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Zwischen Tristesse und Zufriedenheit

Untertitel
Eine Wiederentdeckung: Notger Ignaz Franz von Beeckes Klaviersonaten
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Notger Ignaz Franz von Beecke (1733–1803): Zwei Sonaten für Pianoforte +++ Sonate a 3 für drei Klaviere

 

Notger Ignaz Franz von Beecke (1733–1803): Zwei Sonaten für Pianoforte, Edition Walhall/Verlag Franz Biersack, Magdeburg, 2011, EW 847

Sonate a 3 für drei Klaviere, Edition Walhall/Verlag Franz Biersack, Magdeburg, 2011, EW 849

Schon der Name des Komponisten ist wohl kaum noch bekannt, obwohl Musiklexika zum Teil ausführliche Beschreibungen über Leben und Werk des Ignaz von Beecke enthalten. Man staunt, was über seine vielfältigen musikalischen Aktivitäten an deutschen Fürstenhäusern zu berichten ist, von den Kunstreisen mehrmals nach Wien oder Paris, ferner über Begegnungen und Freundschaften mit vielen Großen seiner Zeit. Andererseits bleibt er unerwähnt in den repräsentativen Fachbüchern zur Klaviermusik bei Walter Georgi und Klaus Wolters. Umso mehr dürfte die Publikation der vorliegenden Sonaten für Klavier(e) eine Überraschung sein. Stilistisch, handwerklich im Umgang mit Form und Strukturen sowie in Handhabung der harmonischen Klangpalette erlebt man einen souveränen Könner mit eigenem Format. Er ist Komponist der Klassik, was ihn nicht hindert, in der ersten der zwei Sonaten mit Kapriolen in der Richtung von Programmmusik nach barocker Art aufzuwarten – ohne bestimmten Formzwängen zu folgen, dem Spiel mit kleinen Motiven den Raum überlassend. So reihen sich aneinander: Tranquillité, Tristesse, Zerwürfnis mit Wortstreit, Rücknahme, Bonne harmonie, Freude und Zufriedenheit. Im Kopfsatz der hier zweiten Sonate folgt von Beecke genau dem Prinzip des klassischen Sonatenhauptsatzes. Galante Themen sind vorhanden, und mit des Komponisten Inspiration ist das Wandern durch die Tonarten sehr anregend in der Durchführung, deren fast vollständige Färbung in Moll gegen den sonst durchweg heiteren Dur-Charakter des Satzes steht. Der abschließende zweite Satz deutet zunächst auf ein Menuett, ist aber dann als Rondo zu erkennen, wobei von Beecke gegen Ende mit einem eigentlich nicht mehr zu erwartenden Minore überrascht. Stört er damit das Bild des klassischen Rondos oder ist es eine Bereicherung? Der Interpret ist mit seinen Ausdrucksmöglichkeiten gefragt. Vieles hat er in der Hand, was noch einen Blick auf die Dynamik als Ganzes veranlasst: In beiden Sonaten findet man zweimal dynamische Hinweise. Im Übrigen enthält sich von Beecke dieser Angaben völlig, was einerseits erstaunen mag, weil aufgrund prägnanter Strukturen bei ihm eine große Differenzierung in dynamischer Richtung als ungeschriebene Forderung über den Kompositionen und ihrer Wiedergabe schwebt. Andererseits ist auch bei den Großen, Haydn und Mozart, zu beobachten, dass dynamische Anweisungen mal üppiger, mal sparsamer erscheinen oder auch fast völlig vernachlässigt sind. Oft haben wir Hilfestellung durch Herausgeber. Hier aber erwächst dem Interpreten die Aufgabe, ein Stück des kompositorischen Schöpfungsprozesses ganz persönlich mitzubestimmen.

Über die Sonate a 3 sei so viel gesagt: Sie entstand 1785. Bei seinen Reisen nach Italien war von Beecke häufig Gast bei Gräfin Wilhelmine Thun. Für sie und ihre Töchter schrieb er das Werk. Man sollte es aus dem gegebenen Anlass mehr unter dem Nutzeffekt eines Musikstückes für drei Spieler/innen an drei Klavieren betrachten, als sich gedrängt fühlen, etwas Besonderes in dem kreativen Feld des Komponisten herausfinden zu müssen. Ohne Einschränkung ist positiv festzuhalten: Dialogisierend oder im Zusammenspiel ergibt sich ein unterhaltsames Miteinander für die Akteure. Kleine Motive oder ausgeformtere Themen wechseln ständig zwischen den Partnern.

Etwas sei noch erwähnt: Der vorliegende Notenband enthält dem Autograph folgend in Partiturform die Partien der drei Spieler untereinander angeordnet mit Instrumentenhinweis: Cembalo, Pianoforte I, Pianoforte II. Im Titel auf dieser Seite ist wiederum zu lesen „Sonate a 3 Pianoforte“, was unmissverständlich auf das damals neu aufgekommene Hammerklavier, unser heutiges Klavier, zu beziehen ist. Was Benutzer der Noten im ersten Augenblick irritieren könnte, darf als vom Komponisten beabsichtigte Option einer Variante bei der Wahl der zu verwendenden Tasteninstrumenten verstanden werden. Der Schwierigkeitsgrad liegt überall im mittleren Bereich.

Die Edition der beiden Notenausgaben ist mit einem Novum verbunden, nämlich eine solche Arbeit in den Studiengang an einer Musikhochschule einzubringen – eine hervorragende Idee! Es geht hier um Studierende der Folkwang-Universität Essen unter Prof. Christian Rieger. Im Notentitel heißt es „Cembaloklasse“, in der Einleitung „Klasse für historische Tasteninstrumente“; das eine klingt mehr nach praktischem Instrumentalstudium, das andere mehr nach Musikwissenschaft. Etwas mehr darüber und dem Anteil der Studierenden an der gesamten Arbeit bei der Publikation zu erfahren, wäre lohnenswert – vielleicht noch mit einem kleinen Beiheft nachzuholen.

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