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Foto von einem höheren Punkt auf ein Gelände herunterfotografiert: Ein Gebäude, ein gepflasterter Platz und einiges Grün an einem angelegten Teich.

Die parkartig gelegene Musikhochschule Freiburg – dieser Aspekt spielt eine wichtige Rolle hinsichtlich des Klimaschutzes. Foto: Georg Rudiger

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Der Weg ist das Ziel: Klimaneutralität

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Wie die Freiburger Musikhochschule Klimaschutz betreibt
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Auf das Dach geht es über eine Trittleiter im Kontrabasszimmer. Dann steht man auf der Freiburger Musikhochschule. Der Blick geht ins Grüne, die parkartige Umgebung gleicht einem Naherholungsgebiet. Am Teich vor der Cafeteria, der sogenannten MusiKantine, sitzen Studierende in der Sonne. Klimaschutzmanager Jesus Salazar da Costa Fernandes führt über das Dach, zeigt auf die Photovoltaikanlage, die auf dem Konzertsaal installiert ist. Er schwärmt von der natürlichen Beschattung des Gebäudes. Und erklärt, dass das Dach bepflanzt wurde und Tongranulat den früheren Kies ersetzt. Nur die Sukkulenten, stark wasserspeichernde Pflanzen, sind kaum zu erkennen, an einem anderen Gebäudeabschnitt noch gar nicht. Warum ist das so? Vielleicht wegen der zu großen Trockenheit – es gibt keine künstliche Bewässerung. Aber Costa Fernandes wird das näher untersuchen, sollten doch die Dachschrägen genügend Regenwasser liefern. Wie überhaupt der Klimaschutzmanager, der seit dem 1. Dezember 2024 im Amt ist, die gesamte Hochschule für Musik Freiburg einer genauesten Prüfung unterzieht und Maßnahmen vorschlägt, wie man bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden kann. 

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Im Gegensatz zum Bund, der sich erst das Jahr 2040 als Ziel für Klimaneutralität gesetzt hat, strebt das Land Baden-Württemberg dies schon zehn Jahre früher an. „The Länd“ möchte in Sachen Klimaschutz vorangehen. Und hat dafür auch einen „Klima Plän“ erstellt, der der Landesverwaltung, zu dem auch die Musikhochschulen gehören, einen Leitfaden zum besseren Klimaschutz in die Hand gibt. Nach der Ist-Analyse folgt die Potenzialanalyse. Einzelne Punkte im „Klima Plän“ lauten Energiemanagement, Freiflächen und Biodiversität, Auslastungsoptimierung und Beschaffungswesen. Um dies auch in der Praxis umzusetzen, besteht für die Musikhochschulen in Baden-Württemberg die Möglichkeit, durch die Bundesförderung der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) für zunächst zwei Jahre einen Klimaschutzmanager anzustellen. Um die Maßnahmen des von ihm erarbeiteten Klimaschutzkonzeptes umzusetzen, kann auch eine Folgeförderung von bis zu drei Jahren beantragt werden.

Der Diplomingenieur Jesus Salazar da Costa Fernandes war bislang an der Hochschule Offenburg Mitglied der Forschungsgruppe „Nachhaltige Energietechniken“ und ist Experte für Erneuerbare Energien und nachhaltigen Gebäudebetrieb. „Es hat mich immer gestört, dass der Drive des Klimaschutzes nicht greift. Wir müssen den Klimaschutz in die Gesellschaft tragen, wie es auch die neueren EU-Initiativen vorgeben. An einem Gebäude kann man sehr viel zum Positiven verändern“, sagt der neue Klimaschutzmanager. Und war durchaus angetan von der Ausgangssituation, die er an der Freiburger Musikhochschule vorfand. „Es gibt hier gerade auch beim technischen Dienst ein hohes Bewusstsein in Sachen Klimaschutz, das durch entsprechende Schulungen fachlich untermauert wurde.“ Bereits 2017 wurde ein zusätzliches, energieeffizientes Blockheizkraftwerk zur Wärme- und Stromgewinnung eingebaut, 2019 die Beleuchtung in der Hochschule und den Konzertsälen auf LED umgestellt. „Nach der Flachdachsanierung und der Teichsanierung erfolgte zuletzt eine energetische Sanierung der Fenster und der Eingangstüren“,  berichtet Ole Nahrwold, Leiter des Freiburger Amtes Vermögen und Bau Baden-Württemberg. Die restliche Photovoltaikanlage soll dieses Jahr auf das Dach, was dann eine Leistung von rund 400 Kilowatt-Peak ergeben würde. An sonnigen Tagen kann damit der gesamte Stromverbrauch des Gebäudes abgedeckt werden.

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Ein Mann in blauem Kurzarmhemd auf einem Dach mit reichlich PV-Anlagen. Im Hintergrund einige Baumwipfel.

Jesus Salazar da Costa Fernandes, im Hintergrund die Photovoltaik-Anlage, die auf dem Konzertsaal installiert ist. Foto: Georg Rudiger

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Die Hochschule für Musik Freiburg hat mit ihren 600 Veranstaltungen im Jahr wie auch andere Musikhochschulen des Landes ein besonderes Gebäudeprofil. Der Betrieb läuft von 7 Uhr bis circa 22 Uhr, allerdings nicht in allen Gebäudeteilen. Die Räume sind schallgedämmt. Übezellen können rund um die Uhr besucht werden. Neben dem Hauptgebäude hat die Musikhochschule 2024 einige weitere, zum Teil denkmalgeschützte Gebäude zu Verfügung gestellt bekommen, die nach dem neuesten Stand saniert werden. Auch was Mobilität angeht, haben Musikhochschulen ein besonderes Profil. Viele Lehrkräfte, die weiter entfernt wohnen, bieten Blockveranstaltungen an. Für die Eignungsprüfungen reisen Bewerberinnen und Bewerber auch aus China an. „Wir beobachten natürlich auch die Musikhochschulen, die die erste Runde der Eignungsprüfungen online durchführen. Bisher sehen wir insbesondere die Vorteile der Präsenz: Unsere Bewerberinnen und Bewerber schätzen den direkten Austausch mit den Lehrenden und die Möglichkeit, die Hochschule vor Ort kennenzulernen. Und entscheiden sich dann vielleicht bei mehreren Zusagen für uns“, sagt Kanzler Dominik Skala. Die Rekordbewerberzahlen in diesem Jahr stützen seine Argumentation. Aber hier zeigt sich, dass Klimaschutz auch hochschulintern zu Konflikten führen kann, wenn die genaue Mobilitäts-Analyse erst einmal vorliegt und Veränderungen diskutiert werden.

Auch die anderen Musikhochschulen des Landes haben Klimaschutzmanagerinnen angestellt. In Karlsruhe ist es Michaela Schorpp, die mit der Hochschule für Musik (HfM), der Hochschule für Gestaltung (HfG) und der Akademie für bildende Künste (ABK) gleich drei Hochschulen betreut. Ziel ist auch hier ein Energie- und Klimaschutzkonzept bis Mitte 2026. Als Schwerpunktthemen nennt Pressesprecher Albrecht von Stackelberg unter anderem den Energieverbrauch, die Beschaffung und die Mobilität. Und betont die gute ÖPNV-Anbindung und den Verzicht auf Dienstfahrzeuge (bis auf ein E-Fahrzeug) zu Gunsten einer CarSharing-Mitgliedschaft. Mara Schiecke ist an der Mannheimer Musikhochschule erst seit kurzem im Amt und muss die Gegebenheiten vor Ort erst noch kennenlernen. Aber auch sie wird einen umfassenden Maßnahmenkatalog, eine Verstetigungsstrategie, ein Controllingkonzept sowie eine Kommunikationsstrategie erarbeiten. Die Stuttgarter Musikhochschule stellt erst zum 1. Juli 2025 eine Klimaschutzmanagerin ein.

Geht man durch das 1984 errichtete, architektonisch reizvolle Backsteingebäude der Freiburger Musikhochschule, so fällt einem sofort die helle, freundliche Atmosphäre auf. Viel Sonnenlicht fällt durch die Dachfenster. Das luftige Foyer, das über mehrere Stockwerke alle Räume miteinander verbindet, dient der guten Kommunikation. Energetisch sei das Gebäude aber problematisch, weil keine thermische Entkopplung vorhanden sei, erklärt Costa Fernandes beim Rundgang. Wenn geheizt wird, steigt die Wärme durch die fehlenden Zwischendecken ganz nach oben – und fehlt dort, wo sich die meisten Menschen aufhalten. Im Sommer erhitzt sich das Gebäude besonders in den oberen Etagen. Für die natürliche Kühlung hat er aber schon eine Idee. Er möchte am Abend die Dachfenster öffnen und im Erdgeschoss kippen, um die kühle Nachtluft ins Gebäude strömen zu lassen. „Wir sprechen von der aktiven Gebäudehülle. Das heißt, dass wir bewegliche Elemente wie Jalousien und Fenster in den Klimaschutz mit einbeziehen und idealerweise mit Hilfe einer Automatisierung in der Nutzung optimieren. Denn Klimaschutz heißt nicht nur Energieeffizienz, sondern ist Teil einer nachhaltigen Entwicklung und sollte so auch ein angenehmes Arbeitsumfeld schaffen.“

Die größten Sorgen macht ihm der hohe Gasverbrauch, der 2024 um 20 Prozent gestiegen sei. Dass nach den strengen, coronabedingen Spar-Auflagen der Vorjahre wieder mehr geheizt werde, sei eine Erklärung dafür. Aber der CO2-Ausstoß müsse trotzdem heruntergefahren werden. Auch dafür möchte da Costa Fernandes erst einmal an vielen kleinen Stellschrauben drehen und die Nutzung der Heizkörper optimieren. Langfristig ist auch hier eine CO2-freie Wärmeversorgung vonnöten. Die Blumenwiese kann dagegen schnell umgesetzt werden. Und sorgt dann im Kleinen für Bio-Diversität und Wohlgefühl. 

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