratschen und Violoncelli, die in diesem Jahr neu zur Verfügung standen, als Dauerleihgabe erringen. Darunter erstmalig eine Violine von Giuseppe Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1728 sowie zwei Violinen von Antonio Stradivari, gebaut in den Jahren 1686 und 1703.Nachdem bekannt wurde, dass in diesem Jahr zwei Stradivari zur Vergabe anstehen, gaben viele der Teilnehmer ihre bisherigen Instrumente zurück in der Hoffnung, eine dieser Raritäten zu gewinnen. So auch Tanja Becker-Bender: Bislang spielte sie eine Guadagnini aus dem Fonds. Jetzt will sie eine Stradivari – oder doch die Guarneri?

Unbeeindruckt von den sich geradezu auf sie stürzenden Fotografen spielte Tanja Becker-Bender die millionenschweren Preziosen an. Nicht sie als Solistin stand im Mittelpunkt, nicht die „Partita“ von Johann Sebastian Bach, sondern die Geigen, die der Mäzen und Instrumentensammler Hannjörg Hereth dem Deutschen Musikinstrumentenfond treuhänderisch zur Verfügung gestellt hat.

Dazu die Künstlerin: „In den letzten Jahren und Monaten ist der Wunsch nach anderen Klangqualitäten in mir entstanden, nach ein bisschen mehr Glut im Ton, nach ein bisschen mehr Persönlichkeit. Und: Was heute im Konzertleben immer wieder gefordert wird, ist ein sehr tragfähiger Klang, vor allem wenn man mit großem Orchester spielt.“

Dass hier der eine oder andere junge Geiger, die eine oder andere Cellistin Russisch-Roulette spielt, wird klar, wenn man das Prinzip des Wettbewerbs kennt. Man kann sich nämlich nicht auf ein bestimmtes Instrument bewerben. Die Jury bewertet zunächst die Instrumente nach Wert und Klang. Dann spielen die Bewerber und werden, je nach Leistung und Alter, einzelnen Instrumenten zugeordnet. Mitsprache der Teilnehmer gibt es nicht. Irene Schulte-Hillen, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Stiftung Musikleben, zum Wirbel um die Stradivaris und die Guarneri del Gesù: „Alle sind der Meinung, dass die Guarneri del Gesu noch toller im Klang ist, obwohl jeder auf den Namen Stradivari fliegt. Der Name Stradivari löste einen richtiggehenden Neubewerbungsboom aus. Selbst diejenigen, die schon seit Jahren ein hervorragendes Instrument von uns spielen, hatten plötzlich die Idee, ob sie das nicht zurückgeben sollen und nicht besser eines dieser drei neuen kriegen könnten.“

Am Abend des dritten Wettbewerbstages standen dann die Ergebnisse fest: einundzwanzig Violinen, drei Bratschen und acht Violoncelli wurden an die jungen hoch begabten Musiker vergeben. Die Stradivari aus dem Jahre 1686, eine private treuhänderische Eingabe an den Musikinstrumentenfonds, wurde an Alina Pogostkin aus Heidelberg vergeben. Die zweite Stradivari, neu aus dem Besitz des Bundes in den Musikinstrumentenfonds eingebracht, spielt in Zukunft Jermolaj Albiker aus Berlin. Tanja Becker-Bender (Stuttgart/New York) erspielte sich die Violine von Giuseppe Guarneri de Gesù, Cremona 1728.

Das Cello von Giovanni Baptista Grancino, Mailand um 1700, das kürzlich dank einer Spende der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung für den Fonds erworben werden konnte, ging an die 21-jährige Monika Leskovar aus Berlin. Die jüngste Preisträgerin war die 14-jährige Laura Möhr aus Verl: Sie erhielt eine Viola von Carlo Antonio Testore, Mailand 1740.

Der Deutsche Musikinstrumentenfond kann heute auf zehn Jahre erfolgreiche Arbeit zurückblicken. Er ist heute die bedeutendste Unternehmung der Deutschen Stiftung Musikleben, die in diesem Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum begeht. Irene Schulte-Hillen über die Stiftungsgründung: „Gegründet wurde die Stiftung 1962 von begeisterten Kaufleuten, in Hamburg namentlich vom Musikverleger Hans Sikorski und dem Kaufmann Wolfgang Essen. Zusammen mit bedeutenden Persönlichkeiten aus der Wirtschaft machten sie es sich zur Aufgabe, jedes Jahr einen bestimmten Betrag zu sammeln. Der wurde dann dem Deutschen Musikrat übergeben mit der Bitte, etwas Sinnvolles im Sinne der Ziele der Stiftung damit anzustellen. Hintergrund war, dass man sich zu dieser Zeit Sorgen um den Nachwuchs in den Sinfonieorchestern machte, insbesondere was Bratsche und Kontrabass betraf.“

Das war 1962. Im Jahr darauf, 1963, wurde der Wettbewerb ”Jugend musiziert” ins Leben gerufen, der ohne engagierte Förderer wie dem Bundesfamilienministerium auf der einen und der Stiftung auf der anderen Seite nicht zu seiner heutigen Größe und Bedeutung hätte heranwachsen könne.

Gemeinsam mit der damaligen Programmleiterin Heike Siebel organisierte Irene Schulte-Hillen zur Belebung der Stiftung von innen heraus zunächst Kammermusik-Konzerte der „Jugend musiziert“-Preisträger und große Musikfeste mit Stipendiaten und Preisträgern, zu denen die Spender eingeladen wurden.

Heute macht die Stiftung 30 - 40 Konzerte und Musikprogramme pro Jahr. Nach wie vor arbeitet sie eng mit dem Musikrat zusammen, indem sie sich an der Grundfinanzierung konkreter Projekte, des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ und des Bundesjugendorchesters beteiligt, für das sie auch zwei große Auslandstourneen nach Amerika und Polen veranstaltet hat. Zur Bewältigung der wachsenden Aufgaben verstärkte sich die Stiftung auch personell – heute besteht das Team aus vier Mitarbeiterinnen und erweitert sich bei großen Veranstaltungen um ehrenamtliche Helfer. Der Vorstand, die Kuratoren, Juroren und viele Fachleute arbeiten ehrenamtlich für die Ziele der Stiftung. Mit anderen fördernden Stiftungen gibt es Kooperationen, etwa mit der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung oder der Dr. Meyer-Struckmann-Stiftung und insbeson-dere mit der ZEIT-Stiftung: Tanja Becker-Bender gehört neben Viviane Hagner und Clemens Trautmann zu den ersten, deren Graduiertenstudium an der Juilliard School in New York durch das Gerd-Bucerius-Förderstipendium ermöglicht wurde.

Deutsche Stiftung Musikleben, “Jugend musiziert“, Wettbewerb des Deutschen Musikinstrumentenfonds: das sind mit Sicherheit drei Erfolgsstories. Dass dennoch jedes Jahrzehnt seine eigenen Probleme und Anforderungen an die Nachwuchsförderung stellt, betonte der Juryvorsitzende Thomas Brandis, langjähriger Konzertmeister der Berliner Philharmoniker: „Wir brauchen uns um unseren Musikernachwuchs keine Sorgen zu machen. Das Einzige, was mir Sorgen bereitet: Viele von diesen begabten Leuten wollen nicht ins Orchester! Und beim Orchesternachwuchs hapert es immer noch. Es ist ganz traurig, was für Leistungen manchmal bei Probespielen geliefert werden.”

Glaubt man Thomas Brandis, dann wollen junge Musiker von heute sich in erster Linie selbst verwirklichen. Festes Gehalt, Bausparvertrag und eingeteilte Dienste in einem Orchester sind scheinbar weniger attraktiv als das freie, finanziell dagegen wenig abgesicherte Leben eines Solisten.

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