Warum bürgerschaftliches Engagement und Freundeskreise Motor für die Entstehung von Bauten für die Künste sind und es dabei um mehr geht als das funktionale Planen neuer Räumlichkeiten, erklärt die Kulturmanagerin Anna Kleeblatt im Interview mit Hochschulpräsident Prof. Elmar Fulda. Anna Kleeblatt kennt Kultur aus vielen Perspektiven. Sie wuchs im Theater ihrer Eltern auf, das sich aus der Operettenleidenschaft eines Kirchenchores zu einem professionellen Ensemble entwickelte. Sie war Marketingchefin der Bayerischen Staatsoper in München und fand heraus, dass die Zufriedenheit des Publikums zu 50 Prozent auf dem Erlebnis des Gebäudes beruht. Die HfMDK plant einen Neubau, der alle Fachbereiche und Abteilungen auf einem Campus zusammenführt. Prof. Elmar Fulda fragt Anna Kleeblatt, was dabei wichtig ist. Das Gespräch dokumentierte Björn Hadem.
Frau Kleeblatt, welches Bauprojekt für Kunst und Kultur hat Sie zuletzt besonders begeistert?
Klare Antwort: das 199 Zuschauer fassende Konzerthaus in Blaibach, einer 2.000-Seelen-Gemeinde im Bayrischen Wald. Der Abwanderung von Einwohnern begegnete der Architekt Peter Haimerl dort mit der kühnen Idee, ein Konzerthaus in Schuhschachtelform aus dem Boden zu stampfen – sehr spektakulär und vor allem visionär, wie ich finde. Eingeweiht wurde es 2014. In ihm stehen heute regionale wie internationale musikalische Größen auf der Bühne, die Auslastung liegt bei 100 Prozent. Die Folgen für den Ort: Es gibt dort wieder zwei Gasthäuser, junge Leute bleiben und man merkt, wie nach Blaibach das Leben zurückkehrt.
Es braucht immer Visionäre
Worin liegt die Magie dieses Projekts?
Sicher in der Tatsache, dass niemand einen derartigen Bau an diesem Ort erwartet: Er besteht aus recyceltem Glasbeton, genauer gesagt aus Dämmbeton mit Glasschaumschotter, der sich gekippt in die Erde eingräbt und eine wunderbare Akustik wie heimelige Atmosphäre besonders für Kammermusik bietet. Es ist einfach ein toller Ort, an dem man länger verweilen möchte, obwohl er auf den ersten Blick kühl und nüchtern anmuten mag.
Wie konnte dieser kulturpolitische Wurf gelingen?
Am Anfang stand eine starke Vision. Es braucht immer Visionäre, die fest an einen Ort glauben, mit viel Energie ihre Idee durchsetzen und Menschen für sie begeistern. Ein ähnliches Beispiel anderer Größenordnung ist sicher die Elbphilharmonie, wo Menschen sehr nachhaltig an ihrer Idee festgehalten haben. Und München plant gerade nicht nur einen Konzertsaal, sondern ein Konzerthaus - mit großem und kleinem Saal, 900 Quadratmetern Fläche für Education-Projekten und einer 24/7-Zugänglichkeit zur Location mit Shops und Gastronomie – also mit allen Voraussetzungen für einen Besuch des Objekts als Gesamterlebnis.
Sie haben die Initiative „Kulturbauten der Zukunft“ aufgegleist. Was ist der Ausgangspunkt?
Wir gehen von der Frage aus, welchen Nutzen unsere Opernhäuser in Zukunft jenseits der reinen Raumanforderungen erfüllen sollen. Was braucht der Besucher? Angesichts bislang fehlender Formate dazu haben wir die Idee der Lectures umgesetzt, um Expert*innen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenzubringen und den Blick aller damit zu weiten.
Sie haben alle Lectures moderiert. Haben Sie zentrale Erkenntnisse aus ihnen ziehen können?
Auf jeden Fall. Zuvorderst, dass die Vision, die am Anfang eines Projektes steht, groß sein muss und sich bestenfalls nicht nur auf einen Bau beschränkt, sondern auch dessen urbanes Umfeld mit einbezieht. Nur eine große Idee, die auch Neues an einem Bau ermöglicht, sorgt für die notwendige Motivation ein so großes Projekt durchzuziehen. Man kann sehr viel mehr Nutzen aus einem Bauprojekt ziehen, wenn man alle Beteiligten mit einbezieht. Und wir müssen, um durchzuhalten, durch eine transparente Kommunikation den Rückhalt sichern. Kommunikation muss dafür sorgen, dass alle einbezogen sind und wissen, was passiert. Damit einher geht die wesentliche Rolle der Freundeskreise von Kulturinstitutionen. Sie sind die Anwält*innen einer Sache, die sagen: Das ist „unser“ Opernhaus, „unser“ Museum, „unsere“ Hochschule. Während andere Beteiligte kommen und gehen – seien es Politiker*innen, Lehrende, Angestellte, Studierende oder Künstler*innen – bleiben die Bürgerinnen und Bürger. Deren Rolle unterschätzen viele noch völlig.
Freundeskreise einbeziehen
Wie können wir Freundeskreise optimal einbeziehen?
Sie sind einerseits Nutznießer*innen, aber auch Botschafter*innen, im besten Fall der verlängerte Arm in die Politik und Gesellschaft. Sie sind kompetente Multiplikator*innen und können unterstützend formulieren, wo die Notwendigkeit für die Sanierung oder die Errichtung eines Neubaus liegt. Es ist wie in anderen Lebensbereichen: Mit Freund*innen kann ich Sorgen teilen, Herausforderungen besprechen, sie gehen mit mir durch dick und dünn.
Kennen Sie erfolgreiche Beispiele?
Die Freund*innen des Nationaltheaters in München. Sie kämpften nach dem Zweiten Weltkrieg dafür, dass ihr Opernhaus wieder aufgebaut wurde. Die Tombola dafür gab es bis in die 1990er-Jahre. Bis heute ist das Selbstverständnis dieses Kreises: Wir sind die Bürgerinnen und Bürger, die für „unser“ Opernhaus sorgen.
Frühzeitig kommunizieren
Welche Empfehlungen können Sie uns, der HfMDK, für die Planungen unseres Hochschulneubaus in Bockenheim mitgeben?
Kommunizieren Sie frühzeitig, warum Sie ein neues Zuhause brauchen, welche Probleme es löst und welchen Nutzen die Hochschulgemeinde wie die Gesellschaft davon haben. Kommunizieren Sie gute wie schlechte Nachrichten. Feiern Sie Etappenerfolge gemeinsam. Und planen Sie frühzeitig ein angemessenes Kommunikationsbudget ein. Und: Machen Sie Ihren Freundeskreis zu Botschafter*innen des Projekts!
Wieviel Prozent der Bausumme sollten wir für Kommunikation und Marketing investieren?
Mindestens ein Prozent, also 1,7 Millionen Euro bei Ihren Gesamtkosten von 170 Millionen Euro. Die Größenordnung für Investitionen in das Marketing liegt eigentlich sogar noch höher – bei fünf bis sieben Prozent. Sie müssen eine Steakholder-Analyse machen, brauchen eine knackige Eröffnungskampagne, müssen Krisenmanagement einkalkulieren, sollten politische Entscheider*innen mit einbeziehen. Machen Sie ganz viele Führungen schon jetzt in Ihrem „alten“ Haus, um zu zeigen, wie groß die aktuelle Not ist. Und dann so viele Bauführungen wie möglich, sobald es auf dem neuen Areal etwas zu sehen gibt!
Anna Kleeblatt gründete das Forum „Kulturbauten der Zukunft“ und organisierte digitale Lectures zum Bauen für Kunst, das auch das ganze soziokulturelle Umfeld in den Blick nimmt.
www.kulturbauten.net
Prof. Elmar Fulda ist Präsident der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt (HfMDK).