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Prof. Elmar Fulda, HfMDK Präsident (Mitte), im Gespräch mit Lewin Krella, AStA-Finanzreferent. Foto: Max Borchardt

Prof. Elmar Fulda, HfMDK Präsident (Mitte), im Gespräch mit Lewin Krella, AStA-Finanzreferent. Foto: Max Borchardt

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… damit uns die Welt nicht davonfährt …

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Präsident Elmar Fulda im Gespräch mit Studierenden über politische Teilhabe
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Die Zahl lässt aufhorchen: In Deutschland machen die Menschen unter 30 Jahren nur 14 Prozent der Gesamtwählerschaft aus. Damit verschiebt sich der Fokus der Politik – weg von den Themen der Jüngeren, stärker hin zu Anliegen der über Sech­zigjährigen, die die größte Wählergruppe bilden. Dieses Phänomen nennt die Wissenschaft Adultis­mus. Deshalb fordert Aladin El-Mafaalani, Profes­sor für Migrations- und Bildungssoziologie an der TU Dortmund, eine „radikale Partizipation von jun­gen Menschen bei allen Fragen, die sie betreffen – auch und vor allem in Bildungsinstitutionen“. An­nabel Louise Bücker, StuPa-Präsidentin, studiert Lehramt Musik an Gymnasien. Elias Benjamin Ohly ist AStA-Vorsitzender und studiert Lehramt Musik an Haupt- und Realschulen sowie Gymnasium. Lewin Krella ist verantwortlich für die Finanzen der Studierendenvertretung und studiert im Bachelor Violoncello. Prof. Elmar Fulda ist Präsident der HfMDK Frankfurt.

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Elmar Fulda: Welche Belange Ihrer Generation vermissen Sie in der aktuellen politischen Debatte? 

Annabel Louise Bücker: Ich finde, dass generell zu wenig danach gefragt wird, was junge Menschen be­schäftigt; sie sind selten Thema oder gar Teil der poli­tischen Diskussion. Die Boomer-Generation versucht nicht allzu oft, sich empathisch in unsere Lage zu versetzen. Für mich ist ein wichtiges Thema die Frage nach mentaler Gesundheit, gerade im Kontext der zunehmenden Digitalisierung. Welche Auswirkungen hat dieser Wandel auf unsere Generation? Die durch die Digitalisierung gestiegenen Anforderungen und die damit verbundene Beschleunigung sind Belastungen, denen die Politik zu wenig Beachtung schenkt. Stattdessen werden die jungen Menschen oft als eher passiv und faul wahrgenommen. 

Lewin Krella: Konkret müssten die Politiker eine Diskussion mit der jungen Generation darüber führen, müssten wir alle besprechen, wo wir als Gesellschaft überhaupt hinwollen. Welche Vision haben wir angesichts eines stetig wachsenden Leistungsdrucks? Dazu gehört auch die Frage nach der politischen Kultur: Was wir aktuell an Debattenstil 

im Bundestag erleben, ist Ausdruck dafür, dass der Ton in der Gesellschaft insgesamt rauer wird. 

Wie sieht ein optimal entwickeltes Deutschland Ihrer Vorstellung nach aus, wenn Sie selbst 60 Jahre alt sind? 

Bücker: Das ist schwer zu beantworten, weil ich in der politischen Debatte ein Denken erlebe, das sich immer auf die aktuelle Legislaturperiode beschränkt und wenig nachhaltig wirkt. In meiner „Wunschwelt“ sind Zugewanderte gut integriert, weil wir ihnen Deutsch beigebracht und unsere Kultur vermit­telt haben, und zwar bereits in der Schule. Statt Menschen abzuschieben, die nach Deutschland kommen, sollten wir schauen, wie wir von und mit ihnen und sie von uns profitieren können. Gleich­zeitig haben wir unser Gesundheitssystem stabi­lisiert und die ökologischen Ressourcen im Blick, die wir nutzen und in die wir weiter investieren. 

Krella: Ich wünsche mir Solidarität der Reichsten mit den Ärmeren. Und eine Politik, die Probleme deutlich schneller löst als bisher, zumal das Internet wie ein Katalysator für Beschleunigung wirkt. Es gibt viele Chancen, Probleme gemeinsam zu lösen: Wir müssen nur häufiger mutig sein und Neues wagen. Darin sind junge Leute oft besser, vielleicht weil sie aufgrund weniger schlechter Erfahrungen keine große Angst vor Fehlern haben. 

Elias Benjamin Ohly: Auf allen Ebenen sollte es eine stärkere politische Zusammenarbeit geben, zum Beispiel auf EU-Ebene, um Fragen wie Kli­mawandel und Bildungspolitik größer zu denken. Und: Verschiedene Generationen gestalten dann ihr politisches Umfeld gemeinsam. Wenn wir 60 sind, sollten genügend Pflegeplätze verfügbar sein, ebenso eine angemessene Rente – im Angesicht des demografischen Wandels. 

Welche Fragen würden Sie Bundeskanzler Friedrich Merz stellen, wenn Sie ihn morgen treffen könnten? 

Ohly: Ich würde von ihm wissen wollen, wieso er Menschen aus der gesellschaftlichen Teilhabe auf­grund von Einkommen oder Herkunft ausschließt, wovor er Angst hat, warum er diese Angst schürt und warum die Grenzen für ihn geschlossen sein müssen. 

Bücker: Ich möchte von ihm wissen, ob es ihm wirklich um das Wohl des Landes geht. Er ignoriert mit seiner Politik einen Teil der Bevölkerung und hört oft weg. Er müsste aber hören, dass wir ein soziales Problem haben und es nicht nur um die deutsche Wirtschaft und die Beibehaltung des Wohlstands für die Boomer-Generation geht. Ich spüre bei ihm nicht den Willen, sich empathisch in die Alltagswelt von Frauen oder in weniger wohlhabende Leute hi­neinzuversetzen, sich zu fragen, wie Geringverdiener existenziell über die Runden kommen. 

Ihre Generation gilt – meines Erachtens zu Unrecht – als unpolitisch. Welche Rolle spielt Politik für Sie? 

Krella: Die Bundespolitik verfolge ich dauerhaft und ständig – weil ich selbst auf der Suche nach einer tragfähigen Vision bin, die das Land voranbringt. In dieser Hinsicht hat Friedrich Merz etwas richtig ge­macht, als er mehr Optimismus einforderte. Einblicke in die Landespolitik habe ich über mein Engagement an der Hochschule bekommen: Hier finde ich einiges noch unverständlicher als in der Bundespolitik. Auf Landesebene geht es in meinen Augen vornehmlich um Herzensprojekte von Landesministern, es fehlt mir eine dauerhafte Geradlinigkeit. 

Ohly: Wir jungen Leute sind schon sehr politisch – wir äußern uns aber so, dass es von der älteren Generation nicht wahrgenommen wird, beispiels­weise über die sozialen Medien. Ich gehöre selbst einer Partei an, bin damit aber einer der sehr we­nigen meines Alters. Warum das so ist? Vielleicht, weil Parteien mit ihrem Programm ein Gesamtbild vorgeben, das nicht zur jungen Gesellschaft passt, die sehr individuell ist und wahrgenommen werden möchte. Da fällt es schwer, sich vollständig mit einer Partei zu identifizieren. 

Bücker: Ich gebe Elias Recht: Die ältere Generation, die die Tagesschau sieht, findet uns und unsere Aktionen dort nicht. Die Politik traut uns jungen Menschen zu wenig zu. Ich erlebe, dass es in der Politik vor allem um Macht geht, und sich die Werte der Parteien verschieben. Darum finde ich es schwer, sich für eine Partei zu entscheiden. Die Rolle von Politikern sollte nicht sein, sich wie in einer Show gegenseitig anzufeinden und ein schlechtes Gewissen zu machen, sondern vielmehr das Land wirklich zu vereinen. 

Krella: Soziales und Bildung sind Schlüsselfaktoren für ein gesellschaftliches Weiterkommen. Im Mo­ment höre ich dazu in der Politik viele große Worte, erlebe aber wenig Konkretes. Wir haben nicht endlos Zeit, um zu sortieren, wie die Situation ge­rade ist: Die Welt fährt uns dann in einem anderen Tempo davon. Wir können uns nicht entspannen. Die aktuelle Politik spielt kleine Einkommen gegen keine Einkommen aus, also Geringverdienende ge­gen Menschen, die Bürgergeld empfangen. Das ist eine Scheindebatte, es geht um sehr wenig Geld, viel weniger, als eine angemessene Erbschaftssteuer einbringen könnte. Die Politik kürzt finanziell am unteren Ende und seziert damit den Sozialstaat weg. Auch, was die Bildungspolitik in Hessen betrifft: Der geforderte Sparkurs ist aus einer intellektuellen Perspektive heraus nur schwer zu ertragen. Ich denke da an den kürzlich verhandelten Hochschulpakt. 

Was ärgert Sie am Hochschulpakt? 

Krella: Dass der Koalitionsvertrag vorsieht, Hoch­schulen auskömmlich zu finanzieren, und diese nun über die nächsten Jahre so viel Geld einsparen müssen. Ich meine: Was wir heute versäumen be­ziehungsweise nicht investieren, wird uns in zehn Jahren auf die Füße fallen. 

Ohly: Schlimm ist, dass man mit dem radikalen Spardiktat des Hochschulpaktes so über den Hau­fen gefahren wird. Das Land streicht willkürlich Professuren, indem sie einfach nicht wiederbesetzt werden können. 

Wie nehmen Sie das in unserer Hochschule wahr: Haben Ihre Stimmen in Entscheidungen ein starkes Gewicht? 

Krella: Ich denke, dass gerade im Prozess der Ide­enfindung die Studierenden viel eingebracht haben – zum Beispiel gemeinsam mit dem GreenOffice die Begrünung im Innenhof und die Gestaltung der jährlichen Earth Night; oder als Vorschlag für alternative Überäume etwa die Musikschule Frankfurt. Und im Senat erlebe ich die Studie­renden als gutes und wichtiges Gegengewicht zu anderen Lebensrealitäten wie beispielsweise jenen von Professoren. 

Bücker: Mein Eindruck ist, dass wir in der Studie­rendenschaft bei der Raumsituation der HfMDK etwas bewirken konnten, beispielsweise durch Vollversammlungen. Zumindest denen, die da waren, konnten wir den Ernst der Lage vermitteln. Diese waren dann eine Woche später auch präsent, als der hessische Minister für Wissenschaft und Kunst ins Foyer kam und uns dort musizieren sah, weil Überäume fehlen. Bei jedem anwesenden Studierenden spürte man die politische Teilhabe. 

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Annabel Louise Bücker, StuPa-Präsidentin, und Elias Benjamin Ohly, AStA-Vorsitzender. Foto: Max Borchardt

Annabel Louise Bücker, StuPa-Präsidentin, und Elias Benjamin Ohly, AStA-Vorsitzender. Foto: Max Borchardt

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Bei welchen Themen und Prozessen sollten Studie­rende in der HfMDK mitreden können? 

Krella: Bei der Zukunftsentwicklung, also der Fra­ge, wo wir und die Hochschule hinwollen. Welche Visionen führen wir ins Feld? Was macht uns ein­zigartig? Warum ist die HfMDK hier in Frankfurt erhaltenswert und welchen Etatrahmen braucht sie, um gut arbeiten zu können? 

Ohly: Auf jeden Fall sollten wir dort mitsprechen können, wo es uns selbst und direkt betrifft. Ich nehme das Beispiel der Digitalisierung und die Installation des neuen internen Druckersystems, das viele Studierende wahrscheinlich noch nicht verstanden haben – oder die Einrichtung der neuen Cloud und der hochschuleigenen E-Mailadressen für alle. Dabei hätte es mehr Rücksprache mit den Studierenden bedurft. 

Wie kann die Hochschule politische Teilhabe von Studierenden fördern? 

Bücker: Durch eine andere Kommunikation: Mit einer Rundmail ist es nicht getan, weil sie nicht von allen gesehen wird. Es wäre gut, wenn noch mehr Studierende wüssten, mit was sich die Hochschulmitarbeiter*innen und die Gremien be­schäftigen, beispielsweise im Präsidium oder Senat. Interessant wäre auch, von Studierenden zu erfah­ren, wofür sie den Hochschuletat vor allem einsetzen würden, wenn sie stärker mitentscheiden könnten. 

Krella: Den Gedanken, ein Vizepräsidentenamt mit einem Studierenden zu besetzen, finden wir sehr gut – und hoffen, dass er im Senat angenommen wird. Dadurch könnten exakt die angesprochenen Kom­munikationswege verkürzt und verbessert werden. Da hat die Hochschule noch ein gewisses Potenzial zu heben – damit wir nicht so viel gegeneinander, sondern mehr miteinander reden. 

Was sind aktuell die größten Hürden für Studieren­de, sich in Hochschulprozesse einzubringen? 

Bücker: Vor allem die Zeit, sich mit weiteren kom­plizierten Themen zu befassen. Denn das Leben von Studierenden ist sehr unbeständig, voll und durchgeplant. 

Aber Sie bekommen es ja offenbar hin. 

Bücker: Ja, weil ich Lust darauf habe, weil es mich erfüllt und ich ein Interesse daran habe, mich ein­zubringen – es macht mir einfach Spaß. 

Ohly: Eine große Hürde ist sicher, sich einzuarbeiten und die Strukturen kennenzulernen. Viele Studie­rende wissen gar nicht, dass es einen Senat gibt. Dann bringt man sich darin natürlich auch nicht ein. 

Auf welchen Plattformen würden Sie gern Ihre Anliegen sichtbarer sehen? 

Bücker: Auf jeden Fall auf Instagram. Ansonsten würde ich sagen: in der Hochschule selbst, persön­lich zwischen Tür und Angel, im Foyer. Oft würde es schon helfen, ein Gesicht zu sehen. 

Krella: Egal, welche Plattform: Die Botschaft muss authentisch und mit Leben gefüllt sein. Wir müssen ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, das die Hochschule als Einheit erlebbar macht. Wenn Sie als Präsident einmal im Monat oder im Semester den Stand der Hochschule kommunizieren, kann dieses Gemeinschaftsgefühl wachsen. Wir dürfen im digitalen Zeitalter nicht aus den Augen verlieren, dass das „echte“ Gegenüber wie die persönliche Ansprache unfassbar wichtig sind und bleiben. 

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