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Pop in der Kirche - neuer Studiengang «Kirchenmusik popular». Foto: Lieberwirth
Stimmfitness für Ostern - Wie Geistliche ihre Stimme schulen. Foto: Lieberwirth
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Stimmfitness für Ostern - Wie Geistliche ihre Stimme schulen

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Würzburg/München - Während die meisten Menschen Ostern frei haben, müssen Geistliche an den Feiertagen besonders viel arbeiten. Etliche Gottesdienste und Gespräche mit Gläubigen - das bedeutet auch Hochleistung für die Stimme. Besonders in immer leerer werdenden Gotteshäusern.

Auf den ersten Blick sieht es aus, als wäre Andreas Kroll im Fitnessstudio. Der angehende katholische Ständige Diakon steht auf einem Balancekreisel. Um ihn herum liegen ein Trampolin und ein Gymnastikball. Anschließend versucht er mit aller Kraft, nicht umzufallen, während seine Trainerin Gabriele Baumann von der Seite gegen seine Hüfte drückt. Doch die beiden sind nicht im Fitnessstudio, sondern im Würzburger Priesterseminar.

Baumann ist auch keine herkömmliche Fitnesstrainerin. Sie ist Stimmtrainerin und Kirchenmusikerin und Kroll möchte mit ihrer Hilfe seine Stimme gottesdiensttauglich bekommen. Bei den Übungen intoniert er konzentriert Vokale und einzelne Sätze.

«Ich habe kaum Musikerfahrung und jetzt brauche ich eine bewusstere Körperhaltung, als wenn ich in der Kirchenbank vor mich hin singe», sagt der 48-Jährige. Seine Sprechstimme ist sonor und voll. Aber beim Singen wird sie ungleichmäßig. Daher nimmt der Bamberger Unterricht bei Baumann. Außerdem trainiert er bei ihr in der Gruppe zusammen mit anderen Männern, die künftig das Amt des Ständigen Diakons ausüben wollen. Ständige Diakone dürfen unter anderem an der Liturgie mitwirken, taufen und Begräbnisfeiern leiten.

Beim Gruppenunterricht arbeiten die Geistlichen auch an der Sprechstimme. «Dabei geht es nicht nur darum, laut und verständlich zu sein, sondern auch, als Persönlichkeit rüberzukommen», sagt Baumann. Schließlich soll die «Frohe Botschaft» verkündet werden.

Auch beim Gruppenunterricht fließt Bewegung ein. Die Männer schwingen ihre Arme, gehen in die Knie und sprechen dabei Wörter nach. «Bewegung heißt Leben und sich spüren», sagt Baumann. Wenn der Körper schwingt, bekomme er mehr Resonanz. Daher klinge ein Gospelchor, der klatscht und tanzt, anders als hiesige Chöre. «Durch die Übungen fühlt sich die Stimme jetzt natürlicher an», bestätigt Kroll.

Schon jetzt ist das Sprechen in Kirchen für Kroll und die anderen angehenden Diakone nicht neu. Die meisten haben vorher in ihren Gemeinden als Lektoren gearbeitet, also im Gottesdienst vorgelesen. Eine Vorbereitung haben sie damals nicht erhalten. Anders als jetzt.

Dabei spiele die Stimme in der Liturgie eine entscheidende Rolle, sagt die Schauspielerin und Hörspiel-Regisseurin Gesche Piening aus München. Sie hat mehrere Jahre lang evangelische Vikare ausgebildet und dabei gemerkt, dass viele Geistliche in eine Art einlullenden Singsang rutschten. «Das Langhangeln an einem melodiösen Korsett mag Sicherheit vermitteln, doch dabei gehen Inhalt und Emotionen verloren», sagt Piening.

Sie hat mit den angehenden Vikaren daher daran gearbeitet, das Korsett zu lösen. «Dazu hilft es beispielsweise, den Text in eigene Worte umzuformulieren», sagt Piening. Ein anderer Trick: den Namen Jesus durch einen nahbareren Namen wie Klaus zu ersetzen.

Gabriele Baumann und Gesche Piening beraten auch bereits praktizierende Geistliche. «Die meisten kommen, weil sie lauter, verständlicher, klarer sein wollen oder weil sie kurzatmig sind oder es nicht so klingt, wie sie sich es wünschen», sagt Baumann. Manchmal treten dabei ganz andere Themen wie ein nahendes Burn-out zu Tage. «In der Stimme hören wir, was in einem Menschen vor sich geht», erzählt Baumann.

Sprechen - für Nina Baumann, die nicht verwandt ist mit Gabriele Baumann, ist das auch jenseits von Gottesdiensten eine Herausforderung. Denn sie stottert. Dennoch ist auch sie Lektorin, und zwar in der evangelisch-lutherischen Epiphaniaskirche in Bayreuth. Auf ihrer Facebook-Seite mit dem Namen «Lektorin in der Gemeinde - trotz Stottern» macht die junge Frau auf ihr Problem aufmerksam.

«Über die Hälfte meines bisherigen Lebens habe ich mich dafür geschämt und wollte das Stolpern beim Sprechen mit aller Kraft verstecken», schreibt sie. Mit ihrem Lektorendienst möchte sie Scheu und Scham verlieren. Es scheint zu funktionieren. Inzwischen hat sie sogar vor anderen Gemeinden gesprochen. Jetzt offen mit dem Stottern umzugehen sei «ein unglaublich tolles Gefühl».

Als wäre die Stimme für Pastoren und andere Gottesdienst-Mitwirkende wie Kroll und Nina Baumann nicht so schon eine große Herausforderung, macht eine schlechter werdende Kirchenakustik ihnen zu schaffen. Denn weniger Gottesdienstbesucher bedeutet mehr Hall. Zudem sind gerade alte Kirchen laut Forschungsstudien akustisch alles andere als ideal und oft eher auf Gregorianische Gesänge ausgerichtet und weniger darauf, dass die Gemeinde den Gottesdienst versteht.

Etliche Gotteshäuser sind inzwischen mit Technik ausgerüstet, um die Worte klar bis in die letzten Kirchenbänke zu transportieren. Einfach ist die Beschallung trotzdem nicht. Zum einen soll die Technik die optische Kirchenästhetik nicht beeinflussen. Zum anderen steht eine gute Akustik für Sprache häufig in Konflikt mit einer guten Akustik für Musik.

Stimmbildnerin Gabriele Baumann rät daher eher dazu, sich der Raumakustik anzupassen. Bei viel Hall sei es beispielsweise wichtig, Pausen zu machen. Bei kleinen Räumen dürfe man sich nicht erdrücken lassen, sondern müsse die Stimme weiter ausbreiten. Und manchmal sei es am besten, auf Technik zu verzichten: «Manche Menschen nehmen bei einem Mikrofon ihre Stimme zurück; dann fehlt die Aussagekraft», sagt Baumann. Sie rät: Wenn jemand zu leise ist, lieber das Mikrofon ausschalten als es hochdrehen.

 

 

- Priesterseminar Würzburg

- Gesche Piening

- Facebookprofil "Lektorin in der Gemeinde - trotz Stottern"

- Forschungsveröffentlichung zur Kirchenakustik

- Forschungsveröffentlichung "Aktuelle Aspekte der Kirchenakustik"

- Handbuch Sound - Kirche

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