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Ein Mann in Sakko, Jeans und Joggingschuhen sitzt in einem Sessel vorgelehnt und hält einen Kontrabassbogen zwischen seinen Händen vor sich.
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Analytische Art am Kontrabass

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Dominik Greger führt seine Weimarer Klasse mit hoher Erfolgsquote
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Bei seiner Berufung auf die Professur für Kontrabass an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar im Jahr 2009 war Dominik Greger mit 27 Jahren jüngster Thüringer Professor. Inzwischen betreut der versierte Musiker seit 15 Jahren mit großem pädagogischen Erfolg seine Klasse, hat den Kontakt zur Berufspraxis aber nie gänzlich aufgegeben. Der frühere Solokontrabassist der Sächsischen Staatskapelle Dresden und des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin gastierte etwa beim MDR-Sinfonieorchester, der Staatskapelle Berlin, dem Bayerischen Staatsorchester und dem Sinfonieorchester des Westdeutschen Rundfunks. Jan Kreyßig hat ihn interviewt.

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Jan Kreyßig: Herr Prof. Greger, Sie waren zwei Jahre lang Solokontrabassist der Staatskapelle Dresden, danach Solist beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin …

Dominik Greger: Es war eine tolle Zeit, gerade hinsichtlich der Chefdirigententätigkeit von Marek Janowski in Berlin. In Dresden gab es ein riesiges Repertoire am Haus und jeweils nur ganz wenige Proben: das war hart. Zum Beispiel Alban Bergs Wozzeck mit nur einer Probe – und dann gleich die Aufführungen. Später habe ich in entspannteren Arbeitsverhältnissen noch vieles dazu lernen können. Zum Beispiel hatte ich durch Aushilfstätigkeiten über viele Jahre ein sehr intensives Verhältnis zur Staatskapelle Berlin. Man braucht als Berufseinsteiger gerade in den vorderen Positionen einen erfahrenen Kollegen, der einem behütend zur Seite steht und der diesen Spagat schafft zwischen ernst gemeinten Hinweisen ohne Bevormundung.

Kreyßig: Was waren damals Ihre eindrücklichsten Erlebnisse?

Greger: Das war die Vielfältigkeit in der Staatsoper Berlin! Mein Engagement dort fiel in die Zeit der Sanierung und wir spielten in der Ausweichspielstätte Schillertheater. Im Gegensatz zur riesigen Staatsoper mit coolem Theaterflair war das Schillertheater wie eine winzige Kabine – wie ein VW-Bus (lacht) – in die sich das Orchester hineingezwängt hat. Insgesamt am intensivsten war die Zeit mit Marek Janowski als Chefdirigent im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, den ich als einen wahnsinnig guten Probierer erlebt habe. Er kam wie mit einem Trainingsplan in eine Probe rein, hat keine Zeit verschwendet und war im Idealfall zehn Minuten früher fertig. Darüber hinaus besitzt er die Fähigkeit, eine Klangbalance auf höchstem Niveau auszutarieren. Er ist kein Zauberer, sondern erzielt sachlich und analytisch perfekte Probenergebnisse, die dann auch in den Konzerten immer gegriffen haben.

Kreyßig: Und was hat Sie dazu bewogen, als 27-Jähriger dem Ruf auf die Professur in Weimar zu folgen?

Greger: Ich musste mir die Frage beantworten: Kann ich mir vorstellen, vollumfänglich zu unterrichten und nicht mehr im Orchester zu spielen? Das konnte ich nach reiflicher Überlegung mit einem klaren Ja beantworten, weil mich die Entwicklung von musikalischen Persönlichkeiten sehr fasziniert. Im Alterssegment von 16 bis 26 Jahren passiert sehr viel bei den Menschen. Da ein Stück weit Teil davon zu sein und bei der Entwicklung zu helfen, ist ein extrem erfüllender Job. Trotzdem ist es bis heute nicht so, dass keiner mehr anriefe: Ich spiele immer noch zur Aushilfe in verschiedenen Orchestern.

Kreyßig: Selbst waren Sie ein Student von Prof. Horst-Dieter Wenkel, der einen hervorragenden Ruf als Pädagoge genoss. Was unterscheidet Ihre Unterrichtsstile?

Greger: Ich kann ihn nicht kopieren! Und das will ich auch nicht. Was ich gut fand, habe ich übernommen: eine gewisse analytische Art und das tatsächliche Verstehen des Bassspiels. Warum muss ich mehr Bogen nehmen, wenn ich lauter spielen möchte, und eine gewisse Klangvorstellung, die ich mit Prof. Wenkel teile: ein strahlender, heller, tragfähiger Klang. Wenn Menschen sagen, das klingt ja wie ein Cello, empfinde ich das eher als Kompliment. Diese Klangvorstellung ist entscheidend und die muss man dann vermitteln. Der Klang beim Bass ist laut und wuchtig, aber im großen Saal und in der letzten Reihe wird es akustisch schwer bei der langen schwingenden Saite. Das Ziel ist es, auf der Bühne einen Klang zu entwickeln, der in der letzten Reihe noch hell und tragfähig ankommt.

Kreyßig: Sie haben mit Ihrer Klasse regelmäßig Workshops außerhalb Weimars durchgeführt. Was war das Ziel?

Greger: Diese Klassenfahrten habe ich in den ersten Jahren viel gemacht, und ich würde auch nicht ausschließen, dass ich das mal wieder mache. Denn die Mitnahme aller Studierenden bleibt wichtig, besonders, wenn sie neu in die Klasse kommen. Ich spreche dann ganz konkret erfahrene Studierende an, um ihnen bei einem guten Einstieg zu helfen. Beide sollten etwas davon haben, wenn sie sich jeden Tag zehn Minuten treffen, aber oftmals ist diese Auseinandersetzung mit methodischem Sachverhalt sehr hilfreich für den Studierenden. Ich fördere ein Klima des gegenseitigen Lernens.

Kreyßig: Welche beruflichen Wege haben Ihre Absolvent*innen bislang eingeschlagen?

Greger: Bis auf wenige Ausnahmen spielen meine Alumni alle in Orchestern, oft als Solokontrabassisten oder Stellvertreter, bis hin zu Spitzenorchestern. Besonders erfreulich finde ich es, wenn man es in einem Spektrum an Begabungen von durchschnittlich bis Ausnahmebegabung schafft, fast jedem eine feste Stelle in einem deutschen Kulturorchester zu ermöglichen.

Kreyßig: Wie stehen Sie zur Lehre an Musikschulen?

Greger: Wenn wir gute Pädagogen an Musikschulen haben wollen, brauchen wir zunächst gute Künstler an den Hochschulen. Denn wenn ich jemanden zum Künstler ausbilde, bilde ich ihn auch als Pädagogen aus. Letztlich ist jeder Unterricht bei mir auch Fachdidaktik und Unterrichtspraxis, damit meine Studierenden das irgendwann auch ohne mich können. Das Studium ist ein permanentes Abnabeln. Das Ziel ist ja immer, dass der Student irgendwann ohne den Lehrer klarkommt.

Kreyßig: Vielen Dank für das Gespräch!

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