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Das Pianisten-Paar Genova &amp
Das Pianisten-Paar Genova &amp
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Zwischen zwei Welten

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Das Pianisten-Paar Genova & Dimitrov
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Ein perfekt aufeinander eingespieltes Team – sowohl auf dem Podium, als auch im Leben hinter der Bühne: Aglika Genova und Liuben Dimitrov sind privat und künstlerisch ein Paar, teilen Leben und Arbeiten, Erfolg und Tourneestress miteinander. Ende 1995 entschlossen sie sich, ihre erfolgsversprechenden Solokarrieren zu bündeln und eine pianistische Laufbahn gemeinsam in Angriff zu nehmen – und gewannen seitdem von München bis Miami alle wichtigen Wettbewerbe ihres Fachs. Von der International Piano Duo Federation wurden sie auf der Grundlage komplexer Statistiken zum „erfolgreichsten jungen Klavierduo unserer Zeit“ ernannt, zahlreiche Rundfunk- und Fernsehproduktionen dokumentieren neben CD-Einspielungen eine vielbeschworene „Magie des Zusammenspiels“.

Begonnen hatte alles mit Chopins Etüde op. 25/11, die die beiden Meisterklassen-Studenten Vladimir Krajnews an der Musikhochschule Hannover zum Einspielen für die nächste Unterrichtsstunde zum Spaß synchron an zwei Konzertflügeln spielten – im Rahmen der Vorbereitung für den Internationalen Klavierwettbewerb in Seoul, wo beide erfolgreich solistisch antraten. Bernd Goetzke, Leiter der Klavierabteilung in Hannover, kam, sah und staunte – und hatte spontan die Idee, aus den beiden angehenden Pianisten ein Duo zu formen. Nach einer über die Maßen erfolgreichen Teststrecke – mit den Stationen Hochschulwettbewerb Hannover, Bellini-Wettbewerb und Tokio-Klavierduo-Wettbewerb im Zwei-Monats-Takt – stand der Entschluss fest, auf professioneller Basis als Duo weiterzumachen.

„Ein richtiggehender Grand Slam“, beschreibt Liuben Dimitrov die Wettbewerbs-Parforce-Tour, der sich noch erste Plätze bei ARD- und Dranoff-Wettbewerb anschlossen. „So waren wir gezwungen, in kürzester Zeit ein Repertoire zu erarbeiten, von dem wir immer noch zehren – in einem Konzertbetrieb, wo man es sich leider kaum leisten kann, sich einem Projekt länger zu widmen.“ Bei der Umstellung zum Duo-Spiel profitierten die beiden vor allem von ihrer solistischen Ausbildung und Erfahrung – „das war wie eine Brücke“, erklärt Aglika Genova – und solistisch geprägt ist bis heute auch die Herangehensweise des Duos: „Die meiste Zeit der Vorbereitung ist eigentlich dem einzelnen Spiel gewidmet; erst wenn sich jeder für sich für seine Partie ein ganz konkretes Bild aufbauen konnte, gehen wir zusammen an zwei Instrumente und teilen diese Ideen mit, lassen sie verschmelzen.“

Dieses solistische Denken ist auch charakteristisch für das Klangideal des Duos – „ein Dialog zwischen zwei starken Individuen“, der seine Schönheit auch aus dem „Spannungsfeld zwischen den zwei Polen“, männlich und weiblich, bezieht. Gewissermaßen „entsprechend der Stimmlage“ übernimmt Aglika Genova dabei den ersten Part, was beim vierhändigen Spiel auch aus optischen Gründen für das Publikum sinnvoller erscheint. „Im vierhändigen Bereich ist es vielleicht von Vorteil, dass wir auch privat ein Paar sind – für diese teilweise fast akrobatische Pianistik mit Ellbogen übereinander et cetera, die man dafür entwickeln muss“, meint Liuben Dimitrov, „sonst ist es – rein musikalisch betrachtet – eher untergeordnet: Auf dem Podium fühlen wir uns eher als Kollegen, die eine große Verantwortung tragen, auf den anderen zu reagieren und dabei selbst das Bestmöglichste zu leisten.“

Gemischtgeschlechtlich sind aller-dings auch die wenigen Kollegen im Bereich Klavierduo, die Genova-Dimitrov neben zahlreichen solistischen Vorbildern von Gould bis Rubinstein besonders schätzen: „Martha Argerich und Nelson Freire sind beispielsweise solche Duo-Partner, die auch im Zusammenspiel ihre jeweilige künstlerische Identität nicht verlieren.“ Speziell für den vierhändigen Bereich nennt Dimitrov das Duo Yaara Tal & Andreas Groethuysen und auch unter den zahlreichen Brüder- oder Schwestern-Ensembles findet sich ein musikalisches Vorbild: „die Kontarskys – denn die spielen nicht wie zwei Brüder, von denen sich einer dem anderen unterordnet, sondern wie zwei ausgeprägte pianistische Persönlichkeiten“.

Doch auch darüber hinaus gibt es künstlerische Parallelen zwischen den Kontarskys und Genova & Dimitrov – mit einem deutlichen Repertoire-Schwerpunkt im Bereich der Moderne. 1999 spielten Genova & Dimitrov sämtliche Klavierduo-Werke von Dmitrij Schostakowitsch auf CD ein; im letzten Jahr erschien mit Bohuslav Martinu’s Konzert für zwei Klaviere und Alfred Schnittkes vierhändigem Klavierkonzert in einer Produktion mit der NDR-Radiophilharmonie unter Eiji Oue eine Referenzaufnahme zweier ganz unterschiedlicher Kompositionen der Neuen Musik, die das Duo mit bewährter Verve und Sensibilität in ihrem jeweiligen Charakter differenziert begreifbar macht: Schnittkes spätes Konzert von 1988 mit seiner de-
pressiven psychologischen Disposition – „extrem anstrengend, diese fast apokalyptische Musik durch Kopf und Herz passieren zu lassen; dass wir mit der Witwe von Schnittke Kontakt aufnehmen konnten, hat uns dabei sehr geholfen“ – und Martinus brillante, energiegeladene Musik mit ihrer Verbindung aus motorischer Getriebenheit der Moderne und den kräftigen Farben einer sublimierten tschechischen Folkore.

Eine eigenwillige Synthese aus folkloristischen Elementen und westlichen Einflüssen wie Jazz und Modetänzen der 30er-Jahre ist auch prägend für das Œuvre des Bulgaren und Weltbürgers Pancho Vladigerov, dessen gesamtes Klavierduo-Werk Genova & Dimitrov im Jahr 2000 aufgenommen und im bulgarischen Pavillon auf der Expo präsentiert haben.

Ein mit der Einstudierung aus 500 Manuskript-Seiten so spannendes wie stilistisch perfekt auf das Duo zugeschnittenes Projekt – sind doch auch Genova & Dimitrov Musiker zwischen zwei Welten: als Kinder zweier Musikerfamilien griechischer Abstammung in Bulgarien geboren, mit einer klassischen Laufbahn aus bulgarischer Spezial-Musikschule, Grundstudium an der Musikhochschule in Sofia (bei Giulia und Konstantin Ganev, die auch als Klavierduo konzertierten), danach Meisterklasse in Hannover und nun ständigem Wohnsitz in Deutschland. 2001 wurden sie in Bulgarien zu „Musikern des Jahres“ ernannt, sie konzertieren so oft es der enge Tournee-Plan erlaubt auch dort, sind aber mittlerweile auch rund um den Globus zu Hause. In dieser Saison debütiert das Duo in Kanada, der Schweiz und im Rahmen der Europalia Belgium, außerdem sind Tourneen nach Polen, Mazedonien, Brasilien und Afrika und auf dem Weg Konzerte in Washington und Wien geplant; Ende Februar erscheint eine Einspielung sämtlicher Klavierduo-Werke von Johann Christian Bach, ein Orchesterprojekt und eine weitere CD sind bereits in Planung. Man darf gespannt sein.

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