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100 Jahre deutscher Schlager: Vom Walzer-Strauss zu Helene Fischer

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Gronau - Jimi Hendrix, Udo Lindenberg oder Elvis Presley spielen in den nächsten Monaten in Gronau nur eine Nebenrolle. Das Rock'n'Popmuseum im westlichen Münsterland geht für ein halbes Jahr fremd. Das Haus zeigt die Sonderausstellung «100 Jahre Deutscher Schlager!» und präsentiert dazu die passenden Gesichter ihrer Zeit: Zarah Leander, Heinz Rühmann, Peter Kraus, Roy Black, Udo Jürgens, Andy Borg, Jürgen Drews oder Helene Fischer. Und nicht zu vergessen der Moderator der «ZDF-Hitparade», Dieter Thomas Heck.

 
 
 Dabei geht es aber weniger um die Musik, sondern um die historischen Hintergründe. Die Macher der Ausstellung zeigen in sieben chronologischen Abschnitten, wie der Begriff Schlager entstand, warum Schlager in den verschiedenen Epochen erfolgreich waren und warum sie von den einen gehasst und von den anderen gefeiert wurden.
 
 Moderator Götz Alsmann und die schwedische Sängerin Bibi Johns («Gipsy Band», «Aber Nachts in der Bar») eröffneten die Ausstellung am Mittwoch. «Der Schlager ist kein musikalischer Gattungsbegriff», sagte Alsmann zum Start. Die Bandbreite sei so groß, dass musikalisch nicht alles unter einen Hut zu bringen sei.
 
 Angefangen hat alles mit Operetten von Johann Strauss. Den Begriff Schlager transportierten Zeitungsmacher damals aus Begeisterung über den Walzer «An der schönen blauen Donau» aus der englischen Sprache der Kaufleute in die Musikwelt. Aus dem Hit, dem gut verkauften Produkt in der Sprache der Händler, wurde der Schlager in der Welt der Unterhaltung. «Allerdings würde man heute dieses Stück von Strauss sicherlich nicht mehr als Schlager bezeichnen», sagte Kulturhistoriker und Kurator Ingo Grabowsky zur Eröffnung.
 
 Eine erste Erfolgswelle gab es in den 1920er-Jahren. Die Schlager hatten schlüpfrige und frivole Texte. Es ging um Sex und heimliche Affären. Während der Nazi-Zeit wurde die Musik instrumentalisiert. Die Ausstellung beleuchtet die Rolle der schwedischen Sängerin Zarah Leander (1907-1981), die auf einem Plakat vor einem großen Hakenkreuz posiert.
 
 Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der Schlager die Darstellung der heilen Welt. Die Deutschen wollten abschließen mit der Vergangenheit. In den 60er Jahren erreichte der Schlager seine kommerziell erfolgreichsten Jahre. Am Ende des Jahrzehnts aber deutete sich sein Niedergang bereits an. Der Schlager galt als miefig und rückwärtsgewandt.
 
 Nach dem Trend zum volkstümlichen Schlager sorgten Guildo Horn und Dieter Thomas Kuhn zum Ende des Jahrtausends für ein Comeback der Schlagerszene. «Schlager werden heute meist bei großen Veranstaltungen in der Gruppe gefeiert. Die Ablehnung bei jungen Leuten gibt es längst nicht mehr. Beim Schlager-Move in Hamburg feiern Zehntausende gemeinsam», sagte Museums-Kurator Thomas Mania.
 
 Alsmann bedauerte, dass die Schlagersänger in Deutschland nicht so vergöttert werden wie in Frankreich oder Italien. «Dort gibt es eine große Liebe zu den Interpreten. Wenn von ihnen einer stirbt, berichtet die Weltpresse. Wenn Udo Jürgens bei uns in 30 Jahren eines Morgens nicht mehr aufwachen sollte, wird der Stern wohl kaum sein Titelbild ändern», beklagte Alsmann.
 
 Die Besucher können den Streifzug durch die Schlagerwelt bis zum 27. April und vom 16. Mai bis zum 7. September unternehmen. 
 
Carsten Linnhoff
 
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